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das Ausland, die sämmtlichen deutschen Staatskräfte nur zur Unterstüßung dienen könnten. -Nun ist aber keine gewaltsame Veränderung zu wünschen; schon bloß darum, weil eine solche allemal vom Unrecht ausgeht und mit Unrecht endigt. Was denn soll man wünschen? Nichts anderes, als daß die Deuts schen Eine Nation darstellen mögen durch Einheit des Geistes; daß so viele verschiedene deutsche Staaten nur eben so viele Mittelpuncte der Verwaltung seyn, und die Unterthanen der mehreren Landesherren sich gegenseitig in keinem andern Vers hältnisse fühlen mögen, als wenn sie blos Einwohner verschiede: ner Provinzen eines und desselben Staates wären. Das ist das weit entfernte Ziel, dem wir uns nähern werden, wenn die ständischen Verfassungen allmählig eine aufgeklärtere politis sche Meinung hervorbringen, und zugleich derselben Einfluß auf die Regierungen verschaffen. Hierbei wird vorausgeseßt, daß in Deutschland die öffentliche Meinung nur dann aufgeklärt seyn kann, wenn sie Einheit des Verfahrens gegen das Ausland, als das erste Nothwendige, und diese Nothwendigs teit als ihren ersten Glaubensartikel betrachtet.

Allein von diesem Ziele sind wir noch beinahe durch unsre ganze bisherige Nationalität geschieden. Der Deutsche ist gewöhnt an ein kleines Vaterland; wird dieses nicht unmittelbar verlegt, fo bleibt er, vermöge, seiner natürlichen Unreizbarkeit (die man auch Phlegma) nennt), gern in Ruhe; wartend, bis etwa die Gefahr näher komme. Auch ist das kleine Vaterland der deut? schen Freiheitsliebe weit bequemer, als ein ausgedehntes seyn würde und seyn könnte; denn große Staaten verfolgen große Zwecke, sie brauchen dazu große Mittel, und ihre Bürger müss sen große Lasten tragen! Dadurch wird das ganze Leben mehr beschränkt, in bestimmtere Vorschriften eingefugt, als dem Deuts schen lieb ist. Und was wäre auch gegen seine natürliche Neis gung zur Unabhängigkeit und zu kleineren Verbindungen einzus wenden, wenn keine Unsicherheit von Außen Statt fände? Die Menschenwürde ist nicht in Gefahr; sie hat auch bei der biss herigen Lage der Dinge nicht gelitten; die ganze Nothwendigs. keit der politischen Wachsamkeit und Vereinigung rührt von zus fålligen, von dußern Umstånden her, die jedoch jezt unvermeids lich sind.

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Also: eine neue National Bildung ist nöthig; nicht etwa darum, weil der Trieb, der in dem alten deutschen Stamme schon ist, und schon wirkt, es also foderte, sondern gerade ums gekehrt darum, weil die alte Nationalität dasjenige nicht leis sten würde, was die Umstände erheischen. Diese neue Natios nalbildung ist aber blos etwas, das sich auf die äußeren politis

schen Verhältnisse bezieht; diese muß die Nation anders, denn bisher, betrachten und behandeln; hierüber muß die öffentliche Meinung sich berichtigen, (wie sie denn im leßten Decennium schon zum Theil gethan hat,) und diese Meinung muß sich alsdann, wie alle andere Meinungen, von den Eltern auf die Kinder fortpflanzen. Soll_noch mehr geschehen, so ist das eine Anges legenheit der deutschen Staaten, also der Regierungen, der Landstände und der Bundes: Versammlung; nimmermehr aber kann das Phantom, National:Erziehung genannt, words ber heut zu Tage sich Einige die Köpfe zerbrechen, in unsere Pädagogik aufgenommen werden. Hieraus würde eine Vers künstelung entstehen, gegen die man nicht nachdrücklich genug warnen kann; jedoch muß man zugleich warnen gegen einen Mißverstand der Worte. Daß in der ganzen Nation die Jus gend solle erzogen werden, und daß dieses eine Angelegens heit der Nation sey; desgleichen, daß diese Erziehung nicht anti-national, nicht etwa französirend, seyn solle, daß sie nicht die Ausländerey begünstigen dürfe, daran zweifelt Niemand; und wenn man das Wort National-Erziehung hierauf beschränkt, so ist kein Streit. Unternimmt aber Jemand, aus dem (im? mer schwankenden) Begriffe der deutschen Nationalität, posiz tive Principien für die Erziehung der deutschen Jugend abzuleiten, dann ist Streit vorhanden; denn dann wird das ächte Ideal der Pädagogik durch heteronomische Grundsäße (um mit Kant zu reden) verfälscht und verdorben.

