Oldalképek
PDF
ePub
[ocr errors]

.

414

[merged small][ocr errors][merged small]

107

Die nicht-göttliche Komödie.

(Von K. Gàszyński).

Es ist ein alter Vorwurf, den uns die Polen machen, daß ihre Literatur von uns so wenig gekannt und gewürdigt werde. Unkenntniß der Sprache könnte hier allerdings nicht entschuldigen, haben wir doch das Arabische, Persische, Indische, ja das Japanische und Chinesische erlernt, um die Literatur dieser Völker kennen zu lernen, sie zum Theil bei uns einzuführen; und doch müssen wir zugeben, daß uns unsre Nachbarn näher stehen, als,,die Bewohner des himmlischen Reichs” und unsre Berücksichtigung selbst für den Fall eher verdienten, wenn ihre Literatur auch hinter der des fernen. Drients zurückbliebe. Nun hat aber die polnische Literatur in der That manches bedeutende Werk aufzuweisen und namentlich in der neuern Zeit haben die Polen eine Thätigkeit und Rüftigkeit auf dem Gebiete der Literatur entwickelt und Werke zu Tage gefördert, die wegen ihres innern Kunstwerthes auch in weiteren Kreisen eingeführt zu werden verdienen. Vielleicht bedarf es aber auch nur der Anregung, um den deutschen Fleiß auch auf dieses Gebiet lohnender Thätigkeit zu lenken. In der Hoffnung, würdigere Nachfolger zu finden, erlauben wir uns daher, durch Nachstehendes unsere Leser mit einem Werke bekannt zu machen, das unter den Leistungen der Gegenwart einen ehrenvollen Plaß einzunehmen berechtigt ist. Es ist dies ein im Jahre 1835 zu Paris anonym erschienenes Drama unter dem Titel: „Die nicht-göttliche Komödie." Von dem Verfaffer derselben war einige Jahre früher das Drama,,Irydice" erschienen, in welchem der Kampf des Christenthums mit dem alten Römerthume, dem Heidenthume, dargestellt wird. Unter spätern, ebenfalls bedeutenden Dichtungen nennt sich der Verfaffer (wohl pseudonym) K. Gàszyński.

Archiv f. n. Sprachen. XI.

1

Der Dichter eröffnet sein Drama mit einem Anruf an die Poesie. Sterne umkreisen dein Haupt, sagt er, Meereswogen brausen unter deinen Füßen, ein Regenbogen verscheucht vor dir die Nebel. Was du erschaust ist dein, deinem Ruhme kommt nichts gleich. Deine Töne sind Wonne für fremde Ohren; du verschlingst Herzen zu einem Kranze, lockst Thränen hervor und lächelst sie hinweg. - Du selbst aber, was fühlst, was schaffst, was denkst du? Dich durchfließen Ströme von Schönheit, aber du bist nicht die Schönheit. -Wer schuf dich im Zorn oder in der Ironie? Wer gab dir ein so trügerisches Leben, daß du im Stande bist, einen Engel darzustellen, und im nächsten Augenblicke in den Koth sinkst? Du und das Weib seid eines Ursprungs. -Aber auch du leidest, obgleich dein Schmerz nichts schafft. Des lezten Bettlers Schmerzensruf wird gezählt unter den Harfenklången des Himmels; deine Verzweiflung, deine Seufzer fallen in die Tiefe und Satan sammelt sie und fügt sie freudig zu seinem Lug und Trug; aber der Herr wird sie einst verleugnen, wie sie den Herrn verleugnet haben. Nicht dir gelten meine Klagen, Poesie, Mutter der Schönheit und des Heils. Nur der ist unglücklich, der in entstehenden, in verfallenden Welten deiner Gedanken dich ahnen muß. Denn du vernichtest nur diejenigen, die sich dir weihten, eine laute Stimme wurden deines Ruhmes. - Selig derjenige, in dem du wohnst, wie Gott in der Welt wohnt, ungesehen, ungehört, in jedem ihrer Theile herrlich, groß. Ein solcher wird dich tragen wie einen Stern an seiner Stirn und sich nicht scheiden von deiner Liebe durch die Schlucht des Wortes. Er wird die Menschen lieben und als Mann auftreten unter seinen Brüdern. Aber wer dich nicht bewahrt, wer dich voreilig verräth und dich zur eiteln Lust der Menschen preisgiebt, dem streust du einige Blumen auf das Haupt und wendest dich ab; er aber ergößt sich mit den welken und windet sich einen Todtenkranz sein ganzes Leben hindurch. Der und das Weib sind eines Ursprungs.

Wir haben diesen Prolog absichtlich, wenn auch nicht in seiner ganzen Ausdehnung, so doch in möglichster Vollständigkeit wiedergegeben, weil er zur Charakteristik des Haupthelden von wesentlicher Bedeutung ist. Graf Heinrich ist Dichter; aber die Poesie ist ihm nicht die beseligende Götterkraft, die im selbstbewußten Schaffen ihre göttliche Abstammung bewährt und aus den Schlacken und Trüm

mern der irdischen Welt einen sichern Pfad in die Welt der absoluten Schönheit findet; sie ist ihm die unbändige, titanenkräftige Phantasie, tie in schranken- und bewußtlosem Fluge aus der Wirklichkeit hinaus ihrer Traumwelt zuströmt und die Brücke hinter sich verbrennt, die ihn bei wiederkehrendem Bewußtsein heimführen könnte, ihm fehlt die Liebe, die den Menschen an Menschen knüpft und Zeit und Ewigfeit mit einem unlösbaren Bande umschlingt. Sie macht ihn blind für den in der Natur und in Erscheinungen der Welt sich offenbarenden Geist Gottes; darum verleugnet sie der Herr, wie sie ihn verleugnet hat und er fällt den bösen Geistern anheim; „seine Seufzer fallen in die Tiefe und Satan sammelt sie und fügt sie freudig seinen Flüchen bei."

