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Darauf fehlt aber den Freunden der Censur die Gegen? rede nicht. Auch stellen sie neue Gründe auf. Dahin gehört besonders der, den sie von der Beschaffenheit des gewöhnlichen Richters hernehmen. Der Umfang seiner Wissenschaft und seiz ner Geschäfte erlaube ihm selten, hinlänglichen Antheil an den Angelegenheiten zu nehmen, worauf es bey den Urtheilen über Schriften vorzüglich ankomme. Darum werde seine Entschei dung, bey aller Rechtlichkeit seiner Gesinnung, doch nothwendig oft hart und einseitig ausfallen. Billiger werde ein Mann urtheilen, der das Bedürfniß der freyen Geistesbewegung aus eigener Erfahrung kenne und mit dem Stande der Literatur vertraut sey, nämlich der Censor. Dieser Grund, entgegnen die Freunde der Preßfreyheit, beruhe hauptsächlich auf der Vorausseßung, daß die Freyheit der Gedanken: Aeußerung in Angelegenheiten des Staates und der Kirche beschränkt seyn müsse, und falle also von selbst mit der Erkenntniß der Unstatt: haftigkeit solcher Annahme. Auch sey es ja keinesweges noth wendig, daß der gewöhnliche Richter auch in Sachen der Presse richte; man könne ja für diese Sachen Männer mit solchen Et: genschaften, wodurch sich die Censoren auszeichnen sollten, zu Richtern machen. So geht der Streit von beyden Seiten fort und wird nicht leicht zu Ende kommen.

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An sich, glauben wir, ist es wohl gleichgültig, ob Censur oder bloße Verantwortlichkeit der Schriftsteller besteht, wenn nur dabey die Preßfreyheit im ersten Sinne, als allgemeines Recht des schriftlichen Urtheils über alle öffentliche Angelegenz heiten, nicht durch die Nothwendigkeit beschränkt wird, die Bürger vor Kränkungen zu sichern. Leichter aber scheint sich die Erfüllung dieser Foderung mit der Preßfreyheit im zwey: ten Sinne als mit der Censur zu vertragen. Der Schriftstel ler scheint dann wenigstens gesicherter vor Willkühr, Laune und Rücksichten. Darum wird sie ihm auch dann lieber seyn, wenn man nöthig finden sollte, ein besonderes Preßgeseh zu geben. Er hat dann doch etwas Gewisses vor Augen, weiß, was er sagen und nicht sagen darf, weiß auch, mit welcher Gefahr er etwas wagt, und wird in Zeiten, wo es Rettung oder Recht und Wahrheit gilt, wenn er ein edler Mann ist und sich beru fen fühlt, gern die Gefahr übernehmen. So wird dann doch laut, was noth ist. Bey der Censur hingegen wird in solchen Zeiten die Verantwortlichkeit der Censoren gerade dem Wichtig: ften und Nöthigsten am meisten in den Weg treten. Denn be deutende Entwickelungen des äußern Lebens der Völker pflegen ruckweise zu erfolgen und mit Aufhebung oder Andersgestaltung lange bestandener Verhältnisse verbunden zu seyn. Es läßt sich

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nicht vorhersehen, wie weit das gehen werde. Darum muß nothwendig ein Mann bedenklich oder ängstlich werden, der zu entscheiden hat, ob Gedanken und Vorschläge, worin sich eine solche Veränderung zum Voraus ankündiget, verbreitet werden. sollen oder nicht. Bey wichtigen Entwickelungen des innern Lebens tritt derselbe Fall ein. Schon durch ihr Alter pflegt eine lange bestandene Lehre in der Meynung eine gewisse Heiz ligkeit und Ünantastbarkeit zu erlangen; auch verschlinget sie sich mehr oder weniger mit der äußern Lebensordnung. Und nun wird sie angegriffen, und eine neue Lehre will an ihren Plah treten! Wer kann die Folgen berechnen? Wer hat sie in seiner Gewalt? - Man denke sich also in die Lage des eins sichtigen und wohlmeynenden Censors. Kann er wohl hoffen, sein Amt zur Zufriedenheit seiner Obern zu verwalten, wenn er sich nicht der Verbreitung solcher Gedanken, Vorschläge, Ansprüche, widerseht? Zwar wird diese Widersehung die Sache selbst nicht unterdrücken, wenn nur wirklich ein Entwickelungs keim des Lebens zum Vortreten gereift ist; aber sie wird doch schädlich seyn, weil sie die freye Erörterung, auch die Vorberei tung und Linderung des Uebergangs, hindert und die Gefahr des gewaltsamen Ausbruches herbeyführt.