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Auf diesem Jrrwege nun befindet sich der, übrigens wohl. meinende und geradsinnige, Verfasser des angezeigten Buches. Gleich im Anfange der Vorrede schon verräth er sich, und benimmt zugleich seinem Recensenten die Hoffnung, ihn_ent: tåuschen zu können. Denn nicht blos behauptet er: „Sitt: lichkeit, Wahrheit und Glückseligkeit seyen, jedes für sich, gleich würdige Hauptzwecke der menschlichen Natur, welche durchaus genommen werden müsse, wie sie nun einmal sey,“. sondern er führt auch einen Göttingischen Recensenten an, der ihm die vollkommen richtige Erinnerung gegeben hatte, Alles, was man sich als Bestimmung des Menschen denken möge, müsse nach moralischen Principien gewürs digt werden. Dieses führt er an, um eine nichtssagende Gegenrede zu halten, die damit endigt, daß er ein ganz neues" System der praktischen Philosophie ankündigt, welches er (der sehr fruchtbare Schriftsteller!) schon ausgearbeitet habe. Unglücklicher Weise für ihn, ist die praktische Philosophie ge: rade die Wissenschaft, worin das ganz Neue schlechterdings ganz falsch seyn muß; denn die Tugend ist nicht eine Sache,

die noch erst zu erfinden wäre. Und so liegt mindestens in den Worten (denn wir trauen übrigens diesem Manne recht gern alles Gute zu) eine so große Uebereilung, wie sie dem Urheber einer neuen Darstellung der praktischen Philosos phie durchaus nicht begegnen darf, wenn Hoffnung seyn soll, daß er hierin etwas leisten werde. Damit aber nicht gar zu viele, und gar zu leicht hingeworfene praktische Philosophieen die Welt überschwemmen mögen, kann es nüßlich seyn, einmal wieder an Schleiermacher's Kritik der Sittenlehre zu erinnern; ein Werk, das vortrefflich dazu dienen wird, hinzus weisen auf die Tiefe und Weite der Forschungen, welche man muß durchgearbeitet haben, um sich in der praktischen Philosos phie eine Stimme anmaaßen zu dürfen. Rec. ist übrigens in der Empfehlung dieses Schleiermacher'schen Werkes desto unbes fangener, da er mit der eigentlichen Tendenz desselben ganz und gar nicht einverstanden ist.

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Ueber Nationalitåt denkt der Verf. so, wie leicht Jeder mit ihm denken wird, der nicht tiefer geforscht hat, wie er. Nationalität sey das Resultat einer Uebereinstimmung der Ine dividualitäten einer Nation; man lerne sie kennen aus der Ger schichte eines jeden Volks, (also ist die Rede von einer schon vorhandenen Nationalität, anstatt daß hier Alles darauf ankam, diejenige zu bestimmen, die uns fehlt, deren wir bedûrs fen, und zu der wir eben deshalb gebildet werden müssen;) nun sey aber kein Mensch auf einmal das, was er seyn könne und seyn solle; vielmehr seyen seine Anlagen gleichsam befans gen in dem Zwange eines unentwickelten Organismus, (ein ges wöhnlicher psychologischer Irrthum,) die Entwickelung geschehe theils von selbst, theils aber auch durch die bestimmte Thätigs feit anderer Menschen; die lehtere müsse sich nach den vorhans denen Eigenthümlichkeiten richten, jedoch ohne Verlegung des Allgemeingültigen; (diese Bestimmung hat den Verf. gchütet, daß er nicht noch weit tiefer in den Irrthum versank,) so müsse denn auch die Bildung einer Nation_sich nach ihren Eigenthümlichkeiten richten, folglich bedürfe man neben den Mitteln und Anstalten, wodurch der Mensch überhaupt vers edelt werde, noch anderer, welche die Volksthümlichkeit erhde hen und bewahren.

Sollen wir hier den Verf. eines offenbaren Schlußfehlers zeihen? Ohne Zweifel muß man sich nach den Eigenthümlich: teiten jedes Gegenstandes richten, den man behandeln will, → nämlich in Ansehung der Mittel, weil man ihn sonst nicht in der Gewalt haben würde, nicht aber in Ansehung der Zwecke; wenigstens ist das leßte nicht unmittelbar flar, und würde einen

von Indifferenzen, Gegenfäßen und Polaritåten. Seitdem hat man angefangen, die Spaltungen eben so nothwendig zu finden, als das Eine, welches sich spaltet; die Individualitäten gleich wesentlich, wie das Allgemeine; also auch die Unterschiede der Nationalitäten eben so würdevoll, als die Menschheit. Es muß nun Deutsche, Franzosen, Engländer, es mußte Griez chen, Römer und Carthager geben, sonst wäre die Welt nicht vollständig. Wer hindert uns, weiter zu schließen: es müsse Franken, Sachsen und Schwaben, oder Preußen, Dests reicher und Baiern geben; wer hindert uns, die Duplicitắt, Triplicitát oder Quadruplicitát zu suchen, — oder besser noch, die Pole der Deutschheit zu bestimmen, welche in der urs sprünglichen Indifferenz des germanischen Stammes Eins scyen? In Beziehung auf unsern Verf. wäre dies freylich nur eine Andeutung, wie viel noch daran fehle, daß er seine Nationals bildung der Deutschen vollständig bestimmt, und aus den Quel: len abgeleitet hätte, und wie leicht er könne überboten werden, von solchen, die in jene Geheimnisse tiefer eingeweiht sind, als Er!

