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neueröffneten Quellen mit Unrecht die älteren, besonders die in wichtigen Punkten übereinstimmenden Vertheidigungsschriften der in diesem Prozesse Angeklagten und die gerichtlichen Verhöre, auf welche diese sich beziehen, übersehen, wodurch sie in manche Irrthümer gerathen sind. Aus diesen Vertheidigungsschriften hat bereits Schlözer im dreizehnten Bande seiner Staatsanzeigen einen kritischen, sehr beachtenswerthen, neuerdings mit Unrecht vergessenen Auszug gegeben, welchen wir bei der folgenden Erzählung um so mehr zu Grunde legen müssen, als er eine Hauptquelle für Goethe gewesen sein dürfte. Mit Unrecht hat man behauptet, bis vor wenigen Jahren hätten die Grundzüge jenes feltsamen Ereignisses noch in tiefem Dunkel gelegen; denn der Hauptsache nach hat das Richtige schon Schlözer aus den Akten unzweifelhaft herausgestellt, ja zum Theil richtiger, als die neueren Darstellungen.

Im Jahre 1776 hatte die spätere Gräfin de la Motte, geborene Jeanne de St. Remy de Valois, Tochter des 1762 im pariser Spital verstorbenen Jaques de St. Remy de Luz, später de Valois, durch die Vermittelung der Marquise de Boulainvillers, Gattin des Prévôt von Paris, die sich ihrer und ihrer Geschwister angenommen hatte, von dem juge d'armes de la noblesse de France, d'Hozier de Sevigny, ein Zertifikat über ihre Abstammung vom Hause Valois und das Wappen desselben erhalten *), worauf ihr am 9. Dezember d. J. vom Könige eine jährliche Pension von 800 Livres ertheilt wurde. Im Juni 1780, in ihrem fast vollendeten vierundzwanzigften Lebensjahre (geboren war sie am 22. Juli 1756 auf dem Gute Fontette bei Bar-sur-Aube in der Champagne), heiratete sie einen Offizier der Gensd'armerie zu Luneville, Marie Antoine Nicolas de la Motte, der sich den Grafentitel beilegte. Mit ihrem Gatten reiste fie darauf nach Straßburg, wo sich die Marquise de Voulainvillers in der Behandlung Cagliostro's befand. Da sie aber von Cagliostro vernehmen, daß diese sich augenblicklich beim Kardinal Rohan in Zabern befinde, reisen sie dorthin, wo die Marquise sie dem Kardinal „unter dem füßen Namen ihrer Kinder" vorstellt und ihm ihre unglückliche Geschichte erzählt. Der Kardinal verspricht, bei seiner Rückkehr nach Paris für sie Sorge tragen zu wollen. Im November 1781 kommt das mittellose gräfliche Paar in Paris an, wo sie ihre Wohl,

*) Ueber die Begründung ihres Anspruches, vom Hause Valois abzustammen, vgl. man die Kritik von Schlözer a. a. D. S. 263–272.

thäterin gefährlich krank finden, die aber doch dafür Sorge trägt, daß Herr de la Motte in die Garde des Grafen Artois eintritt. Der Tod der Marquise beraubt sie bald darauf ihres besten Schußes *).

Den weitern Verlauf der Geschichte entnehmen wir aus den gerichtlichen Verhören und den Vertheidigungsschriften der Angeklagten selbst mit Ausnahme der stets lügnerischen de la Motte. Das gräfliche Paar zieht von Paris nach Versailles, wo die verschmigte Gräfin den Kardinal Rohan angeht und ihn an die Versprechungen erinnert, welche er der Marquise de Boulainvillers gegeben habe. Der Kardinal war gutmüthig genug, ihren Geldverlegenheiten abzus helfen; einmal verbürgte er sich für fte für 5000 Livres, die er natürlich auch bezahlen mußte. Zu derselben Zeit verfehlte sie nicht, den Hof mit Bitten und Forderungen zu beftürmen. Als sie einst im Jahre 1783 zu diesem Zwecke bei der Gräfin von der Provence sich befand, bekam sie einen übeln Zufall, wobei die Gräfin theilnehmende Sorge für sie zeigte und sie durch ihre Aerzte behandeln ließ. Auf die Verwendung derselben wurde auch Ende 1783 ihre Pension auf 1500 Livres erhöht. Sie war unterdessen nach Paris gezogen, wo ihre Noth troß des äußern glänzenden Scheines immer sehr groß war, so daß sie von Unterstüßungen lebte und sich genöthigt sah, im August 1784, nachdem sie im Februar aus dem königlichen Schage 600 Livres, um ihre Sachen vom Leihhause einzulösen, mit der Bemerkung, daß sie nie wieder etwas von sich hören lassen solle, erhalten hatte, die Erlaubniß zu erbitten, ihre Pension und die ihres Bruders zu verkaufen. Aber gerade in dieser Zeit bitterster Noth faßte sie einen Anschlag, der ihre Verhältnisse mit einemmale glänzend um

