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diesem Kampfe mit der trågen Gewohnheit gelungen, und viele lärmmachende Renoméen, im literarischen Deutschland, diegern mit fremden Fingern die Kastanien aus dem Feuer holen, haben, selbst gefahrlos, manche Früchte dieses Voß'ischen Sieges geerndtet. Vorzüglich hat der deutsche Hexameter durch Voß bekanntlich einen homerischen Vollklang erhalten, der in dessen Luise unnachahmlich und unnachgeahmt dasteht, und sich dort als wahrhaft national erweist. Uebrigens muß es uns nicht weniger Freude machen, daß der Mann, der sich so ganz in den Geist der alten Klassiker verloren zu haben schien, ohne philologische, der åchten Zeitbildung gefährliche Schuldpedanterey, mit eben so ewig jugendlichem Feuer nun an Shakspeare dem Riesen nordischer Phantasie hängt, an Shakspeare, der im Epischen und Dramatischen als Repräsentant der neuen Zeit einzig dasteht, und das Recht der lebenden christlichen Natur vor der todten des klassischen Alterthums geltend macht, in seiner Allgemeinheit, wie Keiner. Auch ist bey Verdeutschung des brittischen Dichters von der Voß'ischen Maxime, den frems den Geist in den Worten aufzufangen, noch am wenigsten für die Volkseigenthümlichkeit der deutschen Sprache zu fürchten, da der Ueberseher aus dem Englischen hier am meisten, um einen Ausdruck der Dedication vor dieser Ueberschung zu gebrauchen, sprachverwandt nacheifern kann.

Was ferner die jüngern Herren Voß betrift, so erscheint zwar in diesem Bande Herr Heinrich Voß nur als Vorredner und Erläuterer, und als Ueberseher eines an sich in Absicht auf Charakteristik und die unwahrscheinliche mehr opernmäßige Handlung unbedeutenden, jedoch mit Shakspeare'scher Laune reichlich ausgestatteten Luftspiels „Viel Lårmens um Nichts,“ wovon man auch auf deutscher Bühne eine Bearbeitung von Beɗ unter dem Titel die Quälgeister hat, die nicht ohne Wirks famkeit ist. Indeß kennen wir ja Herrn Heinrich Voß sammt seinem Bruder Abraham als bereits versuchte Shakspeare'ss Ueberseher aus mehreren Bänden deutscher Shakspeare'scher Schauspiele, die sich damals (1810-15) bescheidner Weise nur als Ergänzungen gleichsam zu der Schlegel'schen, noch vieler Stücke ermangelnden Uebersehung ankündigten, und uns ter andern, Makbeth, (v. Heinr. Voß) Cimbelin, Antonius und Cleopatra (v. Abrah. Voß) die lustigen Weiber, die Jr rungen (von Heinrich Voß) u. s. w. enthielten. Insbesondre hatte Herr Heinrich Voß sich schon sehr frühzeitig neben Ue bersehungen aus dem Griechischen auch durch eine unter Schils ler's genauer Mitwirkung und Aufsicht unternommene, zum Besten der Bühne etwas verkürzte, übrigens eben so leicht less

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bare und deutsch natürliche, als kräftige Uebersehung des Othels lo, und durch einen den größern Schwierigkeiten freilich nicht überall gleich entsprechenden und begegnenden, deutschen Lear, beides 1806 bekannt gemacht, bei welcher Gelegenheit er schon sich ebenfalls am Wintermährchen und an Richard dem Dritz ten zu versuchen versprach. Das Wintermährchen ist auch nebst Coriolan in dem zweiten Bande der oben erwähnten Shaks auch_nebst spearischen Schauspiele wirklich erschienen. Eben so sehr legis timirt sich Herr Heinrich Voß zu so einem Unternehmen durch die vertraute und begeisterte Bekanntschaft mit dem englischen Dichter, die er durch die feinen frühern Uebersehungsversuchen voraus geschickten Vorerinnerungen, ferner durch die hier beis sefügten mit Parallelstellen reichlich versehenen kritischen und oft scharfsinnigen Erläuterungen, vor allem aber durch die dus Berst gehaltvolle Vorrede zu gegenwärtigem ersten Bande verräth. Nach einer kurzen biographischen Charakteristik des Dichters, und einigen tiefern Blicken in Shakspeare's allgemeins anerkannte Dichtergröße, nimmt er hier den Fehdehands schuh gegen diejenigen auf, welche, wie so vicle undankbare Landsleute des Dichters selbst, noch immer geneigt sind, ihm bei zugestandenem Genie dennoch die Kunst und die Sprache fertigkeit in richtigem, gediegenem Gedankenausdruck und me: trisch musikalischer Form abzusprechen. Was wir nun hier, wo von Shakspeare's dichterischer Kunst, mithin von seiner gewählten Form die Rede seyn soll, freylich ganz vermissen, ist die in der lehrreichen Vorrede übergangene, aber hier sich doch aufdringende Betrachtung des Verhältnisses oder Mißs verhältnisses, in welchem Shakspeare, als zugleich epischer und lyrischer Dichter, mit aller seiner Fülle von Charakterschilde rungen und glänzenden Gedanken zu dem eigentlichen Drama, zu der beschränkten Schaubühne und zu der jedesmaligen Handlung steht, wie sich der englische Homer in ihm zum englischen Aes schylus oder Sophokles verhält. Das Genie des Shakspeare ist eine darstellende und zugleich raisonnirende Weltanschau ung, welche aber oft eben so unermeßlich vor uns liegt, wie die Welt, die Geschichte und die Natur selbst. Wie der Lands schafts- und Historienmaler doch eines Rahmens bedarf, um seine Natur- und Menschenbetrachtung auf einen Punkt zu versams mein, und dadurch noch mehr zu beleben; so bedarf der Dichs ter als Künstler doch einer gewissen Hauptform, als Drama oder Handlung, die das Ganze der Lebensansicht rundend bes schránke, auf Einen Standpunkt zusammendränge, individualisire, belebe, personifizire. Wie der Maler, sobald die Kunst ihn den richtigen Rahmen an der gehörigen Stelle anzulegen lehrte,

