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schweigenden Gesellschaftsvertrage beruht, und das Fundament, die Bedingung einer fortwährenden dauerhaften Staatsvers bindung in der Wirklichkeit ist. Denn was ist, sagte man, Staat ohne Repräsentation der Bürgerhäupter durch Famis lien? Und was nun das Kirchenrecht betrift, so wird es vielen an dieser Stelle des Systems doch eine um so mehr befremdende Erscheinung seyn, da die Idee der Kirche im Sinne einer allgemein religiösen (und vielleicht nothwendigen) Gesellschaft erst in der Religionslehre a priori deducirt werden kann, an dieser Stelle des Systems aber, nach dem vom Verf. eingeschlagenen Ideengange, man von Religion noch nichts weiter weiß, als die allgemeine Definition ihrer Wissenschaft.

Ferner läßt sich fragen: ist denn die Kirche, als die verz einigte Verehrung des Urwesens in einem Reiche vers nünftiger, Gott untergeordneter Wesen eine so empirische Idee, wie die Menschenfamilie, ist sie für eine Relis gionslehre weniger a priori, als der Staat? Gehört sie also mehr als der Staat in die angewandte Rechtslehre? . 436 erklärt sich indeß der Verf. über dergleichen Schwier rigkeit, die man ihm, wie er vorausgesehn zu haben scheint, etwa machen möchte. Da die empirischen Verhältnisse der Menschen, sagt er, von unendlicher Mannichfaltigkeit sind, so ist auch das angewandte Naturrecht gewissermaßen von unendlichem Umfange... Eben so findet er in der Fundas mendalphilosophie S. 339 für die sogenannte empirische Philosophie keine veste Gränzbestimmung möglich, sie sey nur ein Anhang, indessen sey es rathsam, der empirischen Phis losophie nur so viel Theile zu geben, als die reine hat, u. s. w.

Diesen selbst gegebenen Rath des Verf. findet man hier freylich in diesem seinem angewandten Naturrechte nicht ganz genau befolgt. Denn wäre dieses geschehn, warum sollte man nicht hier überhaupt ein angewandies Privatrecht, ein angewandtes Staats und Völkerrecht lesen, gewiß mit eben der Consequenz, als bloß ein Familien und Kirchens recht? Man müßte denn annehmen, daß das Privatrecht durch die Familien, das öffentliche durch die Kirche in der Anwendung repräsentirt würde, wobey denn alle übrigen Privatverhandlungen außer der Familie nicht berücksichtiget, und der Staat a priori a posteriori in das Summum. der sittlichen Gesellschaft, oder die Kirche verwandelt würde. Indessen wider diese platonische Idee von Einheit des Staats und der Kirche, die man heutzutage wieder vorsucht, erklärt sich unser Verf. selbst S. 521 wegen der Leidenschafts

lichkeit des Menschengeschlechts und wir müssen ihm dafür herzlich danken. Ueberhaupt ist hier aber nicht von einem volls ständigen Ganzen die Rede. Vielmehr sagt der Verf.: Die Wissenschaft beschränkt sich vorzugsweise auf solche empis rische Verhältnisse, welche von allgemeinerem Umfang und Interesse sind. Diese Verhältnisse gründen sich theils auf physisches, theils auf ein moralisches religiöses Bedürfniß der Menschen. Aus jenem entwickelt sich die häusliche Gesellschaft (Societas domestica) die man auch eine Familie nennt, aus diesem die kirchliche Gesellschaft (societas ecclesiastica), die man auch vorzugsweise eine Kirche nennt. Dadurch rechtfertigt sich unsere Eintheilung des angewandten Naturs rechts von selbst“. — Ganz erschöpfend und rechtfertigend als eine wahre Eintheilung dürfte diese Schlußfolge die Sache wohl nicht darstellen. Reden wir von physischem Bedürf niß, so könnte man fragen, befriedigt denn die häusliche Gesellschaft dieses allein, und da weiterhin der Verf. die Ehe in so edlem moralischen Sinne nimmt, sollte sie nur aus. physischem Bedürfniß entspringen? und wenn etwa Eigenthum zur Sicherung des physischen Bedürfnisses ndthig geachtet wers den sollte, könnte man nicht eben so gut in diesem angewandten Naturrechte von lucrativen oder kaufmännischen Gesell schaften sprechen? Auch dürfte in der That mancher Reiche in dem angewandten Naturrechte lieber von der ostindis schen Compagnie hören wollen, als von der Kirche, weil er eben das moralische Bedürfniß nach leßterer (um dies sen Kantischen in Religionsangelegenheiten eben nicht viel bes weisenden Ausdruck noch zu brauchen, —) nach seinem em; pirischen Verhältnisse, das hier allein in Anschlag kommt, nicht sehr empfindet. Daß übrigens der Verf. hier in seinem angewandten Naturrechte erst, von der Far milie spricht, leitet er aus dem Grunde her,,,weil die reine Rechtslehre von den empirischen Bedingungen abstras hire, unter welchen Menschen und Staaten entstehn. (S. 438.) ,,Mögen, sagt er, nach dem Begrif von Identität des Rechts: zustandes und Staates sehr richtig, die Menschen einander erzeugen, wie andre Thiere, oder aus der Erde hervorwachsen, wie die Pilze, oder vom Himmel fallen, wie die Meteors steine, so ist dies in Ansehung der reinen Vernunftidee vom Staate völlig einerley. Denn die Vernunft fordert schlechts weg, daß sinnlich - vernünftige Wesen, die in einem räumlichen Koeristenzialverhältnisse stehen, sich im Staate vereinen oder durch die Form des Bürgerthums die Rechtsidee unter sich realisiren sollen. Daher läßt sich auch gar wohl ein Staat

