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Tag, weigre mir dein Licht; Nacht, deine Ruh,

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Wahrhaftig, die Nacht weigerte ihm die Ruhe, und jetzt weigert ihm der Tag das Licht («Die Sonne läßt sich heut nicht sehn» - «SO weigert sie den Schein »). Nun ist es ihm deutlich, dem bebenden Lügner, daß auch der Versuch feindseliger Waffen für ihn nicht glückbringend sein kann; nun trägt er den Tod im Herzen. Geht er an dem Abergläubischen nicht buchstäblich in Erfüllung, der freche Wunsch? Müßte nicht auch Richard hier beim Todesgange eingestehn, was Buckingham beim Todesgange eingesteht:

Der hoh' Allsehende, mit dem ich Spiel trieb,

Wandt' auf mein Haupt mein heuchelndes Gebet
Und gab im Ernst mir, was ich bat im Scherz.
So wendet er den Schwertern böser Menschen
Die eigne Spitz' auf ihrer Herren Brust.

Doch Richard's bleichen Lippen entringt sich kein Geständniß mehr; in wahnsinnigem Trotze nur erhebt er sich zur letzten Lüge: «Gewissen ist ein Wort für Feige nur!»

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Ueber dem blutigen Eber steigt die hehre Gestalt Heinrich's VII. empor. Die wenigen Schlußscenen haben Shakespeare genügt, den Tudor zu dem leuchtenden Beispiel eines wahrhaft frommen Fürsten zu machen. Das edle religiöse Gemüth des heiligen Heinrich von Windsor kehrt in ihm wieder, aber im schönen Bunde mit thatkräftigem Willen und freudigem Muthe: Frisch auf, in Gottes Namen, muth'ge Freunde!» Die ganze Reinheit seiner Gesinnung spiegelt sich in den Worten des ergebenen, erhebenden Gebetes:

O du, für dessen Feldherrn ich mich achte,
Sieh meine Schaaren an mit guäd'gem Blick:

Reich' ihrer Hand des Grimms zermalmend Eisen,

Daß sie mit schwerem Falle niederschmettern

Die trotz'gen Helme unsrer Widersacher!

Mach' uns zu Dienern deiner Züchtigung,

Auf daß wir preisen dich in deinem Sieg!

Das rührende Kindergebet leiht ihm ruhigen Schlummer in der Nacht vor der Entscheidung:

Dir anbefehl' ich meine wache Seele,

Eh' ich der Augen Fenster schließe zu:

Schlafend und wachend schirme du mich stets!

Gott und die gute Sache ficht für ihn. In der Hand das siegreiche Schwert der Gerechtigkeit, in der Brust tiefe Frömmigkeit, behauptet Richmond die Wahlstatt, der Kronhelm des Gegners ziert sein Haupt; so ist er die treffende Verkörperung des Spruches: Beten und handeln. Mit der Bethätigung der Gnade, deren Art und Segen der Dichter an anderer Stelle so unvergleichlich schildert, umgiebt er auch die Lichtgestalt des ersten Tudor («Ruft Gnade aus»). Der historische Richmond ließ auf dem Schlachtfeld ein Te Deum singen, Shakespeare's Richmond schließt mit dem Bekenntnisse der hohen Friedensmission der Könige, dem schwungvoll-feierlichen Epilog zur York-Tragödie:

England war lang im Wahnsinn, schlug sich selbst;

Nun mögen Richmond und Elisabeth,
Die echten Erben jedes Königshauses,

Durch Gottes schöne Fügung sich vereinen!

Mög' ihr Geschlecht, wenn es dein Will' ist, Gott,
Die Folgezeit mit mildem Frieden segnen,
Mit lachendem Gedeihn und heitern Tagen!
Zerbrich der Bösen Waffe, gnäd'ger Gott,
Die diese Tage möchten wiederbringen,
Daß England weinen müßt' in Strömen Bluts!
Der lebe nicht und schmeck' des Landes Frucht,
Der heim des schönen Landes Frieden sucht!
Getilgt ist Zwist, gestreut des Friedens Samen:

Daß er hier lange blühe, Gott, sprich Amen!

In kurzen Abrissen haben wir die Shakespeare'schen Historienkönige bezüglich der ihnen verliehenen religiösen Züge betrachtet. Wir erblicken in der dramatischen Ausspinnung der Königsgeschicke den deutlichen, immer wiederkehrenden Hinweis auf das Walten eines verehrungswürdigen Gottes, der Liebe um Liebe giebt, Maß für Maß. Wir glauben eine Absicht des Meisters annehmen zu dürfen, in geschichtlicher und psychologischer Treue die verschiedenartige Religiosität seiner Herrscher zu einem erhebenden Gesammtbilde zu gestalten, einer Verherrlichung des wahren, weltbeseligenden Christenthums, das da ist: Pflichterfüllung, Menschenliebe, Gott

vertrauen.

«Handle gerecht und blicke strebend auf zum Höchsten! Kämpfe und vertraue!» Das ist die Mahnung, die wir, wie in der Geschichte der Menschheit, so auch in des Briten Historien widerklingen zu hören glauben.

Einen Wunderdom hat uns Shakespeare an der Schwelle eines neuen Zeitalters aufgebaut, das erhabenste Denkmal klassischer Kunst. Im Laufe von Jahrhunderten mindert sich vielleicht das allgemeine Interesse an manchem Zierrath im Geschmacke jener Entstehungszeit, Laubwerk bröckelt ab, und die lebhafte Wirkung mancher Fresken verblaßt, die mächtigen Quader aber, die hehren Säulen und Pfeiler Wahrheit und Schönheit - werden immerdar fest und gewaltig stehn, von andächtiger Bewunderung kommender Geschlechter umgeben, und das Licht der ewigen Lampe Sittlichkeit wird nur stets heller strahlen.