[ocr errors]

--

ihm kann noch

und

Wie sehr diese seine Göttin ihn der Welt entfremdet hat und wie groß die Kluft ist, die zwischen seiner Phantasiewelt und der Wirklichkeit liegt, erkennt er freilich erst, als eben diese Wirklichkeit mit ihren Forderungen enger an ihn herantritt, als er mit der Wirklichkeit in ein Bündniß getreten, das eben auch nur seine Phantaste hat schließen helfen. Das Drama beginnt mit den Vorbereitungen zu diesem Bündnisse. Der Schußengel schwebt vorüber mit den Worten: Friede den Menschen, die eines guten Willens sind Gesegnet unter den Geschöpfen, wer ein Herz hat Heil werden gute und sittsame Frau, offenbar dich ihm ein Kind werde in eurem Hause geboren." Das sind die Bande, die ihn an die Wirklichkeit fesseln und ihn beglücken sollen. Aber der Chor der bösen Geister zaubert Truggestalten hervor:,,den Geist seiner gestern verstorbenen Buhlerin, das geliebte Mädchen des Dichters"; den Ruhm" in der Gestalt eines Adlers, und,,das vermoderte Bild Edens, ein Werk Beelzebubs,“ worunter,,die Mutter Natur" verstanden wird. Noch kurz vor dem Trauungsacte ruft der Schußengel:,, wenn du den Schwur hältst in Ewigkeit, wirst du mein Bruder sein im Angesicht des himmlischen Vaters", und nach geschlossenem Ehebündniß spricht der junge Ehemann:,,Fluch auf mein Haupt, wenn ich jemals aufhöre, sie zu lieben."

Das Bündniß ist geschlossen. Im ersten Taumel der jungen Liebe glaubt sich der Graf in die Welt seiner Träume versezt und schwärmt für seine junge Frau, die ihm treu zu sein verspricht, ,,wie's die Mutter gesagt hat und wie's ihr Herz sagt", und sie soll,ewig sein Lied" sein. Aber bald ist seine Gluth abgekühlt.

[ocr errors]

ich be

gleich mir
da mir ein Kind soll
Er möchte das Band

Das Bild seiner verlassenen Geliebten, von bösen Geistern heraufgezaubert, weckt ihn aus seinem nächtlichen Schlummer und scheucht ihn von der Seite seiner nun nicht mehr geliebten Gattin. Er hat die Wirklichkeit nun näher kennen gelernt, er ist aus seinem Traume, in den ihn der Taumel der Leidenschaft gewiegt hatte, erwacht, er hat eine gute, liebe Frau", aber es ist eine Frau, es ist nicht die Geliebte seiner Träume. Seine Phantaste zaubert ihm sein geträumtes Paradies mit aller Farbenpracht vor die Seele; die Wirklichkeit ekelt ihn an. „Ich schlief," ruft er aus, „seit meinem Hochzeitstage den Schlaf der Erschlafften, den Schlaf der Schlemmer, den Schlaf eines deutschen Fabrikanten neben einer deutschen Frau die ganze Welt entschlief gleichsam um mich, fuchte Verwandte, Aerzte, Waarenlager, und geboren werden, dachte ich an eine Amme." zerreißen, das zwei Körper an einander fesselt, deren Seelen sich abstoßen; er schwört der Truggestalt seiner Geliebten, ihr zu folgen, wenn sie wiederkehre. ‚Alsdann,“ ruft er aus,,,lebe mir wohl, Gärtchen und Häuschen, und du, geschaffen fürs Gärtchen und Häuschen, aber nicht für mich.“ Das häusliche Glück ist dahin; auch seine Frau fühlt das. Die kalten einfilbigen Antworten des Mannes lassen sie fürchten, was ihr bald aus seinen Worten: „ich fühle, daß ich dich lieben sollte,“ klar wird. In ihrem unaussprechlichen Schmerze fleht sie ihn an, ihr Kind nicht zu verlassen, ihr Kind zu lieben. In diesem Augenblicke verkündet eine wilde Musik die Ankunft des Mädchens. Die Frau sieht,,die bleiche Todtengestalt, das erloschene Auge das Todtenhemde, das ihr in Fezen von den Schultern fällt"; der Mann sieht ihre heitre Stirn, ihr blumenbekränztes Haar“, sieht sie,,von Lichtglanz umflossen“ und will ihr folgen; und als die Frau ihn zurückzuhalten sucht, reißt er sich los mit den Worten:,,Weib aus Lehm und Koth, eifre nicht, frevle nicht, lästere nicht fich das ist der erste Gedanke Gottes von dir; aber du folgtest dem Rathe der Schlange und wurdest, was du bist!" Taub für den herzzerreißenden Ruf seiner Frau: ,,Heinrich Heinrich"! stürzt er der Erscheinung nach. —

Das Bündniß ist zerrissen. Zwar läßt die Gräfin noch an ihrem Sohne den Laufact vollziehen, aber die erschütternden Scenen haben ihren sonst so klaren Geist zerrüttet, was sich schon aus der tiefergreifenden Frage: „wo ist dein Vater, Orcio?" mit der sie die

« ElőzőTovább »