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denken, der aus Menschen bestehe, die in gar keinem Geschlechtss und Familienverhältnisse zu einander stehen, z. B. ein bloßer Männer oder Weiber: (Amazonen) Staat u. s. w.“ Einen solchen Staat, wie der Verf. hier meynt, scheinen auch die jekt in Amerika abgesonderten und nach Cohorten eingetheilten französischen Flüchtlinge zu bilden. So sehr gern wir übrigens die in der deutschen Rechtsphilosophie seit geraumer Zeit schon als ausgemacht angenommene und vom Verf. S. 264 ausführ licher bereits abgehandelte Behauptung unterschreiben, daß bey vielen eng zusammen, lebenden Menschen, deren Wirkungss kreise sich beständig durchschneiden, eine Art Staatsverhältniß die einzige Bedingung eines dauernden Rechtszuständes sey, so scheint uns doch der Verf. dem Staate (im eigents lichsten Sinn), indem er vom bürgerlichen Zustande alles übrige gesellschaftliche Leben, es heiße nun Fami lienleben, oder kirchliches (S. 439) juridisch, im Vers nunftrechte, abhängig erklärt, das Primat, und die Prioritat in einer solchen Ausdehnung zuzugestehen, wie sie weder die Erfahrung anschaulich macht, noch die vore züglichsten Naturrechtslehrer jemals annahmen, noch die Vers nunft wenigstens auf naturrechtlichem Standtpunkte satts sam erweisen kann. Zugegeben, daß eine das Rechtgeset aufstellende Vernunft unbedingt fordern könne, daß alle unumgänglichen Bedingungen eines ungefährdeten Rechtszustans des erfüllt werden, so würde sie doch wohl einen übereilten Schluß begehen, wenn sie, wie S. 265 behauptet wird, sor gleich als ausgemacht annehmen wollte, in außerbürgerlis chem Zustande sey durchaus kein ungefährdeter Rechtszus stand möglich.

Der Verf. stellt diese lettere Behauptung S. 265 vom Naturstande als offenbar einleuchtend auf. Allein nimmt er nicht hier das Wort Naturstand in jener blos geträums ten oder empirischen Bedeutung von Uncultur, wie viele Gegner und Verspotter des Naturrechts dieses Wort nehmen, die er selbst siegreich widerlegt hat? S. 253 definirt er diesen Nar turstand als einen Zustand der völligen Unsicherheit des Rechts, als einen rechtlosen oder von Gerechtigkeit entblößten Zustand (Statum iustitia vacuum nach Kant). In diesem Sinne wäre Naturstand allerdings der offens bare Gegensaß alles Vernunftrechts, welches fordert, daß man sich des Rechtes bewußt werde. In diesem Sinne muß er allerdings aufgehoben werden. Aber nimmt man das Wort Naturstand, ganz gleichbedeutend mit einem außer bürgerlichen Zustande, blos ideal und so nimmt das

Wort der Verf. hier eigentlich, so kann a priori nicht be hauptet werden, daß dabey eine völlige Unsicherheit des Rechts, daß nicht ein Zustand des tiefsten Friedens inöglicher Weise statt finde. Muß denn die Vernunft auf einem Stands punkte, wo sie noch nicht einmal Kant's radicales Böse tennt, überall Räuber voraus sehen? Sagt nicht selbst die jus ridische Vernunft quilibet praesumitur bonus? Die öffent: liche Autorität wird blos nöthig, weil die Menschen in praxi, entweder das Recht nicht wissen, oder nicht wollen! Beydes aber darf keine Vernunft von ihren coexistirenden, vernunftsinnlichen Wesen schlechthin und unabhängig von weis teren empirischen Betrachtungen, wie sie der Verf. hier cons stituirt, behaupten.