Des großen Molière lauteres, aller Gleißnerei abgeneigtes Wesen finden wir in der Gestaltung seiner Tartüffe-Charaktere; wir sind gewohnt, die freie Glaubensansicht des Künstlergemüthes unseres Goethe in den Faustworten über die Religion zu lesen. Wir erkennen auch aus Shakespeare's Dichtungen, in Sonderheit aus seinen Königsdramen, das imponierende Glaubensbekenntniß des Mannes, über dessen Leben wir so wenig wissen.

Und wir wissen genug von ihm! Wissen wir doch, daß er, der dem Mucker zurief: «Vermeinest du, weil du tugendhaft seiest, solle es in der Welt keine Torten und keinen Wein mehr geben!>> den wahrhaft frommen Wandel zu ehren und wahre Tugend zu preisen wußte, wie nie einer vor ihm, wie noch keiner nach ihm. Wir wissen Alles von ihm! Kennen wir doch die hohe, über religiöse Parteizwiste unendlich erhabene Weltanschauung, die große, durch echte Heilserkenntniß veredelte Seele des unsterblichen Dichters.

John Marston.

Von

Wolfgang von Wurzbach.

I

Die enorme literarhistorische Bewegung, welche das kritische Studium Shakespeare's seit Anfang dieses Jahrhunderts in England hervorrief, kam nicht allein der Korrektur des Shakespeare'schen Textes, von welcher sie lediglich auszugehn schien, zu Gute, sondern dem ganzen Elisabetheischen Dichter- und Künstlerkreise, bis weit hinein zum Ausgang dieser glänzenden Epoche. Nicht selten hat es den Anschein, als hätte man den gesammten Sprachschatz des XVI. und XVII. Jahrhunderts aufgewühlt, nur um zum richtigen Verständnisse irgend eines einzigen Shakespeare'schen Wortes zu gelangen. Selbstverständlich freuen wir uns heute und genießen mit Ruhe und Vergnügen die Produkte jener Zeit, die aus den oft recht grausam verstümmelten Urtexten lesbar herzustellen, die Frucht dieses kolossalen Aufwandes an menschlichem Scharfsinn und kritischer Untersuchung gewesen.

Auch John Marston, derjenige, welcher, wie die englische Kritik behauptet, unter allen Dramatikern die größten Bemühungen machte, seinen Stil nach Shakespeare zu bilden, einer der interessantesten, wenn auch einer der wenigst gekannten, fand seine Würdigung. Seit jener ersten Ausgabe seiner sechs bekannteren Dramen, welche William Sheares im Jahre 16331) mit einer

1) The Works of Mr. John Marston, being Tragedies and Comedies, collected into one Volume, viz.

1. Antonio and Mellida

2. Antonio's Revenge

3. The Tragedie of Sophonisba

4. What you Will

5. Fawne

6. The Dutch Courtezan. 1633. 1 vol. 8°.

Widmung an die Viscountess Falkland, Elizabeth Carey, veranstaltete, in welcher er mit seltener Naivetät behauptet: Howsoever, he is free from all obscene speeches, which is the chief cause, that makes Plays to be so odious unto most men, waren mehr als 200 Jahre verflossen, ohne daß irgend ein Editor seiner gedacht hätte. Erst 1856 veranstaltete A. J. Halliwell ') eine neue Ausgabe, die schon so viel Interesse fand, daß H. A. Bullen 2) (1887) eine neue, sorgfältig revidierte folgen lassen konnte. Es gebührt ihm auch die Ehre, dem Publikum und dem Dichter mit seiner bedeutenden literarischen Sachkenntniß einen wesentlichen Dienst geleistet zu haben.

Marston's litterarische Thätigkeit umfaßt einen äußerst kurzen Zeitraum. 1598 erschienen seine ersten Satiren und 1607 seine letzte Komödie. Um diese Zeit das Jahr läßt sich nicht genau bestimmen trat er in Dienste der Kirche, und von da an erscheint seine Muse vollständig erschöpft und gestorben. Diese nicht gewöhnliche Umkehr vom Dramatiker zum Seelsorger und Kanzelredner, und dieses Erlöschen des poetischen Feuers, welches wahrlich als kein kleines Flämmchen, sondern als ein ganz mächtiger Feuerbrand loderte, müssen ihren besonderen Grund haben, und eine Erklärung in den uns unbekannten, näheren Lebensumständen des Dichters finden. Im Jahre 1607 war Marston ungefähr 30 bis 32 Jahre alt; er hatte 10 Jahre für die Bühne und für das Publikum geschrieben, und nun entsagt er plötzlich seiner weltlichen Laufbahn, und gelangt zur Einsicht, daß es besser sei, wenn er die Karriere eines Komödiendichters aufgebe, und einen Beruf ergreife, der seinen Mann besser und sicherer ernähre. Diese Umkehr verlangt eine Erklärung.

Ich glaube nicht, daß er jene streitbare Natur war, um die Angriffe Ben Jonson's und Anderer, die seine Thätigkeit unaufhörlich begleiteten, lange zu ertragen. Marston's Weg in der Literatur ist merkwürdiger Weise durch fortwährende bittere literarische Polemik gekennzeichnet.

Der Vater unseres Dramatikers, auch John Marston, war 1570 Mitglied des Middle Temple, und heirathete Maria, Tochter des Andrew Guarsi, eines italienischen Chirurgen, der sich in London niedergelassen, und daselbst Elisabeth Gray, Tochter eines Londoner Kauf

1) The Works of John Marston reprinted from the original. Edition with notes and some account of his life and writings by J. A. Halliwell. 3 vols. London 1856.

2) The Works of John Marston. Edited by A. H. Bullen, B. A. 3 vols. London 1887.

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