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immer mehr ab; es will sich nicht halten lassen. Habe Dank, freundliches altes Jahr, daß du mir den herrlichen Jean Paul schenktest. Es will finster werden. Die lehte Sonne des Jahrs ist untergegangen, aber der leßte Abend noch nicht; der soll noch genossen werden. Ich bin aufgeblieben. Da

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schlägt es zwölf. So lebe denn auf ewig wohl du altes Jahr. Gute Nacht, theurer Jean Paul.

Dein

Heinrich Voß.

Heidelberg, 14. Januar 1818.

Ich habe nun das neue Jahr mit Vertraun angetreten, und bin schon ziemlich vertraut mit dem neuen Freunde. Besser als das vorige wird es mir nicht, aber nur so gut, wünsch' ich; und vor allem führ' es uns den theuren Jean Paul wieder zu.

Den herzlichsten Dank für Deine Saturnalien. Da hast Du einmal wieder Dich selbst gegeben, wie immer, oder doch meist immer. Mit einer hervor quellenden Thräne las ich den Anfang. Diese ernsten, erhabenen Betrachtungen hast Du mir aus der Seele geschrieben, aber nie lagen sie in meiner Seele so. Du verstehst es recht, unsern Ahnungen Worte zu leihn; aber daß Du eben so schreibst, wie wir,

wenn wir's lesen, auch glauben schreiben zu können, das macht Dich uns andern so liebenswerth.

Gewaltig fleißig bin ich diese 14 Tage gewesen, sowohl am Aristophanes, als mit der Durchlesung des Athenäus, jenem zu lieb. Jeßt aber muß ich zweien Herren zugleich dienen. Bis 9 Uhr Morgens arbeit' ich am Aristophanes. Von 10 Uhr an, wenn ich aus dem Colleg komme, gehör' ich dem Shakspeare an, die Zeit ausgenommen, die meine Collegien fodern. Auf eine Vorrede sinn' ich, die Dir hoffentlich Freude machen soll; wenigstens nichts werd' ich niederschreiben, wenn mir mein Herz nicht sagt: das ist deinem Jean Paul recht. Ich bin nun an der leßten Durchsicht des Horliz Stückes; jeder Deiner Winke wird benußt; mir liegt jede Deiner Bemerkungen noch im Sinne, als wäre sie gestern gesprochen. Ich årgre mich Abends, wenn ich zu Bette gehn soll; Morgens vier Uhr bin ich schon wach, und sobald die Magd kommt einzuheizen, sogleich sit' ich am Arbeitstisch. Sind's nun auch nicht eigene Geistess produkte, die ich fördere das hat mir die Natur versagt so liefr' ich doch was nüßliches, und stehe doch nicht in der Klasse solcher Schriftsteller, die bloß das thun, was hundert oder tausend neben ihnen eben so gut thun könnten.

Mein Decanat hab' ich am zweiten abgegeben. Mein Nachfolger M. kam den Tag darauf zu mir, um für die herrliche Führung des Decanats und die Ordnung in den Protokollen und Akten mir Dank zu sagen. Den nahm ich mit Freuden auf. Im Grundebin ich für dergleichen Geschäfte nicht gut organisirt; sie kosten mir mehr Anstrengung als die Überseßung eines Shakspearestückes; aber durch festen Willen erzwingt man alles.

Man hat mir die Redaction der Philologie und des Schönwissenschaftlichen in den Jahrbüchern übertragen. Nun bitt' ich Dich recht herzlich, auch eins mal wieder eine Recension zu liefern. Von mir wirst Du vorerst nichts lesen, als etwa einige Äschylosrecensionen aus meinen Vorräthen geschöpft, oder kleine Lückenbüßer, die ich zum Scherze auf das Haupt schlechter Scribenten schütte.

Zettel im Sommernachtstraum ist ein prächtiges Wesen. Ein wahrer Romantiker! Besonders, da der Esel auf göttliche Visionen geräth, die er nachher nicht aussprechen kann. Ist wohl je das poetische Unvermögen stammelnder und stotternder gemalt worden? Viele unter den jeßigen Poeten sind ihm gleich, aber keiner ist so ergeßlich.

Welch ein herrliches Stück ist doch der Sommer

nachtstraum! Ist nicht alles ganz traummäßig ge= halten? Die sonderbaren Vertraulichkeiten der vier Liebenden, und alles, was sie thun und sprechen, dürfen gar nicht gemessen werden mit dem Maßstabe des bürgerlichen Wohlstandes (wiewohl auch dieser nie verlegt wird), sondern fügen sich nach der freies ren Regel, welche der Raum gestattet. Shakspeare hat in diesem Schauspiel, das nicht ohne Grund Traum heißt, eine solche Verkettung von tollen mäandrischen Wanderungen, grotesken Liebeleien, wilden Heßiagden und Verfolgungen, derbem Hader und Gezänk und anderem Wirrwarr des äußern und innern Lebens mit so viel mährchenhaftem aus der Feen- und Geisterwelt gepaart, daß wir uns aus der wirklichen Welt heraus gleichsam mitten in eine Traumwelt verseßt fühlen; und bloß deshalb das Einzelne nicht abentheuerlich finden, weil es harmo nisch einstimmt in ein Ganzes voll zusammenhängender Abentheuerlichkeiten; so wie uns auch der seltsamste Traum nicht seltsam dünkt während dem Träumen, sondern erst nach dem Erwachen.

Shakspeare kann ich immer lesen, und immer mit gleicher Freude, obgleich mir wohl gegenwärtig ist, was Du im Anfang des Hesperus von Überraschungen sagst, die nur Einmal kommen. Das ist nur

mit Einschränkung wahr. Beim zweiten Lesen tritt an die Stelle der Überraschung die Freude an des Dichters künstlicher Verknotung und Entknotung, die fast noch größer, auf jeden Fall dauernder ist, als der Reiz der Überraschung. So gewinn' ich auch den Litan mit jedem neuen Lesen immer lieber. Und das herrlichste ist, daß solche im Kunstwerk nie ganz überschaut wird, selbst vom Dichter nicht; denn sein Kunstwerk steht in gewisser Hinsicht eben so hoch über dem Dichter, als in anderer Hinsicht der Dichter als Mensch über dem Kunstwerke.

Gute Nacht, theuerster Jean Paul. Nun einen hübschen Sommernachtstraum, der mich durch die Nacht with her dragon chariot zur Morgenstunde fünf Uhr schnell hinführe.

Baireuth, 2. Februar 1818.

Du Lieber! Alle meine Briefe sind gegen Deine

vollen nur dürftige Geschäftbriefe;

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und doch kann

ich nicht anders. Aber in Heidelberg will ich vor Dir stehen und ein ganzes Pack mündlicher Briefe an Dich machen. Jeßo mein Durcheinander! Ladle mich nur recht oft; Du siehst ja am Siebenkäs, wie ich mich selber amputiere, operiere, kauterisiere. Sammle ein besonderes Sündenregister für

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