Uns aber, die wir diesen Expansionen der mancherley Por laritäten, und diesen Contractionen derselben zu den Indifferen zen aller Arten und Grade schon seit Anbeginn der absoluten Identität ziemlich indifferent zugesehen haben, — uns fällt es diesmal, bei Gelegenheit der Nationalbildung, ein, daß diese ganze Weisheit nichts weniger als national, nichts weniger als deutsch, sondern ihrem Wesen nach Spinoza's Eigenthum, also von orientalischem Ursprunge ist. Denn Spinoza war bekanntlich von Geburt ein Jude. In der That, dem Orient gehört dieses Ausstrahlen der Vielheit aus der Einheit; und wer mit orientalisch intellectualer Anschauung den Occident be: trachtet, dem müssen die Deutschen, Franzosen, Engländer, und so weiter, in ihrer Bedeutung als integrirende Theile dieses Einen Occidents so nothwendig und wesentlich verschieden ers scheinen, daß an dem Fortbestehen ihrer entgegengeseßten Eigen: thümlichkeiten ohne Zweifel das Heil und die Existenz unsers Welttheiles hängt. Wir behalten uns vor, diesen wichtigen. Ge genstand anderwärts weiter zu verfolgen, denn, die Wahr: heit zu sagen, wir fühlen uns zum Scherzen nicht recht aufges legt; auch ist die Frage, nach welchem Musterbegriffe die Deuts schen sollen gebildet werden? so, ernsthaft als irgend eine.

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Demnach, ausdrücklich widersprechend dieser falschen Phis lofophie von ausländischem Ursprunge, und allen den Folgeruns gen, die entweder aus ihr gezogen sind, oder noch gezogen wer: den können, behaupten wir, daß kein anderes Muster, als nur

Das allgemeine der Menschheit, würdig sey, dem Deutschen bei Feiner Bildung vorzuschweben; und daß alle deutsche National lität etwas rein Natürliches, Kunstloses, Unbewußtes seyn und bleiben müsse, wenn sie nicht ins Fehlerhafte sich verlieren folle.

Die Natur ist allerdings mannichfaltig; und sie ist am reizendsten dann, wenn sie eben so wenig scheint nach einer Regel geformt, als aus launenhafter Willkühr entsprungen zu feyn. So hat auch das Individuale und das Nationale seinen Reiz; indem eben die Eigenthümlichkeiten dem Zuschauer zur Probe des wirklichen Daseyns dienen; während in seiner Ans ficht die gleichen Exemplare aus Einer Form sich überall, wo dergleichen vorkommen, in bloße Beispiele zu einem allgemeis uen Begriffe zu verwandeln scheinen, die nichts haben, woran die eigne Realität eines jeden unter ihnen sich erkennen ließe. Mag denn also jedem Dinge sein Stempel, jedem Menschen sein Gesicht, jedem Volke seine Sprache, sammt den Sprichi wörtern, Liedern und Tänzen, — mag jeder Nation Alles ver? bleiben, woran ihre Landsleute sich erkennen, so lange und so weit es unschuldig ist. Denn wir wollen hier nicht jene ångst liche (und nach der Ueberzeugung des Rec. unrichtige) Lehre gelten machen: daß es keine moralische Adiaphora gebe. Wer dies annimmt, der muß auch selbst jenen unschuldigen Individualitäten den Vorwurf machen, sie seven nicht mehr uns schuldig, wieferne sie absichtlich beybehalten werden, sondern sie müßten nothwendig einer Kritik nach allgemeinen Grundsägen unterworfen werden, von der in keinem Falle zu erwarten ist, das sie einem Volke sein Eigenthümliches ganz beysammen lasse, indem sie vielmehr Einiges behalten, Änderes verwers fen wird.

Unserem Verfasser scheint es nur gar nicht eingefallen zu feyn, daß man ihn von dieser Seite angreifen könne. Nichts ist leichtfertiger, als wie er S. 121 seines Buchs, an die alls gemeine Bestimmung eine besondere anhängt; gleich als ob Nies mand gezweifelt, Niemand verboten hatte, empirische Bestims mungen mit rationalen zu vermengen. Deutschland hat sich dergestalt verjüngt, daß ein Profeffor, der ein ganz neues Sys stem der praktischen Philosophie ausgearbeitet hegen hat, nicht mehr nöthig findet, sich auch nur um Kant, und um die Streitfragen, welche mit dessen Lehre in Verbindung stehen, zu bekümmern! Und darüber entschuldigt ihn nicht etwa die ges drängte Kürze, oder die Menge schwerer Untersuchungen; denn seine Schreibart ist lästig durch ihre Breite; und von ties fer Nachforschung haben wir keine Spur bemerkt. → Wenn

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