*) Wir sind in der bisherigen Erzählung nach Schlözer den Mémoires justificatifs de la Comtesse de Valois, die 1789 erschienen, gefolgt, da uns für diese Zeit andere Quellen abgehen. Vgl. Schlözer a. a. D. S. 273. 278. Achn lich wird ihre Jugendgeschichte in der gerichtlichen Vertheidigungsschrift der de la Motte (Schlözer S. 449–457) dargestellt. Daß die Mémoires justificatifs, wenn auch andere dabei betheiligt gewesen, von der de la Motte herrüh ren, nimmt man neuerdings an; aber die Angabe, daß ein gewisser Latour, dem die de la Motte einzelnes mitgetheilt haben könnte (das meiste konnte er aus ihrer Vertheidigungsschrift entnehmen), Verfasser derselben sei (Schlözer B. 14, 115 ff.), ist bis jezt, so viel ich weiß, noch nicht widerlegt. Vgl. auch Schlözer B. 13, 512 ff.

gestalten sollte. Am 2. Februar 1784 hatte sie der Königin eine Bittschrift überreicht, deren Folge die 600 Livres gewesen zu sein scheinen, die sie in demselben Monate erhielt; es war dies ohne Zweifel das erste und einzigemal, wo sie mit der Königin sprach. Aber fie und ihr Mann verbreiteten seit dieser Zeit allgemein, daß sie in besonders genauer Verbindung mit der Königin stehe, und sie scheute sich nicht, Briefe vorzuzeigen, die sie von der Königin erhalten haben wollte. Seit dem Mai prahlte sie auch dem Kardinal mit dieser innigen Vertrautheit, deren sie sich von der Königin zu erfreuen habe, und überredete diesen, sie wende ihren Einfluß besonders dazu an, ihm die Gunst der Monarchin wieder zu verschaffen, und sie zweifle nicht am besten Erfolge. Auch ihm zeigte sie untergeschobene Briefe der Königin und forderte ihn auf, die Handschrift mit anderen eigenhändigen Briefen derselben zu vergleichen. Endlich verspricht sie ihm, in wenigen Tagen solle er das Glück haben, die Königin an einem schönen Sommerabende in den Gärten zu Versailles zu sprechen und aus ihrem eigenen Munde die ersehnte Verzeihung zu erhalten. Zu diesem Zwecke hatte Herr de la Motte ein in der Nähe des Palais royal wohnendes Mädchen, Marie Nicole le Guay, genannt d'Oliva oder Dessigny (geboren den 1. September 1761), ausgewählt, welche im Wuchse und der äußern Gestalt mit der Königin einige Aehnlichfeit hatte *). Der Kardinal pflegte seit jener Verheißung der Betrügerin Abends in den Gärten von Versailles spaziren zu gehn, wo Anfangs August 1784 **) gegen 11 Uhr die de la Motte auf ihn zueilte und ihm mittheilte, die Königin erlaube, daß er sich ihr nåhere. Sie führt ihn an den bestimmten Plaß, wo die als Königin

*) Von ihr heißt es, sie sei remarquable par la richesse de la taille; elle avoit les yeux bleux et les cheveux châtains (Schlözer S. 428). Ueber die äußere Gestalt der Königin vgl. man die Beschreibung des Grafen Alexander v. Tilly (bei Jacob S. 413), der ihre Gestalt als schlank und majestätisch schildert.

" Gegen den 11. August. Dies Datum ergiebt sich aus

den von einander unabhängigen Angaben des Kardinals und der d'Oliva. Die Darstellung von v. Schüß und Jacob, wonach die Gartenszene erst nach dem Kaufe des Halsbandes, im Jahre 1785, stattgefunden, beruht auf Irrthum. Auch die de la Motte selbst sezt die Gartenszene vor den Kauf des Halsbandes und will legtern von ersterer ganz getrennt wissen, obgleich diese darauf berechnet war, das vollste Zutrauen des Kardinals, dessen man zu jenem bedurfte, zu wecken.

verkleidete d'Oliva ihm entgegentritt und ihm Verzeihung verspricht, wobei sie ihm eine Rose überreicht. In demselben Augenblicke werden sie durch eine Stimme, welche die Gräfinnen von Artois und von der Provence meldet, unterbrochen. Seit dieser Nacht war der Kardinal fest überzeugt, daß er durch Vermittelung der de la Motte die Gunft der Königin wiedergewonnen habe, wofür seine Dankbarkeit gegen seine Freundin unbegrenzt war. Und diese Dankbarkeit sollte bald auf die unverschämteste Weise in Anspruch genommen werden.

