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der dadurch veranlaßte unangenehme Eindruck mischt sich unwills kührlich in die Beurtheilung des Gegenstandes selbst. Daher entstehen häufig so viele schielende Ansichten; die Beschränktheit Spiegelt sich nur zu gern in ihrer eingebildeten Bedeutsamkeit, während die Verurtheilten — oft von verschiedenem innern Werth übersehen vorüber wandeln. Ueberhaupt sind wahre mili tärische Intelligenz und Kriegsfertigkeit himmelweit verschieden von äußerer Haltung und den sogenannten Friedenskünsteleien, welche dem denkenden Manne sogar einem Widerwillen gegen seine künftige ernste Bestimmung einfldßen könnten, wenn nicht glück; licherweise die Erfahrung lehrte, daß jene Künsteleien mit allen ihren Attributen im ernsten Waffenspiele nur zu oft wie Spreu im Winde verfliegen. (Man erinnre sich nur an den Einzug der sogenannten Löffelgarde in Berlin, wie sie aussah, und von wo sie herkam). Das Jahr 1813 hat dagegen gelehrt, daß ge diente Offiziere, welche längst dem Dienst entsagt hatten, und vielleicht nicht mehr in die zeitgemäßen Formen zu passen schie nen, dennoch das in sie gesehte Vertrauen zur Zeit der allge: meinen Noth des Vaterlandes durch wahrhafte Brauchbarkeit auf die chrenvollste und nüßlichste Weise zu rechtfertigen wuß ten, während mancher Moderne höchstens bei den verschiedenen Stäben zum Telegraphiren paßte.

Das Streben nach ächter militärischer Intelligenz ist in keiner Armee so sichtbar als in der preußischen. Man glaube aber ja nicht, daß sich dasselbe auf die Linie allein einschränkt, vielmehr ist es über alle Zweige der kriegerischen Institutionen verbreitet. Im Gegentheil, je größer die Garnisonen sind, desto weniger kümmert man sich darum, weil die Zeit mit an dern Dingen umgeht.

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Es sey erlaubt, folgende kleine Abschweifung hier einzus schalten. - Die Zeit bleibt im immerwährenden Vorschreiten, und still stehen heißt zurückgehen; besonders ist dies mit der Kriegskunst der Fall. Da nun alljährlich eine Menge Offiziere aus der Armee ausscheiden, (im Jahre 1843. 46 Stabsoffizire, 17 Hauptleute und 180 Subalternen) auf deren Dienste der Staat bei ausbrechendem Kriege wieder rechnet, diese aber nach einigen Jahren nothwendig nach und nach fremd im eignen Heere werden müssen, so kam' es darauf an, ihnen einen Weg: zu eröffnen, um, was der Franzose au courant des affaires nennt, zu bleiben, mit andern Worten, ihnen eine Gelegenheit zu geben, sich mit allen Veränderungen bekannt zu machen, welche in taktischen und solchen Beziehungen in der Armee vorgehen, die auf dereinstige Kriegsleistungen wesentlichen Einfluß haben (denn oh die Trommelwirbel einmal oder zweimal durchgeschla

161 gen werden, kann ihnen im Ganzen höchst gleichgültig seyn). Es wäre also wünschenswerth, daß alljährlich ein Supplement zum Ererzir und Dienstreglement von einem intelligenten Offiz zier bearbeitet würde, worein alle jere Veränderungen aufgenom men wären. Für die Landwehr wird, so viel man weiß, gegens wärtig ein Dienstbuch von einem ausgezeichneten Offizier bears beitet. Beides zusammen müßte ein sicherer Bürge werden, daß es dem Staate einst an unterrichteten Offizieren nicht fehlen würde, und das Manipularische wird sich dann ja auch wohl finden.

Wenn nun der Verfasser ferner von der Landwehr sagt, daß sie bei einem ausbrechenden Kriege doch zur Hälfte aus uns geübten Leuten bestehen würde, so scheint, von unserm Stand: punkte ausgesehen, dies kein sonderlicher Nachtheil mehr, eins mal weil jene Ungeübtheit alsdann in weit geringerm Maaße statt finden würde (nåmlich wenn das Erziehungswesen mit der Kriegsverfassung in enge Berührung gebracht wird), und zweis tens weil es überhaupt schon ein Vortheil ist, daß wenigstens eine Hälfte gedient hat, welche selbst kriegsgeübter ist als die Leute des stehenden Heeres. Die Vorsicht, die Landwehr den Linienregimentern einzuverleiben, wäre nach allem diesen gar nicht cinmal nothwendig, wenn der damit beabsichtigte Zweck auch nicht schon durch die in der Preußischen Armee eingeführte Bris yadeaufstellung erreicht würde, wo die Landwehr und Linientrups pen in den verschiedenen Treffen taktisch mit einander verbun: den sind. Hatten die Oestreicher auch wirklich im Jahre 1813 teine Landwehren in die erste Linie gestellt, so haben sie dies selben zu andern Zwecken verbrauchen müssen, wozu freilich nicht gerade die geübtesten Truppen erforderlich sind. Preußen aber, welches seine Landwehren zu den Schlachten brauchte, hat sie auch im Allgemeinen mit gutem Erfolge dazu verwendet. Einz zelne Beispiele beweisen nichts dagegen, und andere sind wieder von so glänzender Art, daß sie jedes Linienregiment ehren würz den. Die Landwehren an der Kazbach, bey Leipzig, Warten: burg, Gr. Beeren, Hagelsberg, Dennewiß, vor Wittenberg, Torgau und bei Rheims haben sich mit unvergänglichem Ruhm bedeckt. Eine durch die Noth übereilte Organisation, Mangel an Kleidungs und Waffenstücken, und vielleicht mitunter vers fehlte Führung haben im Einzelnen die Landwehren öfters in ein nachtheiliges Licht gestellt. Und dennoch ertrugen sie in dem bedürftigsten Zustande, ohne Schuhe, barfuß gehend, im Oktos ber und November 1813 die beschwerlichsten Märsche, beson

