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Ueber Göthe's Luftspiele *).

2. Die Wette.

Die Wette, Lustspiel in einem Act, soll nach einer der Aufschrift beigefügten Notiz im Jahr 1812 in Tepliß entstanden sein. Demselben Jahre wird es in der chronologischen Aufzählung der Schriften Göthe's, welche Riemer der Gesammtausgabe in 40 Bånden beigefügt hat, zugeschrieben. Auffallend ist mir dabei nur, daß Göthe selbst in den Annalen oder Tags- und Jahresheften, wo er bei Gelegenheit seines Aufenthalts in jenem Ort mehreres dort Producirte anführt, dieses Stücks keine Erwähnung thut. Ich weiß nicht, ob dieser Umstand schon von einem der neueren Erklärer bes sprochen und untersucht worden ist. Uebrigens kann für unsern Zweck die Zeitbestimmung gleichgültig sein und wir wenden uns sogleich zu der ästhetischen Würdigung selbst. Der Inhalt des Lustspiels ist folgender: Zwei Liebende werden troz innerlichster Zuneigung durch gegenseitige Launen und hin und wieder hervortretenden Ueberdruß von Zwiftigkeiten in Zwiftigkeiten gestürzt. Ein wohlwollender Vater sucht eine Heilung dieser ewigen Mißverständnisse, indem er den Liebenden vorhält, wie sie einander ertragen möchten, da ste ja doch ohne einander zu leben nicht im Stande seien. Beide fühlen sich dadurch in ihrer Eitelkeit verlegt, versichern, daß sie das wohl vermöchten und es wird (als eine Art Wette) eine vorläufige Trennung beschlossen. Dies war die Absicht des Vaters gewesen, der wohl wußte, wie sie durch das zeitweilige Getrenntsein ihre gegenseitige Unentbehrlichkeit inne werden würden. Er hatte sich nicht getäuscht; beide Theile fühlen sich getrennt unglücklich und den Schluß des Stücks verherrlicht die endliche Versöhnung.

Man hat kein Mittel, das Geständniß zu umgehen, daß dieser

*) Vergl. Archiv für das Studium der neueren Sprachen u. Literatur VIII, 2.

Vorwurf sehr einfach ist. Das würde kein Tadel sein, im Gegentheil; aber entweder sehen wir Alles zu schwarz oder diese Einfachheit geht bis zur Trivialität. Was sich nicht entbehren kann, vertrage sich: das ist der durch das Luftspiel hindurchgehende Gedanke. Wir müssen aufrichtig gestehen, darin etwas besonders Tiefes und Geistvolles nicht finden zu können. Aber auch ein nicht sehr tiefer Gedanke kann unter Umständen für ein Lustspiel wohl geeignet sein, wenn ihm die nöthige komische Kraft nicht abgeht. Aber diese komische Kraft ist es eben, die wir vermissen, denn ein Lustspiel wie das vorliegende, welches die Moral in der Manier des fabula docet an der Stirn trägt, könnte allenfalls das zweifelhafte Lob eines Lehrgedichts in Anspruch nehmen, wenn hierzu nicht wieder das Resultat ein zu geringfügiges wäre; von Komik aber kann in einem derarartigen Stücke, das läßt sich beinahe a priori sagen, nicht viel vorkommen.

Wenden wir uns nun zu der Ausführung, so kann auch dem entschiedensten Verehrer unseres Dichters das Mangelhafte der Anlage und die unzweckmäßige Disposition des Stoffes nicht entgehen.. Die früheren Zwiftigkeiten der Liebenden, welche die ganze Verwickelung herbeiführen, liegen als seiend vor dem Anfang des Lustspiels. Da sie aber doch zur Erposition nöthig sind, so müssen sie wenigstens als gewesen dem Zuschauer mitgetheilt werden. Wir sind kein Freund von Monologen, am wenigsten im Lustspiel; aber da nun einmal diese Verhältnisse nur referirt werden sollen, was wir freilich schon mißbilligen, da dadurch das lebendige Bild verwischt wird: so konnte es, unserer Meinung nach, immer noch eher in einem Monolog geschehen, als in der von Göthe beliebten Weise. Denn was geschieht? Es wird eine Person (Förster) ausdrücklich dazu erfunden, um sich von dem Vater (Dorn) die früheren Verhältnisse auf eine weitschweifige, den Zuschauer ermüdende Weise erzählen zu laffen. Außerdem hat dieser Zuhörer, wie ich ihn nennen möchte, nicht das Geringste zu thun. Er handelt nicht, ja er spricht kaum etwas, nur daß er durch einige Wie so? Woraus schließen Sie das? den Vater veranlaßt, über den jedesmaligen status causae seine Meinung abzugeben, was füglich dem Publcium hätte überlassen bleiben mögen. Außer diesem Förster, welcher einer katechesirenden. Maschine nicht unähnlich sieht, figuriren in dem Stück noch ein Johann und eine Friederike, welche das Amt haben, die beiden Lie

