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Heinrich Voß an seine Eltern.

Baireuth, 18. April 1819.

Hier bin ich gestern froh und glücklich angelangt. In Hof, 12 Stunden von Baireuth, nahm ich einen Wagen hieher. Eben als ich einsteigen will, tritt zu mir ein junger, hübscher, freundlicher Mensch, und überreicht mir folgendes Billet von Jean Paul:

„Mein alter Voß! Hier send' ich Dir meinen " Sohn entgegen, um Dir unsere Wünsche Deiner ,,Erscheinung auszudrücken. Beseht Hof, wo ich „, das Schlimmste gelitten und das Beste geschrie„ben, und wo meine Mutter ruht. Kommt freu,,dig an!"

War das nicht schön? - Nun die Aufnahme beim Vater, die war so herzlich wie nur denkbar. Wie hat er sich gleich nach Eltern und Bruder Abraham erkundigt; und dabei rollten ihm die Thränen über die Backen. Er wußte gar nicht, was er mir alles zu Liebe thun sollte. „Den ganzen Lag habe ich nicht arbeiten können,“ sagte er, „und dåran bist Du Schuld, mein Herzens-Voß." — "Und kommt er noch so früh,“ hatte er seiner Frau gesagt, „diesen Abend muß keiner dazu geladen werden, ich muß ihn allein haben." Mit Frau Karoline und den Löchtern hab' ich kaum noch reden können; immer

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zog er mich wieder zu sich, sobald ich das Gespräch an sie wandte. Jean Paul ist ein gar gemüthlicher Hausvater; in seine Löchter scheint er ganz verliebt, und allerliebste Mädchen sind es auch, dem Vater wie der Mutter jeden Wunsch aus den Augen lesend. Im Gasthofe wohne ich, wie sehr mich auch Richters baten, bei ihnen zu bleiben; aber ich weigerte mich, weil ich bemerkte, das herzliche Anerbieten sei nicht ohne Aufopferung. Ich könnte nicht froh hier sein, hätte ich das Gefühl, ich genirte sø liebe Leute. Liebe Eltern, wäret ihr bei uns! Jean Pauls Haushalt erinnert mich an die dithmarsischen Zeiten; und es ist doch eine Wonne, mit Leuten zu verkehren, die man unaussprechlich gut nennen muß, und so recht aufrichtig, wie die alte Zeit.

Da kommt Mar Richter, und bringt mir einen Brief von den lieben Eltern. Aber schreiben kann ich nicht mehr; es ist halb 8 Uhr, und der liebe Jean Paul schon halb angekleidet, um mich abzuholen; dem muß ich zuvorkommen. Lebt wohl.

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Beim Versiegeln in Jean Pauls Haus. Gestern Abend sprach Jean Paul ganz herrlich über Religion. Gar oft habe ich gewünscht, Lessingen einmal über 'positive Religion und Offenbarung re den zu hören. Mir war als geschähe es gestern.

Aber wie studirt auch der Mann den Lessing! Er wird ein Buch über diese Gegenstände schreiben. Ich werde heute dies Gespräch wieder anzuknüpfen wissen.

Bettenburg, 23. April 1819.

Heute Morgen um fünf Uhr bin ich hier angekommen. In Baireuth lebte ich drei überaus glückliche Lage, recht im Schooße der Freundschaft und Gastlichkeit, und beim Abschiede ward ich mit Thränen entlassen. Ich bin so recht in die Familie eingeweiht; ich gehöre ihr auf immer an. Was das aber eigentlich heißt, werden meine Eltern erfahren, wenn sie einmal nach Baireuth kommen, und das Still-leben dieser Familie kennen lernen. — Auf Jean Pauls Rath nahm ich einen Hauderer bis Bettenburg. Der Rath war gut, aber mein Schicksal dabei lustig schlimm. In Bamberg sagt man dem Kutscher, es sei von dort nur 8 Stunden nach Bettenburg. (Das ist's auch, aber für den Fußgånger.) Wir verweilten daher in Zeilen, wo wir auch von drei kleinen Stunden hörten, bis nach 2 Uhr. Die Wirthin tischt uns unter andern scharf gesalzenes und gepfeffertes Rührei auf. Als wir wieder eingestiegen waren, dehnte sich der Weg durch alle uns genannten Örter furchtbar lang. Um sechs

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Uhr erfuhren wir, es daure noch zwei Stunden, und wir müßten noch über den und den hohen Berg fahren. Gut, dachten wir, und mit dem Durste, der uns zu quälen anfing, hat's auch noch Zeit ; auf der Bettenburg ist Bier genug. Auf der Berghöhe sehn wir nichts als Berg und Wald; es playregnet; kein Mensch zeigt sich; die Nacht bricht ein, und die Spur erlischt. Wir sind verirrt", sagte der Fuhrmann. Noch ein Versuch wird gemacht, zu einem Dorfe zu gelangen; nichts; wir bleiben in einer Wiese stecken. Wir müssen die Pferde abspannen, für die noch zum Glück Futter genug da ist, und uns im Wagen schlafen legen. Semmel genug hatte ich, aber vor Durst konnte ich nichts essen. Mit dèm Einschlafen wollt' es auch nicht gehn. Kaum war ich eingeschlummert, so träumte ich von Wasserfällen; wollt ich in die Flut einbeißen, so erwachte ich; - dann standen große Bierfäffer vor mir, in die ich mich, wie eine Gans, einstürzte, um sie ganz einzuschlürfen; nichts half; ich erwachte durstiger als vorher. Endlich schlief ich ordentlich ein, und ers wachte als eben der Lag anbrach. Nun kamen wir bald wieder auf den rechten Weg, und um fünf zur Bettenburg. Man wollte mir sogleich Kaffee vors sehen. Ich forderte aber eine recht gründliche Bier

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kaltschale, die ich mit Löffeln aufaß, um dem hastigen Trinken zu entgehn. Dann trank ich mit Truchseß, der unterdeß aufgestanden war, Kaffee. Nun sage mir einer, nicht Bier sei Nektar, der hat's mit mir zu thun.

Von Truchseß bin ich mit alter Herzlichkeit aufgenommen. Erst eben gelange ich zum flüchtigen Schreiben, und schon purrt er, ich soll wiederfommen.

Heidelberg, Juni 1819.

Nehmt meinen herzlichsten Dank für so viele wahrhaft unverdiente Liebe, das einzige Verdienst meinerseits abgerechnet, daß ich sie zu erkennen weiß, daß sie mich aufregt und zum Guten erwärmt. Wenn ich meiner Schüchternheit von 1802 denke, wo ich den lieben Jean Paul nicht zu besuchen mir getraute (in Weimar), und was seitdem geschehen ist, — o dann ist Freude erlaubt, und stiller heißer Dank gegen den, der alle Freuden von Ewigkeit erschaffen; wozu sich dann Demuth gesellt, ohne die keine Freude Freude sein kann.

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Den herrlichen Truchseß hab' ich ganz wie sonst gefunden; er ist noch lange kein Greis, und wird's in der Gesinnung und Jugendlichkeit nie.

wie

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