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Indem er jedoch Schlegel streng in seiner Eigenart wahren wollte, begnügte sich sein philologisches Gewissen nicht mit dem Wiederabdruck der alten Ausgabe. In seinen Forschungen «über Kritik und Geschichte des Goethe'schen Textes» (Berlin 1866) hatte er die Erfahrung gemacht, welcher Verderbniß auch bei modernen Schriftstellern der echte Wortlaut ausgesetzt sei. Und so ging er bei dem Neudruck denn auf die Schlegel'schen Handschriften selbst zurück. Aus ihnen konnte er den Text der 16 Dramen von einer Reihe von Druckfehlern reinigen, durch Zufall ausgelassene Verse durch Schlegel selbst ergänzen. Die Durchsicht der Hefte, zu dem praktisch buchhändlerischen Zwecke begonnen, leitete ihn aber bald zu einer selbständig literarhistorischen Aufgabe. Die verschiedenen Fassungen und Korrekturen der Handschriften gewährten einen überraschenden Einblick in die Arbeit, die Schlegel als Göttinger Student im Wetteifer mit seinem Lehrer Bürger begonnen hatte und unter dem Eindrucke von Schiller's Wallenstein-Dichtung vollendete. Und mit Liebe versenkte sich Bernays nun in die Aufgabe, das Werden und Wachsen dieser wichtigsten aller deutschen Shakespeare-Uebersetzungen klarzulegen. Gerne berief er sich auf Lessing, um seinen Schülern einzuschärfen, dem Philologen dürfe nichts zu unbedeutend erscheinen, um ihm seine ganze Sorgfalt zu widmen. Aber sehr ungleich manch andern Shakespeare- und Goethe-Philologen blieb er doch nie in diesem Unbedeutenden, dem nothwendigen Handwerkszeuge stecken. Sein allumfassender Blick wußte Alles zu verbinden. Mag er dabei auch hie und da, wie in dem großen Essay über den französischen und deutschen Mahomet», der auch manch gehaltvolles Wort über den Gegensatz des französischen und Shakespeare'schen Dramas enthält, zu viel Einzelheiten, die nur er in solcher Weise beherrschte, zusammengedrängt haben; er war nun einmal eine Persönlichkeit, die den Anspruch erheben konnte, nach eigenem Maße gemessen zu werden. In dieser letzten großen Studie, die von Goethe's Uebersetzung des Voltaire'schen Mahomet ausgeht, wie in den früheren Arbeiten über die deutschen Homer- und Shakespeare-Uebersetzungen, über Goethe's Beziehungen zur Antike (Einleitung zu «Goethe's Briefen an Friedrich August Wolf», Berlin 1868) geht er überall darauf aus, die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen neueren, zwischen neuer und altklassischer Literatur aufzuhellen. Er hörte es nicht gerne, wenn man ihn als Goethe- oder Shakespeare-Forscher bezeichnete. Mit Absicht hatte er für sein Bibliothekszeichen das Doppelbild Homer-Goethe gewählt. Die Gesammtheit aller Literaturen,

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die Weltliteratur, deren Bild Herder und Goethe als Ziel aufgestellt hatten, wollte er umspannen. Nur aus der vergleichenden Geschichte aller Literaturen glaubte er die Entwickelungsgeschichte der einzelnen darstellen zu können. Oft hat er mit mir über seinen Plan gesprochen, einmal ein Kolleg: «allgemeine Einleitung in die Literaturgeschichte zu lesen, in dem er in großen Zügen einen Ueberblick der europäischen Literaturen vom Beginne des Mittelalters an geben wollte. Die deutsche Literatur stand ihm dabei doch immer wieder im Mittelpunkte. In ihrer Weimarer Blüthezeit und der Romantik nimmt sie alle die verschiedenen Ströme in sich auf.

So hat er auch seine Vorlesungen über Shakespeare, denen gelegentlich auch einmal ein eigenes Kolleg über Racine zur Seite ging, stets mit einem Ueberblicke der Beurtheilung des englischen Dramatikers in Frankreich und Deutschland eingeleitet. Als ich im britischen Museum sein Shakespearekolleg durcharbeitete und aus den von ihm angezogenen Quellen selbständig nachprüfen konnte, da erkannte ich erst so recht dankbar, was Bernays seinen Hörern gerade auf diesem Gebiete geschenkt hatte. Das Studium der neueren Philologie hatte in München eben erst mit Breymann's Berufung begonnen. Um so wichtiger waren die Interpretationsstunden, in denen Bernays uns aus Hamlet übersetzen ließ. Hier gewann auch das Kolleg den intimen Reiz, den uns sonst der vertraute Umgang des Lehrers außerhalb der Universität gewährte.