Soll aber doch Censur seyn, so müßte sie aus dem schwans kenden Zustande, worin sie sich bis jeht in den meisten Ländern befindet und worin sie jeder großen Entwickelung hinderlich seyn muß, herausgeseht werden. Die Anweisung an die Censoren müßte ihnen gebieten, die freye Gedanken Aeußerung über wissenschaftliche Gegenstände und über Kirche und Staat in keinem Falle zu stören, und müßte zugleich einfache und klare Bestimmungen darüber enthalten, wann eine Schrift oder eine Stelle einer Schrift als eine solche anzusehen sey, wodurch ein Anderer verleht werde. Es müßte ferner diese Anweisung öffentlich bekannt gemacht werden und als ein Gesek gelten, das nicht nach Willkühr, sondern nur auf dem der Landesvers fassung gemäßen Wege verändert werden dürfte. So würde der Schriftsteller und zugleich der Censor gesichert. Wenn dann noch hinzu käme, daß eine Berufung von dem Urtheile des Censors auf das Urtheil einer Versammlung von Männern, be: währt durch Rechtschaffenheit und Verstand, ein gut eingerich tetes Geschwornen: Gericht statt fände: so wäre, dünkt uns, eine solche Censur mit den gerechten Ansprüchen auf Preßfreyheit wohl verträglich.

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Wenden wir uns mit dieser nach den allgemeinsten Zügen dargelegten Ueberzeugung näher zu der vorliegenden Schrift, so scheint uns ihr Verfasser im Grunde mit uns übereinzus

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stimmen. Sein offenbares Bestreben ist; Vorschläge zu thun, wie die größtmögliche Freyheit der Gedanken - Mittheilung verz mittelst der Presse mit der Verhütung ihres Mißbrauchs zu vereinigen sey. Es möchte wohl wünschenswerth seyn, sagt er in der Vorrede, daß auch in Deutschland, wie in England, vôl lige Censur: Freyheit und blose Verantwortlichkeit der Schrift: steller vor Gerichte und zwar vor einem Schwurgerichte (Jury) statt fände. Aber dahin könne und werde es, wie die Sachen jeht stehen, in Deutschland noch nicht kommen. Man solle nicht zu viel fodern, wer zu viel verlange, bekomme vielleicht eben darum gar nichts. Darum schlägt er vor, die Censur in gewissen Fällen noch bestehen zu lassen, nämlich wie Seite 9 der Einleitung bestimmter gesagt wird Verantwortlichkeit und Censur dergestalt mit einander zu verbinden, daß jedes mit Ausschluß des andern nur in einer gewissen Sphäre und unter solchen Modificationen angewandt werde, welche dem Verkehre der Geister in unserm Vaterlande allen zum Gedeihen der Wis: senschaften und Künste und zum Wohle des Staates selbst nd: thigen Umschwung gestatten. Werde seyn Vorschlag angenom men, so sey, er überzeugt, daß erstlich das Lästige der Censur sehr gemildert und zweytens die gänzliche Censur: Freyheit uns end lich auch geschenkt werden würde. Darum will er den vorgeleg ten Entwurf nicht sowohl als etwas Definitives, sondern viel mehr als etwas Provisorisches betrachtet wissen, wodurch das Bessere vorbereitet und allmählig herbeygeführt werden sollte.