Noch im Auguft erhielt die de la Motte auf ihr dringendes Verlangen 60,000 Livres vom Kardinal, unter dem Vorwande, fie unter Arme, an welchen die Königin Antheil nehme, zu vertheilen. Im November ließ sie dem Kardinal zu gleicher Bestimmung 100,000 Livres abfordern, wozu dieser die Anweisung aus Zabern schickte. Beide Summen übergab ihr der Baron de Planta, wie vor Gericht erwiesen ward *). Aber mit diesem so leicht gelungenen Betruge noch nicht zufrieden, sann sie bald, während der Kardinal noch in Zabern verweilte, auf einen neuen Anschlag von unerhörter Frechheit. Die Hofjuweliere Böhmer und Bassange befanden sich seit längerer Zeit im Besige eines herrlichen Diamant - Schmuckes im Werthe von 1600,000 Livres, dessen Ankauf die Königin standhaft verweigert hatte **). Auf dieses kostbare Halsband richtete die de la Motte ih ren Plan, und ließ sich zunächst den Besizern, welche einflußreiche Freunde bei Hofe suchten, als eine Vertraute der Königin empfehlen. Am 29. Dezember wird ihr das Halsband ihrem Wunsche gemäß zur Ansicht gebracht, und sie erklärt darauf den Besißern, daß sie, wie sehr sie auch sonst jeder derartigen Einmischung abgeneigt sei, sich bei der Königin für den Ankauf verwenden wolle, worauf die Hofjuweliere ihr ein Geschenk anbieten. Am 5. Januar war der Kardinal wieder in Paris, wo ihm die de la Motte mittheilte, die Königin wünsche das Halsband zu kaufen und werde ihn mit dem Abschluffe des Kaufes beauftragen, wobei sie ihm durch untergeschobene Briefe der Königin jeden Zweifel benahm. Zwar erlaubte er sich dagegen einige Bemerkungen wegen der bedeutenden Summe des Preises, doch als die Betrügerin ihm einige Tage darauf erklärte, die Königin bestehe auf

*) Man vergl. hierzu die Erzählung von Georgel und Bertrand de Moleville bei v. Schüß S. 47. Jacob S. 420 f.

*) Vgl. v. Schüß S. 47 f. Jacob S. 422 f.

ihrem Entschlusse, erhob er kein weiteres Bedenken. Am 21. Januar kündigt die de la Motte den Hofjuwelieren an, ein großer Herr sei von der Königin beauftragt, das Halsband für diese zu kaufen, doch bittet sie bei diesem Herrn alle mögliche Vorsicht anzuwenden. Am frühen Morgen des 24. erscheinen der Graf und die Gräfin de la Motte bei den Juwelieren, denen sie wiederholt die größte Aufmerksamkeit anempfehlen. Kaum waren sie weggegangen, als der Kardinal vorspricht, der sich unter anderen das Halsband zeigen läßt; er sei Willens, erklärt er, dasselbe zu kaufen, nicht für sich, sondern für eine andere Person, die er nicht nenne, aber vielleicht künftig nennen werde. Wenige Tage später bringt er den Juwelieren die Kaufbedingungen, welche diese sofort genehmigen; er übergibt sie sodann der de la Motte, um sie der Königin zur Unterschrift zuzustellen. Die verschmißte Betrügerin läßt durch einen ihrer Helfershelfer, einen gewesenen Gensd'armen und Freund ihres Mannes, Louis Marc Antoine Rétaur de Villette, deffen sie sich schon früher zu ihren Fälschungen bedient hatte, zu jedem Artikel an den Rand das Wort approuvé und unter die Bedingungen, der Unterschrift des Kardinals gegenüber, die Worte Marie Antoinette de France seßen, was freilich eine völlig unrichtige Bezeichnung der Königin war, da diese die Namen Marie Antoinette Joseph Jeanne de Lorraine führte und einfach la Reine unterzeichnete, wogegen de France nur von geborenen französischen Prinzen oder Prinzessinnen galt. Aber der Kardinal war so verblendet, daß er dieses übersah und gleich nach dem Empfange der falschen Unterschrift, am Morgen des 1. Februar, die Juweliere aufforderte, ihm das Halsband zu überbringen. Als sie ihm den Schmuc übergeben, zeigt er ihnen die Genehmigung der Königin, deren Unterschrift auch bei ihnen keinen Verdacht erregt, und fordert sie auf, sich eine Abschrift von den Bedingungen zu nehmen. Da die de la Motte tem Kardinal bemerkt hatte, die Königin wünsche das Halsband am Tage Maria Lichtmeß (2. Februar) zu tragen, so begibt er sich noch am Abend des 1. Februar nach Versailles in die Wohnung der Gräfin, die unter dem Vorwande, der Königin nahe sein zu müssen, sich dort eingemiethet hatte, um ihr den Halsschmuck zu überreichen. Bald darauf tritt ein Mensch herein, der im Namen der Königin ein Billet mit dem Befehle überreicht, das Kästchen ihm abzuliefern ---und so verschwindet der kostbare Schaz, um bald von der schamlosen Betrügerin zerschlagen zu werden.

Unterdessen war Cagliostro in Paris angekommen, welcher dem

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