ders die über das Erzgebürge zur Schlacht von Leipzig, mit mus sterhafter Hingebung, wo Kriegszucht allein nicht durch Furcht vor Strafe oder Hoffnung zur Belohnung ausreicht. Man wird sagen: das war ihre Schuldigkeit! gut. Aber sie haben sich wenigstens dadurch einerlei Recht der Würdigung mit den Li nientruppen erworben. Mögen immerhin einzelne Unberufene oder Muthlose heimgekehrt seyn; was bei den Fahnen verblich war um desto chrenwerther.

Aber, hören wir fragen, wird jener Enthusiasmus einer aufgeregten gährenden Zeit, der diese Resultate erzeugte, auch wiederkehren? Dieser Enthusiasmus und diese Resultate sind der Stolz der Nation geworden, und haben einen Geist zurück: gelassen, welcher ihr ganzes inneres Leben durchdrungen hat, der als fruchtbarer Entwickelungsstoff fortwährende Blüthen einer ruhmvollen Thätigkeit hervorbringen wird, und in dieser Hin sicht eben als der schönste und bleibendste Gewinn jenes ehrens vollen Kampfes zu betrachten ist.

Nach diesen Ansichten über den Werth der Landwehr erz giebt sich von selbst die nußlose Bemühung, eine Armeeverfassung aufzustellen, bey welcher jene wieder von dem Schauplahe abtreten soll, den sie bisher eben so ehrenvoll als erfolgreich be: treten hatte. Auch finden sich überdies in der vorgeschlagenen Verfassung einige wesentliche Mängel, die nicht unberührt bleis ben dürfen.

In den allgemeinen Bestimmungen will der Verfasser die Studirenden von der Aushebung verschont wissen, und sie das gegen bei entstehendem Kriege in freiwillige Jägerdetaschements formiren. Hier widerspricht er sich offenbar selbst, denn im ersten Abschnitte seines Werks läßt er sie durchaus nicht als ein Produkt tiefer Weisheit gelten und überdies ihren geleisteten Nußen dahin gestellt seyn. Was aber damals konsequent erschien, ist bey dem jezigen Standpunkte der Nation nicht mehr noth wendig. Es wäre vielmehr jeßt ein zweckwidriger Misbrauch, gerade diejenigen Jünglinge, deren Ausbildung sie zu Offizier: stellen eignet, in den vorgeschlagenen, ihren Eigenschaften so unangemessenen und untergeordneten Wirkungskreis zu bringen. Der Verfasser sagt, er wüßte keinen andern Ausweg; denn wollte man sie in die Regimenter einstellen, so würden diese beim Eintritt des Friedenszustandes durch ihre Entlassung einen zu starken Abgang erhalten. Dieser Einwurf ist wohl nur sehr untriftig zu nennen und überhebt von selbst der Mühe ihm zu begegnen. Dagegen ist nicht klar, was verhindern sollte, diese jungen Leute wirklich in die Regimenter aufzunehmen, wo sie

