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Griechen waren, daß die drei ersten kanonischen Evangelien, von welchen das Evangelium des Matthäus ursprünglich syrochal däisch geschrieben, nicht früher als um die Mitte des ersten Jahrhunderts verfaßt und daß, der alten mit Unrecht verwor fenen Sage zufolge, von Markus das mündliche Evangelium des Petrus, vom Lukas das Evangelium des Paulus geliefert sei. Dieß lehtere wird auch durch innere Gründe außer Zweiz fel gefeht. Am Schlusse dieses Abschnitts verbreitet sich der Verf. sehr lehrreich über die Eigenthümlichkeiten des Evange liums Johannis und zeigt einleuchtend, wie auch jene sehr be friedigend aus der Annahme, daß in den ältesten Zeiten des Christenthums ein gewisser, obgleich nicht scharf begrenzter Cy. klus evangelischer Erzählungen in gleicher Form und gleichem Ausdruck mündlich vorgetragen wurde, sich erklären lassen. Die Untersuchung des Verf. führt zu dem Resultate, daß Johannes den allgemein verbreiteten Erzählungscyklus, den auch die drei ersten Evangelisten der Hauptsache nach enthalten, voraussche und zu diesem ein Supplement und zwar für mehr gebildete, mit alexandrinischen Philosophemen bekannte Leser habe_schreiz ben wollen. Hieraus erklären sich zugleich einigermaaßen die daraus hervorgehenden Schwierigkeiten, daß Ignatius und Poz lykarpus, Schüler des Apostels, dieses Evangelium nicht nament lich auführen, daß Gnostiker, Valentin und Herakleon, die ersten Zeugen für dieses Evangelium sind, dessen Aechtheit ina deß die kleinasiatischen Persbyter niemals leugneten.

In der Einleitung zu dem zweiten Haupttheile der Schrift: über den Gebrauch der schriftlichen Evangelien in der ,,crsten Kirche, und über die Kanonifirung unserer vier Evans gelien," bemerkt der Verf. sehr richtig, daß diese Untersuchung, außer ihrer eigenthümlichen historischen Bedeutung, auch in so fern Wichtigkeit habe, als sie einen Prüfstein für die Hypothe fen darbietet, welche man über die Entstehung der Evangelien aufgestellt hat. Hierauf sucht der Verf. überzeugend darzuthun, daß sowohl die Meinung der ältern Theologen, nach welcher die vier kanonischen Evangelien vom Anfange an in den Hån den aller orthodoren Christen gewesen und allein von diesen gez braucht seyn sollen, als auch die von neuern Theologen behaup. tete Meinung, daß vor Einführung des jeßigen Kanons apoz kryphische Evangelien im Gebrauche der Kirche gewesen wåren, zureichender Gründe ermangle. Dagegen zeigt der Verf. sehr gründlich, daß die älteste Kirche keine Syngraphen des Evan: geliums, sondern allein das alte Testament als heilige und kirch: liche Schrift neben der mündlichen Tradition gebrauchte und daß diese Annahme sowohl mit den vorhandenen Nachrichten der

ältesten Kirchenlehrer, als mit dem Geist der damaligen Zeit aufs vollkommenste übereinstimme. Die folgende Untersuchung führt zu dem Resultat, daß die ältesten Zeugnisse für den Ges brauch der vier Evangelien in dem westlichen Kleinasien, Rom und den damit in Verbindung stehenden Gemeinden um die Jahre 170-200, und die Art und Weise, wie jene Zeugnisse davon reden, über die Mitte des zweiten Jahrhunderts den 'Zeitpunkt hinabrücken, wo die vier Evangelien zuerst kirchlichen Gebrauch erhalten haben. Den Umstand, daß bei Håretikern, als Cerinth, Basilides, Karpokrates und Marcion, weit früz her als bei den Orthodoxen sich gewisse Evangelien als heilige Schriften und als Erkenntnißquellen ihres Glaubens sich finden, crklärt der Verf. unter andern sehr richtig daher, daß jene mit mehr wissenschaftlicher Bildung zum Christenthum übertraten und durch diese zu dem Wunsche einer historischen Beurkundung des Lebens und der Lehre Jesu und einer philosophischen Begrüns dung der lehtern veranlaßt werden mußten, während die übris gen Christen in dem Evangelio mehr Nahrung für ihr Herz suchten, und diese in der mündlichen Tradition genügend vorfanz den. In den wissenschaftlich Gebildeten mußte dagegen das Verlangen entstehn, die Geschichte und Lehre Jesu der Tradis tion, in welche doch immer Irrthümer, Weglassungen und Zuz säße einschleichen konnten, zu nehmen, sie schriftlich zu firiren, um ein festes Substrat zur genauen historischen Kenntniß und zum philosophischen Nachdenken zu gewinnen. Sie hätten durch die schriftlichen Evangelien der Jünger Jesu allerdings ihre Wünsche befriedigen können; aber entweder kannten sie diese nicht, oder sie legten zur Beurtheilung ihrer Aechtheit „ein falsches Kriterium an, nămlich die Uebereinstimmung mit ihrem dogmatischen Systeme", und so suchten sie nun durch ihre frühern philosophischen Ansichten die wenigen dogmatischen Lehren des damaligen Christenthums zu begründen und zu bez stimmen, indem jeder aus der auf ihn gekommenen Tradition das mit seinem System Harmonirende als ächt aussonderte, an: deres durch gewaltsame Interpretation mit seiner Dogmatik vers einigte, manches als unächt ganz verwarf. Solche ausgeschie dene Stücke des Evangeliums wurden dann in den verschiedenen Secten zu kanonischem Anschn erhoben. Je mehr aber dergleis chen håretische Evangelien Ansehn gewannen, desto dringender wurde zugleich bei den Katholikern das Bedürfniß, jenen ächte schriftliche Evangelien entgegen zu sehen und so wurde auch daz durch die Einführung der vier kanonischen Evangelien, welche meistens von dem Willen der einzelnen Bischöfe und Gemeinden abhing, bedeutend erleichtert.