Schon aus diesen Erklärungen ist offenbar, daß der Ver: fasser ein Freund der Preßfreyheit in beyderley Sinne ist; auch beweist das die ganze Schrift. Sie ist ganz hervorgegangen aus dem Bestreben zu verhüten, daß nicht die Beschränkung des Rechts der schriftlichen Gedanken: Mittheilung des mögli chen Mißbrauchs wegen weiter gehe, als gerade nothwendig ist, Das zeigt sich auch in der Fodernng, daß schon jezt allen de nen Schriftstellern Censur: Freyheit gestattet werden sollte, bey denen sich ihres Amtes oder anderer Eigenschaften wegen mit Wahrscheinlichkeit annehmen lasse, daß sie die Presse nicht zu sträflichen Zwecken mißbrauchen werden. Ueberhaupt wird die Sorgfalt und Umsicht die in allen hier vorgeschlagenen Bestim mungen herrschet, jedem Leser von selbst in die Augen fallen. Darum haben wir nicht nöthig, dabey zu weilen, sondern wols len lieber das bemerklich machen, was uns nicht ganz genügen könnte. Das ist vorzüglich der 4te §. über die Beschaffen: heit der Druckschriften. Nachdem nämlich der Verfasser selbst (Einl. S. 7) die Unbestimmtheit der gewöhnlichen Censur Regeln, nur solchen Schriften das Imprimatur zu ertheilen,

welche nichts wider die Religion, den Staat und die guten Sitten enthalten, erkannt und gezeigt hat, welch weiter Spiel: raum dadurch der Willkühr und Laune des Censors gegeben werde, so stellt er hier statt derselben folgendes allgemeine Ges seh auf: Es soll keine Schrift durch den Druck bekannt ge ,,macht werden, welche ein Streben verråth, Religion und Sittlichkeit in den Augen des Volkes verächtlich zu machen, Ungehorsam und Aufruhr gegen die bürgerliche Obrigkeit oder Haß und Zwietracht unter den deutschen Volksstämmen und ,,Bundesstaaten zn erregen, oder endlich die Ehre einer (physiz schen oder moralischen) Person durch Verbreitung verläumdes „rischer Beschuldigungen zu krånken. Dagegen dürfen alle ,,Schriften durch den Druck bekannt gemacht werden, deren „Inhalt keinen stråflichen Zweck dieser Art zu erkennen gibt, ,,wenn sie auch übrigens in einem freymüthigen, ernsthaft oder scherzhaft rügenden, Tone geschrieben sind und von den herrs schenden Ansichten noch so sehr abweichen. Es ist also Jedem erlaubt, über religiðse, moralische, politische, åsthetische und ,,andere in das menschliche Leben eingreifende Gegenstände nicht „nur für sich selbst Untersuchungen und Betrachtungen anzus stellen, sondern auch die dadurch in ihm erzeugten Vorstelluns gen und Gefühle schriftlich darzustellen und, unter obiger Eins „schränkung, durch den Druck dffentlich mitzutheilen.“ — Man sicht, daß sich der Verfasser bemüht hat, etwas Bestimmteres zu geben und der Willkühr einen Zügel anzulegen; man steht aber auch, daß ihm das nicht ganz gelungen ist. Die Unbestimmt: heit gestehet er in der beygefügten Anmerkung selbst ein, meynt aber, man werde schwerlich bestimmtere Verfügungen ausmitteln; darum sey das herrliche Institut der Schwurgerichte so noth: wendig, um über Preßvergehen ex aequo et bono zu urtheis len. Daß aber auch der Willkühr, der Geistesbeschränktheit und Engherzigkeit des Censors oder Richters, ein großer Einz fluß übrig bleibt, ist daraus offenbar, daß hier das Urtheil auf das Streben, den 3 weck, hingewiesen wird. Warum, könnte man fragen, soll die Absicht, die Gesinnung des Schrift: stellers, entscheiden, wo es doch hauptsächlich auf die Wirkuns gen, die Folgen einer Schrift ankommt? Aber dieses bey Seite geseht, worüber ist ein Urtheil schwieriger, als eben über Zweck und Absicht? Ist nicht gerade darüber in den meisten solcher Falle der größte, selten zu entscheidende Streit? Und wo wird nicht ein ängstlicher oder argwöhnischer oder parteysüchtiger Cens for eine schlimme Absicht ausfinden können? - So soll ein Censor nicht gesinnet seyn könnte der Verfasser sagen. Denn: „Die in den deutschen Bundesstaaten anzustellenden Censoren