Nur im ersten Bande des Jahrbuchs ist Michael Bernays als Mitarbeiter aufgetreten. Außer dem bereits erwähnten kleineren Aufsatze war es der große Essay: «Shakespeare ein katholischer Dichter», d. h. die Zurückweisung ultramontaner Versuche, den «wahren Naturfrommen» für eine Konfession in Anspruch zu nehmen, mit der er das neue Unternehmen wirksam unterstützte. Ich glaube, nur unser verehrter Herausgeber des Jahrbuchs und der treue Bearbeiter der jährlichen Shakespeare - Bibliographie wirken von den Mitarbeitern dieses ersten Bandes, den wackern Pionieren der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, heute noch in frischer Rüstigkeit an dem vor 33 Jahren gegründeten Werke mit. Und so haben wir doppelten Grund an dieser Stelle dankbar des in diesem Frühjahr von uns zu früh geschiedenen ersten Mitarbeiters zu gedenken, dessen Name stets ehrenvoll in der Geschichte der Deutschen Shakespeare - Forschung fortleben wird.

Breslau.

Max Koch.

Miscellen.

Sir William Geddes, Shakespeare and Hector Boece.

Zu einem Werke: Crown and Tower, das 1896 bei Abhaltung eines Wohlthätigkeitsbazars in Aberdeen erschienen ist, hat der durch seine Ausgabe des platonischen Phædon rühmlich bekannte Rektor der dortigen Universität, Sir William Geddes, einen Beitrag geliefert: Shakespeare and Hector Boece. Der Name Boece ist derselbe als der noch jetzt in Schottland und England sehr häufige Name Boyce, aber noch bekannter in der latinisierten Form Boetius (Boethius), als Verfasser der 1526 in Paris erschienenen Scotorum Historiae. Für Sir W. Geddes ist es wohl ein besonderer Anlaß gewesen, sich mit diesem alten Geschichtschreiber zu beschäftigen, daß derselbe die von ihm jetzt bekleidete Stellung inne gehabt hat. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts existierte allerdings erst King's College in Old Aberdeen, zu dem gegen Ende desselben Jahrhunderts das in unserer Zeit mit ihm zur Gesammtuniversität vereinigte Marischal College in der etwas jüngeren Schwesterstadt hinzutrat. Bei der Gründung der zuerst genannten Anstalt wurde Boece, dessen Chronik schon erschienen war, zum Rektor ernannt. Von diesem seinem Hauptwerke lieferte Bellenden zehn Jahre nach der Veröffentlichung eine Uebersetzung: Hystory and Chroniklis of Scotland. Auf dem lateinischen Texte des Boece, der selbst ein Scotichronicon von John of Fordun aus dem 14. Jahrhundert benutzt haben soll, beruht ferner Ralph Holinshed's Chronik vom Jahre 1577, Shakespeare's unmittelbare Quelle im Macbeth. Da die Sage zuerst in der um 1400 verfaßten Reimchronik des Andrew of Wyntoun vorkommt, so müssen wir diesen zum Vergleich heranziehen. In seiner Darstellung finden wir schon die drei Schicksalsschwestern (three werd Systrys) mit ihren prophetischen Grüßen an den keltischen Helden; aber sie erscheinen ihm