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Möge der mit so rühmlicher Sachkenntniß, Unbefangens heit und Gründlichkeit forschende Verf. Zeit und Aufmunterung finden, manchen hier nur kurz oder gar noch nicht berührten verwandten Gegenständen fortgeseßte Untersuchungen zu widz men, z. B. einer umfassenden Erklärung des mythischtraditionel len Charakters der Darstellung, welcher in den, doch zum Theil von Augenzeugen verfaßten, Evangelien vorherrscht, einer ges nauern Ausmittelung des Verhältnisses der kanonischen und apokryphischen Evangelien zu einander, und ähnlichen hierher gehörenden Erörterungen. R. D.

XIII.

Gespräche über das Böse. Aufgezeichnet von Johann Friedrich Herbart, Professor der Philosophie zu Königsberg. Königsberg bei A. W. Unzer. 1817. VIII. u. 184 S. 8. 16 Gr. Von den ältesten Zeiten her sannen die Menschen über den

Ursprung des Bösen, und bis in die spätesten Zeiten werden sie darüber sinnen. Denn es ist Bedürfniß der Menschenseele, über den Widerstreit des Guten und Bösen, den sie in sich und außer sich findet, mit sich selbst einig zu werden, und dar: über durch Wissenschaft oder Glauben, durch deutliche und bes stimmt ausgesprochene Lehre oder durch unbestimmte, mythisch oder symbolisch dargestellte Ahnung, irgend einen Gedanken, eine Ansicht, eine Ueberzeugung zu gewinnen. Daher auch die vielen Schriften, welche Belehrung hierüber versprechen, und eben daher die Aufmerksamkeit, worauf solche Schriften, wenn sie nur nicht die Beweise der Oberflächlichkeit oder des Leichts finns an der Stirne tragen, immer rechnen dürfen. Auch in der neuesten Zeit ist viel über die Natur des Bösen, seinen Ursprung und sein Verhältniß zum Guten gedacht worden; das beweisen die Betrachtungen und Forschungen, welche nicht wenige Lehrbücher der Sittenlehre und andere, Mehreres um: fassende, Schriften darüber enthalten.

Auch vorliegende Schrift hat sich die Lösung dieser schwes ren Fragen zum besonderen Zwecke gemacht und dazu die Form des Gespräches gewählt. Mit Kraft und Gewandheit hat sich Hr. Prof. Herbart dieser Form bemächtigt. Der lebhafte Fortgang der Gespräche und das ungezwungene Inein:

andergreifen der Gedanken der redenden Personen zieht die Les ser mit in ihren Kreis hinein und fesselt ihre Aufmerksamkeit bis zum Ende. Durch den Inhalt aber möchten sich dann doch nur wenige ganz befriedigt fühlen. Zuerst wird Spinoza's System scharf und lebhaft angegriffen. Auf dem Boden dess selben sey weder das Gute noch das Böse, sondern bloß das Gemeine zu finden; Spinoza's größter Fehler liege darin, daß er, der nichts weiter als eine Naturansicht besessen, es unters nommen habe, eine Ethik zu schreiben — diese Behauptungen sind das Resultat der ziemlich ausführlichen Kritik dieses Sy stems. Der Verf. hat sich's ein wenig leicht gemacht, seinen Spinozisten zu erschüttern; er läßt ihn schon vom Anfange des Gesprächs an schwanken und gar bald in Verlegenheit und Unruhe gerathen. Doch dürfen wir uns seiner hier nicht ane nehmen; auch nicht zeigen, wie Kant's Lehre von dem radikas len Bösen und Fichte's Lehre von der Trägheit als dem Grunde alles Bösen bestritten wird, weil für unsern Zweck die Mits theilung und Beurtheilung der eignen Ansicht des Verfassers von dem Ursprunge des Bösen wichtiger ist. Wir nehmen das bei an, daß Lothar, der in diesen Gesprächen hauptsächlich den Streit wider Spinoza, Kant und Fichte führt und am Ende seine eigene Ueberzeugung von dem Ursprunge des Bösen mits theilt, den Verfasser selbst vorstelle.

