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XIII.

Essai sur l'instruction des aveugles, ou exposé analytique des procédés employés pour les instruire; par le Docteur Guillié. (μsya (μεγα Bißhiov pera siva xaxov. Callimaque.) Paris, imprimé par les aveugles, 1817. 20 Kupfer. 224 Seiten. gr. 8.

Da jest der Blindenanstalten in Deutschland immer mehr

werden, und da der Blindenunterricht eigentlich von Deutsch: land ausgegangen ist, (dènn Ha uy, der die erste öffentliche Blin: denanstalt anlegte, hat, nach seinem eigenen Geständnisse, den Unterricht von dem blinden Fräulein Paradis in Wien und dem blinden Weißenburg in Mannheim entnommen,) so wird diese Schrift, welche nach 30jährigem Stillschweigen über die Pariser Anstalt (denn seit Hauy's Schrift 1786 war nichts darüber erschienen) wieder auf einmal neues Licht darůs ber verbreitet, auch in Deutschland nicht ohne Theilnahme wes nigstens im Auszuge aufgenommen werden. Da ich den Blins denunterricht selbst seit 12 Jahren übe und liebe, so kann ich wenigstens nicht ohne Sachkenntniß darüber sprechen.

Nach der Zueignung an den König in der Vorrede bes ginnt Seite 11 bis 30 die Einleitung, und hierauf in 3 Thei len das Werk selbst: I. Allgemeine Betrachtungen über die Blinden, S. 31 bis 62; II. Leben merkwürdiger Blinden,

.63 bis 97; III. Unterricht der Blinden, S. 98 bis 213; endlich ein Schluß, S: 214 bis 222. Ich will von Anfang bis Ende die wichtigsten Bemerke herausheben.

Einleitung S. 12 fagt Hr. Guillié, daß die Erzie hung der Sehenden mit der Geburt beginne, da sie mit Leichs tigkeit die Spiele ihrer Gefährten nachahmen und die Blicke einer Mutter für sie der beste Unterricht seyen; welches alles für den Blinden verloren sey. So sehr ich hiemit in Hins ficht des über Schende Gesagten übereinstimme, so muß ich doch in Rücksicht des über die Blinden Bemerkten widerspres chen. Auch der Blinde ahmt die Spiele der Gefährten leicht. und gerne nach, vorausgeseßt, daß die Gefährten sich seiner annehmen; und wenn auch nicht der Blick der Mutter, so ist doch ihre Stimme auch für ihn bildend und erziehend. Aber freilich ist es das traurige Loos der meisten armen blinden Kinder, daß man sich nicht sehr um sie bekümmert, sie still im Winkel fißen läßt, und was man ihnen an

Denn

Handreichungen leistet, gerade für sie verderblich wird. wenn die Aeltern oder Verwandten alles gethan zu haben glau: ben, wenn sie diefelben Morgens an und Abends ausziehen, am Tage sie füttern, so überlegen sie nicht, daß es weit besser wäre, diese Kleinen anzuhalten, sich selbst an: und auszuklei: den, ihnen die Hand so lange zu führen, bis sie es können, und den Tag über sie ins Freie, in hof oder Garten zu lassen, damit ihre Glieder durch Gebrauch sich stärken, ihre Kenntnisse sich erweitern, ihr Gemüth sich erheitere. Durch Nichtbefolg dieses heiligen Rechts der Kinder geschicht es so häufig, daß die Blinden den Gebrauch ihrer Hände und Füße, die feste Haltung ihres Körpers verlieren, dumpf und stumpf vor sich hinbrüten, ja in heimliche Sünden verfallen, und so ein unkräf tiges, sieches Dasein davon tragen. Ich habe schon oft darän gedacht, wie dies zur Kunde aller Aeltern kommen könnte; cin Mensch ist zu schwach, es durch alle Gauen laut zu schreien. Da hat mir am zweckmäßigen erschienen, daß die Pfarrherren jährlich einmal eine Blindenpredigt hielten, etwa an dem Sonn tage, wenn von der Heilung der Blinden die frohe Botschaft lautet.

S. 13 sagt der Verf., daß für die Blinden die sittliche Welt nicht vorhanden sei, da sie alles auf sich bezögen. Allein wenn das erste sittliche Gefühl, das sich in dem kindlichen Her: zen regt, das Bewußtseyn einer unendlichen Liebe ist, das in der Hingebung der Mutter an dem Säugling sich offenbart, so lebt dies beim blinden Kinde so gut wie beim sehenden, ja da das blinde Kind recht gut seine Hilfbedürftigkeit fühlt und die Hilfleistungen der Schenden schäßen lernt, so entwickelt sich ein Gefühl der Dankbarkeit und des Wohlwollens, das den Blinden in die sittliche Welt hineinführt.