nur im Traume. Bei Boece steht einmal dem Macbeth, der Maccabaeus genannt wird, Banquho zur Seite; andrerseits heißt es, beiden seien auf ihrem Zuge zum Könige mitten auf dem Felde drei Weiber von ungewöhnlicher Erscheinung entgegengetreten (medio repente campo tres apparuere muliebri specie insolita vestitus facie ad ipsos accedentes). Statt Crwmbauchty (Cromarty) bei Wyntoun steht der Name Glamis, während Cawdor in Caldaria leicht erkenntlich ist, das statt Morave (Moray) by Wyntoun eingesetzt ist. Die ursprünglichen Lokalitäten weisen auf einen Sitz der Sage jenseits der Grampian Mountains hin, und sind aller Wahrscheinlichkeit nach von Boece, der aus Balbride oder Panbride in der Grafschaft Angus (jetzt Forfar) stammte, durch Orte diesseits der Grampians ersetzt. Sonst stimmt der kürzere Bericht des lateinischen Chronisten mit der ausführlicheren Bearbeitung seines Nachfolgers in allen wesentlichen Punkten überein: in der Prophezeiung an Banquo, sowie in der Ermordung des Königs Duncan, in dem Erwachen der Eifersucht gegen Banquo, in der Ermordung des Letzteren und der Erhaltung seines Sohnes Fleance, von dem das Geschlecht der Stewarts abstammen sollte. Ferner geht auf Boece die schon hei Andrew of Wyntoun vorkommende Unterredung zwischen Macduff und Malcolm zurück, sowie auch die Schilderung Macdonald's (Macdonaldus): I, 2, und die Tödtung der Kämmerlinge als angeblicher Mörder Duncan's. Freilich knüpft sich diese That sowohl bei Boece als bei Holinshed an die Ermordung des Königs Duff durch Donald und seine Gattin im Schlosse Forres. Endlich ist auch schon der geistige Zustand des Helden, der im Bewußtsein seiner Schuld von Verbrechen zu Verbrechen getrieben wird, von Boece in derselben Weise angedeutet, wie wir es im Drama finden; er wendet sich an eine Zauberin und wird durch trügerische Verheißungen in Betreff des Birnam - Waldes und des von einem Weibe Geborenen ermuthigt. Vor allem steht seine Gemahlin schon als großartige Verbrecherin da, während sie von Andrew of Wyntoun nur flüchtig erwähnt wird und bei ihm hinter ihrem Gatten vollständig zurücktritt. Der Verfasser der kurzen Abhandlung hat darauf hingewiesen, daß alle aufgezählten Einzelheiten sich schon bei Boece finden und von Holinshed ihm entlehnt sind. Er zieht noch die Schilderung desselben Gegenstandes in der lateinisch geschriebenen Geschichte Schottlands von George Buchanan († 1582) heran und findet, daß sie sich mehr von dem Drama entfernt als die des Boece. Auch wirft er noch einen flüchtigen Blick auf die ähnliche Geschichte des Grafen von Sutherland, Alexander the Bastard. Besonders interessant

ist, was sich über die Wiedergabe des Namens Macbeth durch Maccabaeus bei Geddes findet:

The form is due to Boece's accurate knowledge of the Celtic, which slurs over th in the pronunciation (Macbeothad), so that e. g. the Gaelic *mathair' (= mother) is pronounced as 'maher', whence, under Celtic phonetic influence, the French 'mère', and by a parallel example, the familiar "usquebac' is phonetic for uisge-beatha (water of life), in which last word th is not sounded. On this last analogy emerges the Maccabaeus of Boece.

Immanuel Schmidt.

Eine indische Parallele zu „Der Widerspenstigen Zähmung".

In eine Reihe mit den von Reinhold Köhler und mir in diesem Jahrbuche (III, 397 und XXVII, 130) besprochenen Erzählungen, in denen ein junger Ehemann sich bei seiner eigenwilligen Frau auf der Heimreise in Respekt setzt, indem er mehrere ungehorsame Thiere erschlägt, gehört auch eine jüngst aus dem Munde eines indischen Eingeborenen zu Mirzapur aufgezeichnete Erzählung, die ich hier nach der englischen Uebersetzung in den North Indian Notes and Queries V, 33, No. 37 (Allahabad 1895-96), den Lesern des Jahrbuches vorlegen möchte.

Banke Chhail und seine Frau.

Es war einmal ein Muselmann, dessen Frau eine solche Keiferin war, daß sie ihm alle Morgen einen tüchtigen Schlag mit ihrem Pantoffel zu versetzen pflegte. Sie hatte eine Tochter, und als diese heranwuchs, sahen sich die Eltern nach einem Manne für sie um; aber die Sinnesart der Mutter war so bekannt, daß niemand in eine solche Familie heirathen wollte. Endlich kam eines Tages ein berüchtigter Mann, der als Banke Chhail oder der durchtriebene Schuft bekannt war, und warb um das Mädchen; und ihr Vater war so froh sie zu versorgen, daß er in die Heirath willigte, und Beide Hochzeit hielten.

Bevor die Feier stattfand, kaufte Banke Chhail einen Papagei, eine Katze und einen Hund, und als er seine Braut heimführte, brachte er seine Thiere mit. Unterwegs ruhte das Brautpaar an einem Brunnen aus, und eine Schar von Dorfkötern kam herbei und fing an, wider Banke Chhails Hund zu kläffen. Dieser bellte sie wieder an, da zog sein Herr das Schwert und hieb ihm mit einem Streiche den Kopf ab. Du Schuft», sagte er, «wagst du ohne meine Erlaubniß

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