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Die Anfangspunkte des Lobes und Tadels, und die des Seyns und Geschehens müssen unterschieden werden. Denn Seyn und zwar nicht etwa bloß die zeitliche Wirklichkeit, sondern das wahre Seyn selbst, das zeitlos: Intelligible — und Sollen sind zwei Begriffe, die zwar nicht einander zuwider, aber auch auf keine Weise mit einander so verknüpft sind, daß man von einem auf den andern schließen könnte. Gutes und Böses sind demnach nicht Begriffe der Erkenntniß, sondern der Beurtheilung; nicht Prädicate des Seyenden, wiefern es ist, sondern Bezeichnungen der Art und Weise, wie ein möglicher oder wirklicher Gegenstand von einem gegenüber stehenden Zus schauer aufgefaßt wird. Daher auch die Mannigfaltigkeit des Guten und Bösen; sie entspringt aus der Verschiedenheit der Reflexionsstufen, denen es angehört. Nicht in einem ursprungs lichen Geschehen hat das Böse seinen Sih. Das ursprüng liche Geschehen ist viel zu einfach, um Böse seyn zu können; erst indem ein mannigfaltiges Geschehen zusammentrifft, kann vom Bösen die Rede seyn. Es muß sich erst in den Seelen der Menschen und anderer ähnlicher Vernunftwesen aus Vors stellungen Begierde entwickeln, und die Begierde muß in irgend welche Mißverhältnisse gerathen, wenn ein böser Keim ent:

stehen soll. Daraus aber ist nicht zu schließen, daß das Böse selbst zur Erscheinung gehöre. Die ganze Disjunction wiz schen der intelligiblen und Erscheinungs: Welt ist äußerst mans gelhaft; sie läßt gerade das Wichtigste aus, nämlich die innern Zustände der einfachen Wesen, die zwar in gewissen Zeitpunks ten entstanden, dennoch aber selbst gar nicht zeitlich, sondern beharrlich, und nur einer gegenseitigen Hemmung zugänglich find, wenn nämlich ihrer mehrere und entgegengeschte in ciz nem und demselben Wesen zusammentreffen. Hier nun ist eben das Reich des Guten und Bösen; während die einfachen We: sen selbst, oder das eigentliche Seyende, uns eben so gleichgül tig als unbekannt sind. Es verhält sich mit dem Guten und Bösen wie mit den Metallen, den edeln sammt den unedlen; fie finden sich eben so wenig in den Urgebirgen als in der Dammerde. Auch durch Vergleichung mit unserer Erfahrungsz erkenntniß von der Sonne und dem Monde läßt sich das deutlich machen. Wir müssen dabei die Wirklichkeit gewisser Materien und Beschaffenheiten des Mondes und der Sonne voraussehen, um daran die Erfahrungen, welche unsere Fern: röhre, unsere Augen und unsere Rechnungen uns verschaft has ben, anknüpfen zu können. Was ist nun diese Wirklichkeit, die keinen Zuschauer hat? Bloße Erscheinung kann man sie nicht nennen, denn eine solche muß ein Subject haben, dem sie erscheint. Für eine bloße Verlängerung unserer Gedanken können wir sie auch nicht halten, denn das hieße soviel als be: haupten, Sonne und Mond seyen durchaus in der Wirklichkeit nichts weiter als das, was uns davon sichtbar wird. Wir wer den also wohl zu den Verstandeswesen unsere Zuflucht_nehmen müssen, die den Sinnenwesen correspondiren. Das Ding, an fich, oder die Dinge an sich, wenn es deren mehrere giebt, müssen ja doch auf irgend eine, freilich unbekannte, Weise die Grundlage zu den Erscheinungen hergeben. Die unbekannten Tiefen des Mondes und der Sonne treten in Paraliele mit dem eben so geheimnißvollen Innern unseres eigenen Geistes. Auch hier ist eine Verlängerung wirklicher Erfahrung, nicht durch eine mögliche, sondern durch eine unmögliche, weil kein endliches Vernunftwesen den Standpunkt gewinnen kann, auf welchem diese Erfahrung wirklich zu machen wäre. Dennoch aber ereignet sich das, was in den Kreis der inneren Wahrz nehmung nicht mit eingeht, und was chen darum auch durch keinerlei Zergliederung darin kann nachgewiesen werden, wirk lich in uns; denn es wird wirklich in dem intelligiblen Wesen, das wir unsere Seele nennen.

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