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ein Vergißmeinnicht im Vordergrunde der Landschaft nicht so ausführlich darstellen wird, als einen Menschen oder ein Schnee: gebirge; so muß der Dichter, in wiefern er auf höchste Kunst Anspruch macht, doch vermöge der gewählten Form seines Ge dichts ein gewisses Maß, eine Perspective in den einzelnen Schilderungen beobachten. Hier ist nun der Punkt, von wo aus die meisten Zweifel gegen Shakspeare's höchste Kunst eine Art Begründung erhalten, und hier sollte eine unternoms mene Bertheidigung von Shakspeare's Kunst am wenigsten stillschweigen. Viel kommt bei dieser Untersuchung auch auf die zu Shakspeare's Zeiten gewöhnlichen, dramatischen Formen an, die man vom Polonius im Hamlet kennen lernt, und man sollte, wie Gerstenberg lehrt, bei Eintheilung der Shatspeare'schen Dramen darauf Rücksicht nehmen. Was wider die Vernachlässigung des äußern Costumes, oder die Einkleidung des Alterthums in neue Sitten, über die Anachros nismen, die ewigen Ortveränderungen, über den Spaß des Rüs pels, neben dem Gift und Dolch des Heroen, über die Marsche der Armeen auf der Bühne u. f. w. von jeher gesagt worden, find Kleinigkeiten. Größtentheils lag dieses alles in dem Volks: tone der damaligen Chroniken und Novellenliteratur, welche Shakspeare bey aller Originalität dennoch sehr treulich henußte, und hat, wie der Volkston überhaupt, seinen guten poetischen Grund. Ein Genius, wie Shakspeare, übrigens muß das Recht haben, zumal wenn er oft mehr dramatisirt, als eigentliches Drama liefert, die Hühnersteige des Theaters, wie er es selbst nannte, zu überfliegen. Er muß das Recht has ben, wenn er nur das Innere der alten und neuen Menschen so charakteristisch schildert, so wahr als es in Julius Cásar und Coriolan geschehen ist, Altes und Neues, in Nebensachen, in Dingen, wo es sich nicht widerspricht, wo die Welt sich im mer gleich ist, zu verbinden. Vom Erhabenen zum Komis schen ferner ist bei menschlichen Angelegenheiten, bei der nur eingebildeten Vollkommenheit des Erdengottes, immer nur Ein Schritt, und mit Recht springt der dramatisch spielende Hus mor eines Weltbetrachters, wie Shakspeare, ohne gerade graus famer zu seyn, als die Vorsehung selbst, von dem tragischen auf den komischen Punkt hinüber. Dem geträumten Erdengott ist sein Nock von Staub zu kurz und es ist gut, wenn er drûs ber mehr lachen als weinen kann. Selbst das Gemeine, Uns anständige thut oft auf einem solchen Standpunkte der Weltans sicht, auf die wir im Lear und andern Stücken der Art ges stellt werden, furchbare Wirkung. Ein solcher Humor, wenn er nicht gesucht, geziert und frechspielend, wie in vielen humos