„sollen Männer von wissenschaftlicher Bildung, geläutertem Gez schmacke, unbestechlicher Redlichkeit und bewährter Vaterlands: liebe seyn" sagt der 14te §. seyn“ Und der 16te: „Die Cens soren sollen ihr Amt überhaupt mit möglichster Freysinnigkeit, „(Liberalität) verwalten, und zwar eines Theils nicht zu nachichtig und fahrlässig, aber auch andern Theils nicht zu streng und bedenklich bey Beurtheilung der Zulässigkeit oder Unzulåssigkeit der Handschriften zum Drucke seyn;“ u. s. w. Aber wie doch ist es zu machen, daß die Censoren immer solche Männer seyn und ihr Amt so verwalten? Und wer wird die Regierungen vermögen, daß sie immer das Censor: Amt mit möglichster Freysinnigkeit verwaltet haben wollen? Und was soll Maasstab der Freysinnigkeit seyn? Was ferner wird dem Cen: for, der sein Amt nach den Foderungen des Verfassers auf das gewissenhafteste verwaltet hat, dafür bürgen, daß er nicht doch einer von andern Grundsäßen geleiteten obern Behörde straffällig erscheine?

Auch bey der großen Bedachtsamkeit und Umsicht des Vers fassers bleiben also noch manche Bedenklichkeiten, Schwierigkeiz ten und Unsicherheiten. Nicht alle zwar, aber doch die meisten fallen weg, wenn, wie wir für Recht halten, in Sachen der Religion, der Kirche und des Staates völlige Freyheit des Ur: theils gestattet wird. Doch gestehen wir, daß wir sehr zufriez den seyn würden, wenn nicht in den meisten deutschen Staaten noch größere Beschränkungen der Preßfreyheit obwalteten, als diejenigen sind, die der Verfasser stehen lassen will, besonders wenn wir noch das erwägen, daß nach dem 15ten §. in jedem mit einer Buchdruckerey - versehenen Orte Deutschlands wenigstens zwey Censoren angestellt werden sollen, und daß jedem, der eine Schrift drucken lassen will, nicht allein die Wahl zwis schen beyden freystehen soll, sondern, daß er sich auch, wenn der eine Censor das Imprimatur verweigert, an den andern und von diesem noch an eine höhere Behörde soll wenden dürfen. Es ist sehr zu wünschen, daß dieser Vorschlag beachtet werden möge.

Schließlich bedenken wir nochmals, daß der Verfasser alle die Einrichtungen, die er in Vorschlag bringt, nur als vorbe: reitend für eine gänzliche Censur: Freyheit angesehen haben will, und daß er diese auch in Deutschland für wünschenswerth hält, aber glaubt, daß es aus Gründen, die er nicht zu entwickeln brauche, noch nicht dazu kommen könne. Es ist aber nie gut, daß irgend eine Sache, die wirklich wünschenswerth ist, nicht auch erwartet werde; man soll vielmehr nicht aufhören, nicht müde werden, zu hoffen, daß das, was wahres Bedürfniß ist, auch Gewährung finden werde. Nun sind wir der Ueberzeu:

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