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benden zu beobachten und dem Alten von dem Beobachteten Nachricht zu geben; denn erst zum Act der Versöhnung bekommen wir diese selbst (Eduard und Leonore) zu sehen und zu hören; vorher wird uns Alles in dem geistvollen Erzählungsstyl eines Bedienten und einer Kammerjungfer referirt. Wollte man dagegen einwenden, daß ein persönliches Vorführen der Liebenden nicht möglich gewesen sei, weil sie ja getrennt waren: so ist darauf zu entgegnen, daß ein getheiltes Theater so gut wie in der lezten Scene auch vorher möglich sein mußte. Außerdem aber, daß diese beiden dienenden Geister in Beziehung auf ihre Referate sehr undramatisch sind, belästigen sie den Zuhörer durch die Prätension, auch ihrerseits ein selbstständiges Liebesverhältniß abspielen zu wollen. Wenn der Dichter dieses licbende Paar dem andern entgegenzustellen die Absicht hatte, um die natürlichen Verhältnisse der unteren Stände mit den künstlichen und geschraubten der höheren zu contrastiren, so bedauern wir sagen zu müssen, daß nach unserem Gefühle dieser Plan mißlungen ist. Johann und Friederike sind die leibhaftigen Ebenbilder der Bedientenseelen der längstbegrabenen altfranzösischen Komödie der Weiße 2c. Es wird uns Niemand mehr zumuthen, diese beschränkte Selbstvergnügsamkeit für Natur anzunehmen. So erscheint denn auch dieses Lustspiel nach Form und Inhalt ohne Ansprüche auf besondere Bedeutung.

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3. Der Bürgergeneral.

Im Jahre 1793 schrieb Göthe den Bürgergeneral, Lustspiel in 1 Aufzug. Einem thätigen productiven Geiste," sagt er in den Annalen (Werke, Bd. 27, S. 20),,,einem wahrhaft vaterländisch gesinnten und einheimische Literatur befördernden Manne wird man es zu gute halten, wenn ihn der Umsturz alles Vorhandenen schreckt, ohne daß die mindeste Ahnung zu ihm spräche, was denn Besseres, ja nur Anderes daraus erfolgen solle. Man wird ihm beistimmen, wenn es ihn verdrießt, daß dergleichen Influenzen sich nach Deutschland erstrecken und verrückte, ja unwürdige Personen das Heft ergreifen. In diesem Sinne war der Bürgergeneral geschrieben.“ Daß der große Dichter, den wir Deutsche mit gerechtem Stolz den fremden Nationen entgegenhalten, es nicht ahnte oder nicht wissen wollte, daß aus den Gråueln der französischen Revolution sich ein hellerer Tag für alle Völker erheben würde, daß er die Mängel der

Erscheinung nicht von der Idee, welche den Ausgangspunkt bildete, sondern mochte, können wir bedauern und es in diesem Sinne auch erklärlich finden, daß ihn die Verpflanzung der neuen Ideen auf deutschen Boden unangenehm berührte. Aber ganz können wir darum dennoch nicht begreifen, wie, auch die Berechtigung solcher Stimmung und Gesinnung einmal zugegeben, ein solches Lustspiel, wie das vorliegende, das Resultat sein konnte.