ristischen Romanen, sondern natürlich auffassend ist, het eine wahrhaft religiöse Wirksamkeit, die menschlichen Dinge nicht zu hoch anzuschlagen, wiewohl nicht zu läugnen ist, daß die Shakspeare'sche Muse zuweilen hier auch das Maaß über, schreiten, und in bittere Welt und Menschenverachtung ausarten mag, während die griechische Melpomene, ohne einer Religion der Versöhnung anzugehören, doch mit einer ims mer edlen Wehmuth von dem prometheischen, unzulänglichen Loose des Menschengeschlechtes spricht. Uebrigens wär' es nun freilich Thorheit, das Ideal der griechischen Bühne, die Zus schnittsregeln des Aristoteles, und die noch dürreren Einheis ten der französischen Kritik auf Shakspeare anzuwenden, wenn man von dessen Kunst spricht. Wo Shakspeare's Geist von der Einheit der sittlichen Marime, von einer in einer Handlung liegenden von ihr bewirkten Hauptansicht des Lebens ergriffen und durchdrungen seyn konnte, wo die Natur seines Gegenstandes, den er freylich nicht immer streng als Kún sts ler erwählte, ihm eine verhältnißmäßig steigende, verwickelnde und sich wieder ldsende, kurz immer fortschreitende Handlung erlaubte, zeigt er gewiß auch mehr, weit mehr wahre Kunst, bey seinem Vordringen in das Heiligthum der Natur und der Wahrheit, als das ungewöhnte Auge ihm zutrauen möchte. Nur muß man das Ganze der Idee nicht allemal in dem trocknen Skelette des historischen Plans suchen, und nur darnach das Ueberflüssige beurtheilen. Und wenn der Dichter nun zus weilen der unbedeutenden Rolle eines Todtengråbers, Bedienten oder Schreibers die größte Aufmerksamkeit schenkt, so ist es alsdann nicht Ueberfluß, oder Ueppigkeit, bloßes Nachahmungss talent, wie bei gewöhnlichen Dichtern, sondern der Blick einer Vorsehung, die den Zusammenhang, wie den Contrast, vom Kleis nen und Großen durchschaut, und es erkennt, wie der Schwung einer Fliege eine Lawinė in Bewegung sehen kann, wie die Gedankenwelt eines geschilderten Zeitalters, ein großes Ganze ist im Bauer, wie im König. Besonders ließ sich hier viel über die, wenn man so sagen will, verborgene Kunst Shaks speare's in Darstellung der Nemesis beibringen, womit die menschliche Erbsünde sich selbst bestraft, wie denn auch kein Dichter der Welt, die der heiligen Schrift selbst nur ausgenoms men, seine Schilderungen durch die alles einende und richtende Kraft der Gewissens so zu einem Ganzen der Weltordnung erhebt, und seine wildstürmenden Accorde und Lebensdissonanzen in den durchgreifenden ernsten Ton der lesten Posaune aufldst. Was erstlich jene Nemesis der natürlich erfolgenden Strafen betrift, durch welche die Hauptschdpfungen des Shak.

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speare ein großes, poetisches Ganze werden, wo, wie es im Drama seyn muß, die menschliche Leidenschaft mit der allgemeinen Weltordnung in, befriedigendes Verhältniß ge fegt wird, so lassen sich viele, bereits bemerkte und auch wohl noch nicht bemerkte, Belege davon geben. Mit welchem lustigen, vornehmen Leichtsinne spricht Gloster im Lear, erste Scene, von dem Bastarden, den er in die Welt geseht hat, vor dessen eignen Ohren, und dieser Bastard, dessen Charakter offenbar durch den anrüchigen Zustand, in den ihn der Vater verseht hatte, erbittert, verschlechtert worden, kostet dem Vater seine Augen, sein Glück. Herr Heinrich Voß nennt Othello's Des; demona die unschulds volle- er hätte lieber sagen sollen die schuldlose, in Rücksicht der ihr angeschuldigten Untreue. Aber unschuldig ist sie nicht. Sie ist behaftet mit einem angeborenen, der menschlichen Erbsünde angehörenden Zuge des Verheh lens und furchtsamen Falschredens, in welchen, an sich sündigen Zug, sich zuleht, selbst die himmlische, großmüthig vergebende Liebe gegen ihren Mörder, die doch etwas von Beherung an sich hat, kleidet. Daß sie, wie es scheint, ohne andere Noth, als die der falschen Schaam, ihren eignen Väter getäuscht hat, wirkt auf den Bater, sie zu verwünschen, und auf Othello's durch den Vater und Jago gewecktes Mißtrauen selbst, und sie fallt als ein liebenswürdiges, trauriges Opfer einer unsittlichen Angewöhnung, nach der poetischen Gerechtigkeit des Dichters. Daß die liebeglühende Julia, für ihre freylich etwas mehr zu entschuldigende Heimlichkeit, die doch allerdings nicht gerade mit Johnson Heucheley unter dem Vorwande der Religion, mehe romantische Abentheuerlichkeit, die unter katholischer Form glücklich ihr Spiel treibt, zu nennen ist, vom Schicksal bestraft wird, hat Herr. Heinrich Voß in den Erläuterungen selbst rich: tis bemerkt. Er hätte hinzufügen können, daß der eben so als berne, als verdammliche, Familienhaß der Eltern hier hauptsächlich seine Strafe leide, welches der alte Capulet in der vorlek ten Rede des Stücks mit den Worten poor sacrifices of our enmity selbst andeutet. Ob nun. Shakspeare alle diese Züge der Nemesis, welche zum Theil in den von ihm ers zählten Begebenheiten selbst liegen, wirklich immer zum Kunstbewußtseyn in sich gebracht, oder nur mittelst seiner lebhaften, natürlichen Darstellung und seines dunkeln sittlichen Gefühls hingeworfen habe, ist freylich nicht überall so schnell auszumachen. Ja es scheint doch zu wünschen, er hätte zuweiz len, ohne gerade, wie in einer dsopischen Fabel, die Moral hinzuschreiben, die in seinen Dramen liegt, doch kräftiger darauf hingedeutet, als durch eine noch so wirksame aber mehr

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