Oldalképek
PDF
ePub

liebt er Dich, und was hab' ich ihm nicht alles von Dir und den Deinigen erzählen müssen !

Ich size nun wieder recht ordentlich und tief in der Arbeit. Shakspeare und Aristophanes füllen meine diesmal durch viele Kollegien beengten Nebenstunden aus. Man kann doch viel beschicken, wenn man gut haushält mit der Zeit.

Die Arbeit meines Vaters, die jeßt dem Ende sich nähert, wird Dich in Verwunderung, in Staunen, und, wenn Du sie liesest, in die lebhafteste Theilnahme und Freude verseßen; es ist eine historische Beantwortung der Frage: „Wie ward Friß Stolberg ein Unfreier?" ein wahres Feldgeschrei für Vernunft und Freiheit. Diese Schrift wird wie eine Kanonenkugel die Seelen der sogenannten holsteinschen Ritter durchfahren, sie wird zerschmettern, aber durch Wegräumung Segen bringen. Mich schmerzte anfangs vieles in der Schrift, was nicht zum Bilde paßte, welches ich von Stolberg in der Seele trug. Meine Eltern ließen mich, als ich unter Stolbergs Augen aufwuchs, nie in die Kehrseite von Stolbergs wahrhaft liebenswürdigem Wesen blicken. Alle Verhegungen dieses Mannes, alle unfrommen Ausbrüche dies ses Zeloten wurden mir und meinen Brüdern sorgfältig verhehlt. Man wollte mir nicht den Glauben

an einen Mann nehmen, der stets so väterlich gegen mich war, und auch so gut gegen meinen Vater, so oft es die Leidenschaft gestattete. Ich gestehe, daß sich meine Achtung vor Stolberg sehr gemindert hat. Wahrheit muß höher geachtet werden als Person, und so bin ich denn über jenen Schmerz hinweggekommen, dem ehemaligen Stolberg noch immer treu im Herzen huldigend. Nie hat mein Vater eine Schrift der Art ruhiger, gemüthvoller geschrieben. Stolberg selbst wird an vielen Stellen bis zu Thränen der Wehmuth gerührt werden, dann freilich wieder die Röthe der Scham und des Zornes im Gesicht fühlen. -Warum jezo diese Schrift nach 18 langen Jahren? Der Hauptgrund liegt in der gegenwärtigen Zeit; mein Vater hat sich innerlich aufgefordert gefühlt, zu reden, wo die Theologen schweigen; Nacht und Tag nicht hat er Ruhe. Es wohnt auch eine Freude in ihm, die mehr als irdisch ist, und nur mit dem Bewußtseyn einer recht ausgezeichnet guten That bestehen kann.

Allerdings muß, was groß begonnen und groß ausgeführt wird, den Sklaven und Schriftgelehrten (den Juden und Griechen) ein Ärgerniß und eine Thorheit sein; solcher Ärger ist auch Zeugniß für die gute Sache; aber ist unter den Griechen ein Sokrates

gemeint, dem wohl Christus auch gehuldigt hätte ? oder ein Mendelssohn, der unter Christus Freunden schon sein zwölffaches Ebenbild fand? oder ein Lesfing , vor dessen Licht sich so viele fürchten, aus Scheu, auch hellsehend zu werden? Ich weiß, wäre Christi Lehre so beschaffen, daß sie einem Lessing, einem Sokrates, Ärgerniß sein müßte, d. h. nach Inhalt und Wesen, ich würde mich mit Abscheu von ihr wenden. Aber wenige Menschen wohl haben so würdige Begriffe von Christus gehabt als Lessing, wenn er auch die Widersprüche in der Auferstehungsgeschichte nicht zu heben weiß. Man lasse den Aposteln diese Widersprüche, und suche nicht durch gewaltsame Interpretation Einklang zu erzwingen. Vor Irrthümern konnten die roh gebildeten Apostel selbst durch den h. Geist nicht geschüßt werden, der ja, wie alte Dogmatiker lehren, sich nach den Eigenthümlichkeiten des Schriftstellers richtet, von dem er Besiß nimmt. Soll ich einem Apostel, der noch dazu lange nach Christi Tode schrieb, mehr glauben als der Vernunft? (Ich meine die wirkliche Vernunft, nicht die unter dem Namen Vernunft von Harms und anderen eins geschwärzte Unvernunft.) Und könnt' ich's, was hilft's? Da müßt' ich ja ähnliche Indusdogmen und Mahomedsdogmen, die auf nicht minder festem,

oder schwankendem, historischem Zeugnisse berühn, mitglauben, ja mit Shakspeare's Antonio im Sturm sagen:

men.

And what does else want credit, come to me,

And I'll be sworn 'tis true.

Und da möchte des Glaubens doch etwas zu viel komEher möchte ich noch alle Menschen als Sünder erkennen, und doch nicht im gefoderten Sinn. An Verderbtheit der meisten Menschen glaub' ich, auch daß unsre Besseren keine Engel sind. Und so hatte Christus wohl recht, den Sündern seiner und jeder Zeit ein μeravoɛire zuzurufen. Fodert man aber von mir Glauben an Erbsünde, die angeboren sei, dann antworte ich, ohne mich durch vieldeutige Bibelstellen irren zu lassen, fest und entschieden: Nicht Erbsünde pflanzte Gott in unfre Seele, sondern Erbtugend, und unsre Schuld ist's, wenn wir sie vers lieren, und unser Verdienst, wenn wir sie erhalten und steigern, wie ein Lessing sie steigerte. Stolbergs ganzes Leben spricht, ja schreit dafür; denn immer ringt hier angeborener Geistesadel mit den Leufeln des hochfahrendsten Aristokratismus und des finstersten Pfaffenthums, die ein so edles Herz (o mein theurer Jean Paul, welch ein Herz!), das ihnen ohne Wi

derstand sich hingab, am Ende ganz heruntergebracht

haben.

Heidelberg, 27. September 1819.

Seit ich zuletzt schrieb, hab' ich unermeßlich ge= arbeitet, doch nicht zum Nachtheil der Gesundheit. Ich habe unter andern alle historischen Einleitungen von König Johann an bis Heinrich VIII. aus den Quellen geschrieben. Das war eine schwere Arbeit in Rücksicht auf Auswahl, Anordnung, Stil. Es galt hier nicht eine Lebensbeschreibung dieser Könige zu geben, sondern in der kürzesten Kürze, und doch klar, grade so viel als für Shakspeare paßt. Aus diesen Einleitungen wird man ohne Fingerzeig sehn, wo Shakspeare die Geschichte verließ, wo er ihr treu blieb; und ich hoffe, dann wird die Bewunderung für seine Kunst eintreten; denn keine einzige Abweichung, die nicht einen dramatisch künstlerischen Grund hat. Jest bin ich mitten drin, die Anmerkungen zu den Königsstücken zu`schreiben. Hier hängt alles zusammen, wie Kette und Klette. Ich habe zu dem Zwecke die Hauptgeschichtswerke über England und Holinsheds Chronik mit Aufmerksamkeit gelesen und wiedergelesen, und der Eindruck der Bewunderung über Shakspeare's Kunst ist bei mir zurückge

« ElőzőTovább »