I. Theil S. 32 bemerkt der Verf. sehr richtig, daß die größere Feinheit des Tast: und Hörfinnes bei den Blinden nicht ctwa, wie Biele gemeint haben, durch ein Ueberströmen des Nervensafts von dem mangelnden Sinne zu den übrigen Sin nen, sondern durch die nöthig gewordene Uebung der andern Sinne bewirkt wird. Ich habe oft beobachtet, daß blinde Kins der, die nicht im Tasten oder Hören geübt worden waren, viel ungeschickter darin waren, als sehende Kinder, welche Uebung gehabt hatten.

S. 39 und 44 bleibt der Verf. nicht seiner vorigen Beob: achtung treu, daß blos Uebung die Kräfte schärfe. Denn wenn er bei Blinden eine große Gedächtniß und Urtheilskraft aus nimmt, so kann dies nur bei gehöriger Uebung jener Seelen: kräfte Statt finden. Ich habe schon oft blinde Kinder von

außerordentlich schwacher Gedächtniß und Urtheilskraft ges funden.

S. 52 spricht der Verf. den Blinden die Scham ab; al: lein dies hab' ich nicht bestätigt gefunden. Im Zustande der Unschuld kann Scham nicht statten, aber mit dem Gefühle der Schuld erwacht sie, der Mensch mag blind oder sehend feyn.

S. 54 Anm. führt der Verf. Diderot's Bemerk über die Grausamkeit der Blinden an. Nun hab' ich zwar selbst beobs achtet, daß die Blinden z. B. gern Thiere schlachten hören, aber ich glaube, daß man hieraus zu viel folgert. Auch sehende Kinder wohnen dem Schlachten gerne bei, und bei einer Hinz richtung sind Tausende schender Menschen zugegen. Ich glaube, daß dies mehr der menschlichen Neugierde als der menschlichen Grausamkeit zuzuschreiben sey. Selbstverübte Grausamkeiten, 1. B. Quålen der Thiere, habe ich bei Blinden nicht beob: achtet.

S. 56 werden die Blinden der Gottläugnung beschuldigt. Ich habe cher umgekehrt Hang zur Schwärmerei gefunden."

S. 60 entscheidet der Verf. die Frage, ob die Blinden oder die Taubstummen unglücklicher? zu Gunsten der Blinden. Hier muß ich bemerken: wer soll die Frage entscheiden? Sol len es jene 4sinnigen Menschen selbst, so ist das Ergebniß, daß in der Regel jeder sich für glücklicher und den andern für un? glücklicher hält. Sollen wir 5finnige Menschen sie entscheiden, so wird das Urtheil bald so, bald so ausfallen, je nachdem man a mehr die Selbständigkeit oder die Mittheilung liebt. Vielleicht möchte bei Armuth die Taubheit, bei Reichthum die Blindheit erträglicher seyn, da der arme Blinde bei weniger Erwerb doch mehr Bedürfnisse hat, z. B. das eines Führers, der arme Taub: stumme aber so gut wie ein Sehender ein Handwerk erlernen kann, und der reiche Blinde sich alle geistige Genüsse der Ge selligkeit verschaffen kann, die der reiche Taubstumme nicht in dem Maaße genießt.

II. Theil, S. 86, kommt bei Lesueur die Behauptung vor, daß die Blinden in der Regel undankbar seyen. Dies hab' ich doch in solcher Allgemeinheit nicht getroffen.

. 88 ist sehr richtig bemerkt, daß die Sehenden sich scheuen, Blinde in die Lehre oder zur Arbeit zu nehmen. Eine Auskunft wäre hier, wenn die Meister von Seiten des Staats eine Belohnung bekämen, wenn sie einen Blinden in die Lehre nehmen, wie es in Berlin der Fall mit den Meistern ist, die einen Taubstummen nehmen.

S. 91 wird eines Blinden erwähnt, der durch das Gehör

die Größe und die Bewegungen der Sprechenden unterscheiden konnte. Dies hab' ich nicht nur ebenfalls bemerkt, sondern so: gar 3dglinge gehabt, die es hören konnten, ob der Sprechende Pockengruben hatte oder nicht.

S. 97 ist eine wunderliche Verwechselung, wie sie aber Franzosen schon oft begegnet ist, z. B. mit den Heideschnucken, den bekannten Schafen in der Lüneburger Heide, die ein Fran: zose für ein wildes Volk gehalten. In der angeführten Stelle Halberstadii refertur scheint er die Stadt Halberstadt für einen Mann zu halten, indem er sie überfest Halberstad parle.

III. Theil, S. 103-118, vom Lesen. Hier kann ich durchaus nicht der Meinung sein, daß man früher vom Zeichen (dem Buchstaben) als vom Bezeichneten (dem Laute) Spreche. Hörübungen müssen sowohl bei Sehenden als noch vielmehr bei Blinden, die vorzüglich aufs Hören angewiesen, den Leseübungen vorangehen.

