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ein zuvor nie gekannter gesellschaftlicher Kreis des geistigen Lebens, der edelste Genuß eines unverlchlichen Eigenthums. Vor allen wurden in diesen Kreis Etaat und Kirche, als die wichtigsten Angelegenheiten des äußern Lebens, gezogen. Nicht Gefühl, noch Glaube, noch Sitte bestimmte jeht die Ansicht, wie ehemals, sondern der Verstand, welcher prüfte, urtheilte und richtete. Aus diesem durch die Literatur beflü gelten Wechselgespräche (??) des Zeitgeistes entwickelte sich ein allgemeines Volksurtheil: die öffentliche Meinung. Diese åußerte sich_schon in dem Kampfe zwischen Karl 5. und Franz 1. Der Sieger von Tunis rief sie selbst auf, als er in Rom vor dem Papste und den Kardinålen den König von Frankreich des Treu und Friedensbruches öffentlich anklagte, und das Volksurtheil war jenem günstiger, als diesem. In den Angelegenheiten aber, die den Menschen die theuersten find, in Religionssachen, sprach sich der Zeitgeist, oder die öffentliche Meinung, mit unwiderstehlicher Kraft aus. Ohne sie würde Luther den Thron der Hierarchie so wenig erschütz tert haben, als Wikliff und Huß. Sie ist seitdem die Scele des geistigen europäischen Gesammtlebens geblieben, und hat die praktische Vernunft desselben, das Völkerrecht, zuerst in der niederländischen Freiheit ausgebildet." — Trefflich ist folgende Stelle (S. 38) in Beziehung auf die Einflüsse der Reformation auf die Umgestaltung des gesellschaftlichen Lebens: ,,In der Wissenschaft war nicht mehr Aristoteles, sondern der Verstand der Gefeßgeber; in der Kirche ordnete nicht mehr ein Mensch den Glauben, sondern die Ueberzeugung der Ges meinde; im Staate gebot nicht mehr die höchste Gewalt, sondern sie erzog auch den Menschen, als Menschen, für den Zweck seiner unendlichen Bestimmung. (Freilich erfolgte die ses Erziehen auch nicht überall und nicht immer in den proz testantischen Ländern!) Der Staat ward mehr als je vorher eine moralische Person, d. h. durch sittliche Kraft und Freis heit selbstständig, weil er mit dem Protestantismus auch die Kirche in sich aufnahm. Er erkannte nämlich die Menschheit und das Ewige als das Hdhere an, unterwarf aber die sicht: bare Form des Kultus dem, was in der Sinnenwelt das Höchste ist, der Staatsgewalt."

Doch Recens. glaubt, nach Aushebung dieser Stellen, sein früher ausgesprochenes Urtheil über die Eigenthümlichkeit der politischen Ansichten und der im Ganzen ausgezeichneten stylistischen Form des Verf. bestätigt zu haben. Er kann vers sichern, daß der Verf. durch das ganze Werk sich gleich geblie ben ist; daß überall die großen Massen der Begebenheiten zu

lichtvollen Uebersichten zusammengedrängt worden sind, und daß der Verf. nur selten in das umständlichere Detail der Beges benheiten eingeht. Wenn sein Werk dadurch weniger für den Anfänger in der Geschichte sich eignet, welcher erst Massen einsammlen muß, bevor er sich zur politischen Uebersicht über dieselben und zum pragmatischen Zusammenhange in denselben erhebt; so wird es desto mehr den denkenden Kopf und den Staatsmann befriedigen, dem die Massen bereits bekannt sind, der aber der kraftvollen innern Verbindung derselben bedarf. Nicht selten drångt der Verf. den öffentlichen Charakter eines Mannes in zwei Säße zusammen; so z. B. (S. 85) bei Wallenstein: Er brachte die Gewohnheit, den Krieg auf fremde Kosten zu führen, in ein System. Nie ward vorher Staat und Volk so ganz zum bloßen Mittel für eine souvez raine Militairmacht herabgewürdigt, als durch Wallenstein."— Bisweilen verweilt aber der Verf. auch bei einzelnen Ereig nissen mit tiefer Umsicht etwas länger. So hebt er (S. 162) aus der Rede des Königs Johann Kasimir von Polen auf dem Reichstage im Jahre 1661 die Stelle aus, wo er das Schicksal der Republik vorhersagt: Der Moscowiter wird Gott gebe, daß ich ein falscher Prophet sey! die Völker unterjochen, welche seine Sprache reden und das Großfürsten: thum Litthauen, Großpolen und Polnisch- Preußen werden dem Hause Brandenburg zufallen; und bei der allgemeinen Zerreiz Bung wird auch Destreich sich nicht vergessen; Cracau und der umliegende Landstrich werden dessen Beute seyn." In richtigen, allgemeinen Umrissen leitet der Verf. aus Englands Welthandel (S. 177) seinen politischen Einfluß ab. Denn, wenn man auch dem Verf. entgegnen könnte, daß das Natio: nalvermögen der Britten nur in der Idee bestehe; so be: steht es dennoch; denn diese Idee ist der Kredit, und die Realität des Kredits ist der Welthandel. Nationalvermögen heißt nicht so viel als Wohlstand der Nation, sondern die ideelle oder reelle Masse des Reichthums überhaupt, woz mit Unternehmungen ausgeführt werden können, zu welchen große Geldkräfte und Kredit gehören. Daß aber die brittische Nation in diesem Sinne ein in sich wachsendes Vermde gen besißt, bedarf wohl keines Beweises; schon die ungeheure Armentare würde dafür sprechen.