Eben so wenig, wie diese naturrechtliche Deduction von der Unentbehrlichkeit des Staats a priori uns bündig zu schließen scheint, eben so wenig rechtfertigt eine solche Unentbehrlichkeit überall die Erfahrung. Wir wol len uns nicht auf das Zeugniß des Nordamerikaners Paine hier berufen, welcher berichtet, Nordamerikas von England ab gefallne Einwohner hätten geraume Zeit ganz friedlich, ohne alle Staatsautorität, nebeneinander cristiṛt. Denn die konnte man wenigstens schon vom Staate als vorher gezähmt anneh men. Wir wollen uns nicht darauf berufen, daß viele freye Völker dicht neben einander ohne eigentlichen Völker staat friedlich existiren. Denn diese haben doch schon im In: nern eine Staatsverfassung. Allein lassen sich denn, vermöge häufiger Erfahrung, nicht in einer Insel einige zusammens wohnende Menschen denken, die durchaus ohne dffentliche Rechtshandhabung dennoch rechtsgemäß leben? Und spie len wir nicht mit Worten, wenn wir dieses einen Staat in eigentlicher Bedeutung nennen wollen? Und wenn nach . 439 das Familienrecht sich gar nicht gründlich ohne das Staatsrecht abhandeln läßt, würden nicht einzelne Fas milien, da wo kein Staat ist, ganz rechtlos leben? Wür: den wir nicht dem Staat in praxi, der sich gar zu gern an der Menschheit vergreift, wie in Sparta, am Ende auch, wenn wir das Familienrecht so ganz abhängig machen, das Erziehungsrecht einräumen müssen, welches aber d. Verf. S. 479 nicht will! S. 278 nennt der Verf. die Frage, ,,wie viel Personen zu einem Staate gehören, ein Sophisma polyzeteseos, wie jene, wie viel Körner einen Hau: fen, oder wie wenig Haare einen Kahlkopf bilden." So geist: reich diese Vergleichung ist, so möchte einem jene Frage doch hier beyfallen, wo der Verf. den Staat für ganz unentz

behrlich erklärt, so daß weder Familie, noch sonst ein mo ralischer z. B. Kirchenverein rechtlich ohne den Staat cristiren könnte. Wenn eben nicht viele Personen zu Errichs tung eines Staates nöthig sind, wenn der Staat nicht durch eine Art Familienerblichkeit fortzudauern braucht, wenn, wie natürlich, unser Verf. ein allgemeines Hausrecht, ja sogar Hausregiment, welches er aber zwischen Hausvater und Hausmutter, als Einer moralischen Person (S. 446) zu their Ien scheint, annimmt, so enthält die Familie den unentbehrs lichen idealen Staat, ja im Wesentlichen schon in sich!

Alsdann bildet jede einzelne Familie auf einer wüsten Insel ebenfalls einen Staat. Alsdann kann die Kirche ebenfalls in allen rechtlichen Verhältnissen, wie z. B. in den ersten Zeiten des Christenthums und dann unter der Hierarchie durch eine rotam Romanam und ein Corpus Juris Canonici in sich, ohne einen äußern Staat, die nach der Definiz tion des Staats §. 71 nöthige Rechtssicherung, durch bischöfliche Gewalt bewirken. Alsdann enthält sie ebenfalls den Staat in fich, so gut, wie die Familie, und wie jede andere sittliche Gesellschaft, die aufs ganze Leben, mithin auch auf die wechselseitigen Rechtsverhältnisse der Mitglieder geht. Als: dann ist wenigstens durchaus kein Grund, die Familie, die selbst zugleich Staat werden kann, eben sowol, wie die Kirche in der Rechtsform vom Staate zu unterscheiden, im Begrif a priori schon von demselben abhängig zu erklären, und wie dieses in den Naturrechtscompendien niemals Brauch war, a priori dem Staate unterzuordnen, sie erst in ein anger wandtes Naturrecht hinter den eigentlichen Staat zu vers weisen. Und was die Kirche betrift, so hätten wir zwar selbst gewünscht, der Verf. håtte das dahin gehörige Rechtsverz hältniß, in cinem formellen Gesellschafts- und dann im Staatss rechte abgehandelt, wohin es unter dem Tittel ius supremae inspectionis in Sacra nach Brauch und Recht von jeher vers wiesen ward. Denn es ist etwas auffallend, nach der Ordnung des Systems hier schon ausführlich vom Gottesdienste zu hören. Allein, so sehr wir die Unterordnung der Kirche unter einen vorhandenen außern Staat, juridisch genommen, billigen, in wie fern dieser rechtmäßig ihr ein Glaubensbekenntniß abfors dert, so können wir doch den Begrif der Kirche ohne allen äußern Staat gar wohl denken, und die Kirche wird um so unabhängiger, je mehr sie, wie die frühere christliche, ecclesia pressa ist. Rez. unvorgreiflicher, und auch mehr. mals schon in Schriften geäußerter Meynung nach, ist es übrigens allerdings ein Imperativ des heiligen Willens im Ge

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