S. 119-125, vom Drucken. Daß Blinde eben so gut wie Schende Drucker sein können, ist klar; nur beim Sez: zen müssen sie einen sehenden Vorleser haben, so daß also hier gerade noch einmal so viele Menschen gebraucht werden, als auf gewöhnliche Art, es müßte denn das zu Sehende tastbar gemacht sein, wo aber dann freilich an Zeit beim Durchtasten verloren gehen würde.

. 126-130, von Büchern får Blinde. Daß die zwischen jedem zusammengeklebten Blatte eingeschlossene Luft die Abplattung der erhobenen Blindenschrift verhindere, hab' ich nicht bestätigt gefunden. Uebrigens ist der Nußen dieser Blindendruckschrift, im Verhältniß der großen Kosten, sehr be schränkt, sowohl weil das Lesen durch Tasten zu langsam geht und im Verhältniß des Schreibens steht, da jeder Buchstabe einzeln durchgefühlt werden muß, als weil solche Blindendrucke wegen ihres nothwendig großen Raumes nur sehr beschränkten Umfang haben können. Uebrigens bin ich mit Hrn. Guillič einverstanden, daß geschichtliche Namen von den Blinden leicht ter bemerkt werden, wenn sie dieselben nicht blos hören, son: dern auch tasten, so wie überhaupt jeder Eindruck auf die Seele um so fester wird, durch je mehr Sinne er geschicht. Aber dazu braucht man keine so viel Raum und Geld kostende Blin dendruckerei, sondern dies verrichtet eben so gut ein ganz ein: facher Lesekasten für Blinde, wie er z. B. in der Blindenan stalt zu Berlin aus einer gepreßten Holzmasse zu haben ist. Für die Sitten und Glaubenslehre halt' ich Druckschrift für weniger nöthig, weil hier kein Auswendiglernen, sondern eine

Entwickelung von Ideen stattet. Höchstens könnte ein erhoben gedrucktes Spruchbuch, wegen der auswendig zu lernenden Sprüche wunschwerth seyn, wiewohl ich der Meinung bin, daß bei Blinden das Gedächtniß recht geübt werden müsse, damit er wie Simonides sagen könne: omnia mea mecum porto.

. 131-144, vom Schreiben. Die als 2 verschies dene Jungfrauen angegebenen blinden Schreiberinnen in der Schweiz, Elisabeth Waldkirch und Walkier, sind ohne Zweifel Eine Person, und lehter Name nur eine verhunzte Aussprache des ersten. Außer dem in Paris gewöhnlichen Schreibkasten, wo wagerechte Drähte die Zeilen abtheilen, ist in Zürch und Berlin nach jenem Simonidesspruche noch eine einfachere Schreibweise für die Blinden eingeführt, nämlich Faltung des Papieres, wodurch ebenfalls gerade und gleich breite Zeilen entstehen.

S. 145-151, von der Erdkunde. Sehr richtig sagt der Verf., daß hier blos mündlicher Vortrag nicht genüge, sons dern daß, wie bei Schenden, sichtbare, hier tastbare Karten da sein müßen. Nur über die Ausführung dieser Karten bin ich nicht mit ihm einverstanden. Die Pariser Karten werden durch Aufleimen von Draht, der mit Papier umwickelt ist, und durch Einschlagen kleiner Nägel in die auf Pappe geleimte Karte bereitet. Durch den Draht werden die Linien, also Gebirge, Flüsse, Grenzen, durch die Nägel Punkte, nämlich Städte und Inseln, bezeichnet. Hier tadel' ich nun, daß dies kein treues Abbild der Erdoberfläche gibt, indem das Meer gleich hoch mit dem Lande, die Flüsse sogar über das Land erhoben und mit den Gebirgen gleich bezeichnet, und die blos eingebildeten und mehr der Geschichte angehdrigen Staatengrenzen auf dieselbe Weise angegeben sind. An eine Darstellung der verschiedenen Bergkuppen und der Hochebenen ist hier vollends nicht zu dens ten. Will man ein naturgemäßes Abbild der Erdoberfläche has ben, so bleibt kein anderes Mittel als sogenannte Reliefs oder Hochbilder, wie sie Pfiffer von der Schweiz machte, und wie sie von der ganzen Erdkugel und von dem Lande der Deutschen insbes fondere in der Berlinischen Blindenanstalt, aus einer eigenen Holzmasse gepreßt, zu finden sind. Hier erscheinen Hochgebirge mit ihren Hauptgipfeln, Mittelgebirge, Hochebenen, Tiefebenen, Flüsse und Meere nach ihren wirklichen Abstufungen, Städte: sind nach ihrer Bevölkerung entweder als Vierecke, Dreiecke oder Kreise angedeutet, Staatengrenzen werden ganz ausgeschloss fen, dagegen die Sandwüsten durch aufgeleimten Sand, der nie abgeht, die großen Waldstrecken durch Moos bezeichnet, so daß

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