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Wenn nun auch einzelne Lücken und Unrichtigkeiten in der Masse der angeführten Namen und Thatsachen sich nachweiz sen ließen; wenn man vielleicht wünschen könnte, daß die Hauptpuncte des literarischen Lebens mehr mit den übrigen Entwickelungsmomenten des innern Volkslebens verschmolzen,

und nicht isolirt behandelt wären (z. B. wie Kant's Philos sophie auf die neuere Ansicht des Staatsrechts, wie Adam Smith's Lehre auf die Staatswirthschaft vieler Staaten, wie Montesquieu auf die Richtung unserer Zeit nach repräsens tativen Verfassungen u. s. w. eingewirkt hat, und überhaupt wie die Abstraction allmählig und unbemerkt ins Leben übergetreten ist); wenn man, besonders bet vielen blos wört: lich angeführten Namen von Gelehrten (z. B. S. 411), gern nur mit zwei Zeilen das Eigenthümliche ihrer Verdienste um die Wissenschaft gewürdigt sähe; so muß man doch dem Geis ste des Buches die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß durchgehends die ihm zum Grunde liegende politische Idee fest; gehalten, und überall die heilige Angelegenheit des Rechts, des Fortschrittes der Menschheit und der öffentlichen Meinung, wodurch der jedesmalige Zeitgeist bestimmt wird, mit edler Freimüthigkeit und in männlicher Sprache berücksichtigt worden ist. Möge der Verf. in demselben Geiste, ohne Menschens furcht und ohne die Gebrechen unserer Tage und die Sünden der Zeitpolitik zu verschweigen, den zweiten Theil durchfüh; ren und vollenden, wo wenigstens Recens. nicht mit dem Verf. in der Andeutung S. 91 Zeile 2 und 3 von unten überein; stimmt.

Die beigefügte illuminirte Charte, von dem Oberlandfeld: messer von Schlieben gezeichnet, gewährt einen sinnlichen Ueberblick der äußern Verhältnisse der europäischen Staaten vor dem Ausbruche des Revolutionskrieges, so wie der Kriege und Bündnisse, aus welchen jene Staatenordnung hervorgegan gen ist. So genau bei derselben Plan, Zeichnung und Stich gehalten sind; so glaubt doch Recens., daß Venedig mit mehr als 3 Millionen Einwohner, und die Schweiz mit 2 Millionen Einwohner zu hohe statistische Angaben enthalten, so wie er auch die beiden Häuser Hessen: Kassel und Darms stadt, die in diesem Zeitraume nie als Eine Macht, sondern oft nach sehr verschiedenen politischen Interessen handelten, nicht unter die europäischen Mächte des dritten Ranges auf: genommen, und dieselben vielmehr unter den kleinern teutschen Staaten, welche der Verf. mit Würtemberg eröffnet, erst nach Würtemberg, der Bevölkerungszahl nach, gestellt hätte.

Wiewohl

Zeit- und Flugschriften.