Ein betrügerischer Barbier lügt einem dummen Bauer vor, daß die Jacobiner ihn für ihre Zwecke ausersehen und einstweilen schon für die bevorstehende Revolution zum Bürgergeneral ernannt hätten. Er seßt dem erstaunten Bäuerlein seine Feldzugspläne auseinander, wobei ein Topf saurer Milch die zu erobernde feste Stadt vorstellen soll. Das Endziel des Barbiers ist, sich ein Frühstück zu gewinnen. Er wird durch den Schwiegersohn und die Tochter des Alten überrascht. Durch den Lärm, welcher dabei entsteht, werden die Nachbarn und der Ortsrichter herbeigerufen, welcher leztere auf Grund der aufgefundenen Jacobinermüße, Cocarde 2c. eine große demagogische Untersuchung einleiten will. Da erscheint das Schicksal dieses loyalen Lustspiels,,,der Edelmann," welchem das Dorf gehört, hält eine eindringliche Rede darüber, daß Ruhe die erste Bürgerpflicht, und preist das Glück solcher ruhigen Unterthanen, indem er in wahrhaft patriarchalischem Ton zu seinen Bauern sich herabläßt. Endlich erhebt sich derselbe zu folgenden Orakelsprüchen:,,In einem Lande, wo der Fürst sich Niemand verschließt, wo alle Stände billig gegen einander denken, wo Niemand gehindert ist, in seiner Art thätig zu sein, wo nüßliche Einsichten und Kenntnisse überall verbreitet sind: da werden keine Parteien entstehen." In diesen vagen Allgemeinheiten sollen seine Zuhörer, so scheint es, wenn anders ihr beschränkter Unterthanenverstand so weit reicht, das Ideal eines Staats erkennen.

Was sollen wir nun zu dieser Komödie sagen? Erscheint es nicht als eine sehr unbillige Forderung, wenn der Dichter verlangt, wir sollen in diesem verlogenen Schuft von Barbier und in dem dummen Bauer, der, ihm glaubt, das Bild aller Revolutionsmänner des damaligen Frankreichs und derjenigen, die sich für die neuen Ideen begeistern ließen, erkennen? Niemand wird leugnen, daß viele Parteigänger der Revolution an Gierigkeit und Habsucht diesem Barbier, eine Menge der Gewonnenen dem dupirten Bauer gleichen.

Aber ist es deshalb weniger Unrecht, wenn der Dichter auch die redlichen Charaktere mit diesen Verworfenen in eine Reihe stellt und, wie ich oben gesagt, wegen der der Erscheinung anhaftenden Gebrechen die Idee an sich angreift?

Aber sehen wir einmal ab von der Idee, welche sich in der vorliegenden Komödie ausprägt, und betrachten die künstlerische Composition. Der einzige komische Charakter, der sich vorfindet, ist der Ortsrichter; oder vielmehr es hätte aus ihm eine komische Figur gebildet werden können. Wenn Göthe nämlich es so angelegt hätte, daß in ihm eine jener Demagogenriecher gezeichnet worden wäre, welche aus einer Mücke einen Elephanten machen, nur um ihren Amtseifer zu bethätigen: so hätte eine solche aus dem Leben gegriffene Figur des Eindrucks gewiß nicht verfehlt. Damit aber hätte Göthe der Richtung und Anschauungsweise, welcher er selbst angehörte, einen wenn gleich gerechten Angriff gemacht. Natürlich also, daß er daran nicht denken konnte. So muß denn der gute Ortsrichter nicht aus übertriebenem Amtseifer, sondern aus persönlicher Feindschaft auf Untersuchung dringen, wodurch einer der wirksamsten Züge verloren geht. Daß Schnaps, der Barbier, und der Bauer in der Situation, als der erstere diesem den Topf abjagen oder vielmehr abdemonstriren will, einige komische Kraft haben, soll nicht geleugnet werden; jedoch ist diese keinesfalls nachhaltig genug, um das ganze Lustspiel zu halten. Denn der Edelmann, welcher nur deshalb schon vor der Schlußscene einmal auftritt, um nicht als völliger deus ex machina zu erscheinen, trägt hierzu eben so wenig bei als das junge Ehepaar, welches mit seiner sentimentalen Zärtlichkeit das Stück einleitet und durchweg begleitet.

Demnach will es scheinen, als ob Göthe in diesem Lustspiel zwar seiner bekannten politischen Gesinnung einen Ausdruck gegeben, eine seines Namens würdige Stärke aber in dieser so wenig als in den schon betrachteten Komödien gezeigt habe.

Meiningen.

Dr. August Henneberger.

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