Siewohl unser Hermes vorzugsweise der Beurtheilung sols cher Werke gewidmet ist, welche einen selbständigen Charakter haben und durch Gehalt oder Form auf ein lángeres Leben im. Gebiete der Literatur Anspruch machen, so dürfen wir doch. jene Schriften nicht ganz unbeachtet lassen, welche mehr das Interesse des Augenblicks besprechen und daher in der Regel nur ein ephemeres Dasein haben. Denn es findet sich hier cbenfalls manches Bedeutende und einer längern Dauer Würs dige. Die Zeit aber, wie flüchtig und veränderlich sie sein mag, hat doch auch ihre Rechte; es ist daher Pflicht, ihre Ansichten, Bedürfnisse, Wünsche und Hoffnungen überall zu berücksichtigen, wo sich Gelegenheit dazu darbietet. Schriften dieser Art faffen wir unter dem Titel der Zeit und Flugschriften zusammen, um jedesmal in den lehten Bogen eines Bandes so viel oder so wenig darüber zu sagen, als gerade nöthig scheint. Sollte aber jemand hier Schriften aufgeführt finden, die er. nicht zu den Zeit, und Flugschriften zählen möchte, so wollen wir nicht darüber mit ihm rechten. Denn dieser Titel. ist freilich etwas unbestimmt, so daß man ihn ebensowohl im weitern als im engern Sinne nehmen kann. Wir nehmen ihn hier in jenem und führen daher zuerst eine Schrift auf, die sich zwar schon durch ihre Gestalt als Zeitschrift ankündigt, aber offenbar einen höhern Zweck hat, als bloß ein flüchtiges Interesse des Augenblicks zu befriedigen, nämlich ;

XVIII.

Archiv des heiligen Bundes. Enthaltend die den= felben betreffenden Aktenstücke, Literatur, Nachrich= ten und Urtheile. Herausgegeben von zwei Freunden. Erstes Heft. München bei Karl Thies nemann. 1818. XII u. 164 S. 8. (Preis 16 Gr.)

Da schon so mancher unheilige Bund sein eignes Archiv be

kommen, so durfte wohl auch der heilige Bund darauf Anspruch

machen, daß man alles seinen Ursprung und Fortgang, seine Wirksamkeit oder Unwirksamkeit, so wie seine Beurtheis lung Betreffende in einem besondern Archive niederlegte. Es war daher ein glücklicher Gedanke der zwei ungenanns. ten (hoffentlich sich bald nennenden..... denn wozu hier Anonymität?) Freunde, ein solches Archiv für den H. B. an: zulegen. Mit Recht erklären sie diesen Bund in dreifacher: Hinsicht nämlich, wegen der Persönlichkeit seiner Stifter und Theilnehmer, wegen der Zeit seiner Entstehung und wegen seines ganz eigenthümlichen Inhalts und Zwecks für eine der merkwürdigsten geschichtlichen Erscheinungen. Der Plan, den sie für ihr Archiv entwarfen, ist recht verständig angelegt. Jedes Heft, deren drei einen mit einem Register zu versehens den Band bilden sollen, wird in drei Abtheilungen zerfallen. Die erste wird die Diplomatik und Geschichte des Buns des, die zweite dessen Literatur, und die dritte das ihn bes treffende Ueber, Für und Wider enthalten.

In dem vor uns liegenden 1. H. findet sich unter Nr. I. die Stiftungsurkunde des H. B., französisch und deutsch, und das Manifest, wodurch der K. Alexander die Abs schließung des H. B. in seinem großen Reiche bekannt machte und jene Urkunde in allen Kirchen desselben abzulesen befahl, bloß deutsch. Daß eine solche Bekanntmachung einzig und allein von Seiten Rußlands geschahe, ist auch ein merkwürdis ges Zeichen der Zeit. Man ersieht daraus wenigstens soviel, daß es dem Beherrscher Rußlands voller Ernst mit der Sache ift. Das folgende Heft soll unter dieser Abtheilung die Beis. trittsurkunden der eingeladenen Könige, Fürsten und Staas ten diplomatisch genau und in chronologischer Ordnung liefern. Wir wünschten, daß die Herausgeber auch die ablehnenden Erklärungen Großbritanniens, Nordamerikas und andrer eingeladenen, aber nicht beigetretenen Staaten, soweit sie öffents lich bekannt worden, mittheilen möchten. Denn auch dieses Ablehnen gehört ja wohl zur diplomatischen Geschichte des H. B.

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Unter Nr. II. hätten wir erwartet, die Literatur des H. B. ebenfalls in chronologischer Ordnung aufgeführt zu sehn. Denn es ist selbst in geschichtlicher Beziehung nicht unbedeutend zu wissen, auf welche Weise der H. B. von den Schriftstellern unsrer Zeit ist beurtheilt worden und welche Mäns ner sich zuerst bemüht haben, der öffentlichen Meinung in Bes zug auf den H. B. eine bestimmte Richtung zu geben. Die Herausgeber haben aber jene Ordnung nicht beobachtet. Ohne einen Grund desfalls anzugeben, sagen sie in der Vorrede S. IX, daß die Schriften von Krug und Willemer erst im 2. H.

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