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erstlich einzeln zerstreut mehr physische Schonung genies ßen, und zweitens ungleich mehr berücksichtigt werden könnten, als wenn sie in großen Haufen vereinigt sind. Die bestehende Einrichtung, ein Jahr einzutreten, giebt ihnen schon Gelegen: heit, sich, ihrer Civillaufbahn unbeschadet, zum dereinstigen Krieger vorzubereiten und versichert dem Staate zugleich eine große Anzaht hoffnungsvoller Offiziere. In ihrer wiewohl nur kurzen Dienstzeit lernen sie mehrentheils das Wesen des Kries gerstandes kennen, und ein daraus entstehender Hauptgewinn ist vornehmlich die Befreundung mit demselben, der früher ganz abgesondert dastand. Bekannt geworden mit dem innern Wesen, den Vorzügen und Beschwerden, lernen sie ihn würdigen und schäßen. Durch den Eintritt in das stehende Heer erfahren sie, daß so manche überflüssig scheinende Sache dennoch einen wesents lichen Werth habe und begriffen seyn will, und sie werden das durch auf den Standpunkt gebracht, einzusehen, daß die Be stimmung des Kriegers eine mannichfaltige Entwickelung und Ans strengung seiner geistigen und körperlichen Kräfte erfordern. Deshalb werden sie auch um so mehr sich veranlaßt finden, nes ben ihren Hauptstudien von den Militairwissenschaften wenige stens die Kriegsgeschichte als eine Nebenbeschäftigung zu betreis ben, welches ihnen und dem Staat einst so nüßlich werden kann. Widmen sich doch viele denkende Männer aus bloßer Liebhaberek cinem Nebenstudium, warum sollte dies nicht hier der Fall sein können, wo künftig Ehre und Leben davon abhängen möchten? - und sollen wir denn die mehrfachen Wissenschaften und Kennts nisse, welche diese Jünglinge dem Kriegerstande dann als Mit: gabe zubringen, für nichts rechnen? Selbst die den Kriegswis: senschaften scheinbar am meisten entgegengesezten wird der gebildete Mensch _in_jeder Lage_seines Lebens, also auch als Offizier, zum Vortheil seines Berufs zu verwenden und zu benußen wissen. Es ist nicht mehr so wie ehemals, wo ein Offi= zier, der das Reglement inne hatte, seinen Namen schreiben konnte und ein rüßtiger Ererziermeister war, mit dem so freige: bigen Namen eines brauchbaren Offiziers belegt wurde. Mit der Bildung des Offiziers als Offizier ist jeht die allgemeine als Staats bürger eng verflochten; denn wozu diente sonst die königliche Vor: schrift zur Examination der Portepecfähnriche zu Offizieren? Wozu braucht der junge Mensch z. B. Geschichte? Ober die Kaiser und Könige an den Fingern herzählen kann oder nicht, damit wird er keinen Feind schlagen! Es muß also doch wohl ein hdheres Prinzip hierbei das leitende seyn, sonst würden diese Vorschriften, das Resultat sich bewährender Weisheit, nicht eris

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stiren *). Denn daß es auch Offiziere ohne diese allgemeine Bildung geben kann, hat die frühere Zeit bewiesen, wo jungen Edelleuten das Fähnrichspatent mitunter als Pathengeschenk eins gebunden ward. Der Verfasser scheint S. 49 ebenfalls unserer Meinung zu seyn, und doch geht er S. 53 offenbar zu weit, wenn er den Landwehroffizier für ein unseliges Mittelding zwis schen Bürger und Soldat erklärt. In Staaten, deren allge: meine Politik nur auf Eroberungskriege hinweiset, mag dem so seyn, indessen in ihnen wird dann auch immer eine gewisse Stufe des Barbarismus sichtbar bleiben, wie z. B. in Rußs land, und in der lehten Zeit von Bonaparte's Regierung in Frank, reich. In einem Staate aber wie der Preußische, dessen Poz litik sich zehnmal für einmal öffentlich und unzweideutig über diesen Punkt ausgesprochen hat, würde man cher geneigt seyn, den Krieger, der nichts als Soldat ist, für ein unseliges Mit: felding zu erklären. Der Verfasser hat sehr Recht, wenn er S. 53 sagt, daß kein Vernünftiger Jemanden, der z. B. die Rechte studirt hat, eine chirurgische Operation zumuthen wird; aber er irrt, wenn er ebendaselbst glaubt, daß irgend ein Vers nünftiger das weitläuftige Gebiet dessen, was der Offizier wiss sen muß, für so gering achtet, daß es in einigen Wochen durchs laufen werden könne. Wer übrigens nicht eignen Trieb und Lust hat, in diesem Gebiete zu wandeln, dem hilft es auch hichts, wenn er im stehenden Heer alt und grau würde, und wer diesen Trieb besißt, wird ihn kultiviren, er trage ein Kreuz am Chako oder keins. Auf ähnliche Weise verhält es sich mit dem esprit de corps, vom Verfasser ein mystisches Etwas gez nannt, das jeder Soldat wohl fühlt, ohne es eben klar bezeich nen zu können. Das esprit de corps ist ein Produkt, dessen einer Faktor die Zeit ist. Nicht das Institut der Landwehr, sondern das unaufhörliche Herumwerfen der Offiziere untergråbt es, und annullirt eins der schönsten und ehrenwerthesten Attri bute militairischer Verbindungen, die Kameradschaft. Wer mag sein Verhältniß liebgewinnen, wenn er mit jedem Tage ein andres gewärtigen muß! Wie vermögen sich Bande der Einz tracht, Anhänglichkeit und Liebe der Offiziere untereinander, und der Soldaten zu ihren Offizieren und so umgekehrt, zu schlingen, die in Noth und Tod noch festhalten, wenn täglich

*) Leider ist man von diesem Prinzip noch nicht allgemein durchdrungen, oder- was noch übler ist man scheint sich absichtlich wie der davon entfernen zu wollen. Wie wäre es sonst erklärlich, daß man auf den Ererzierplågen, wenn ein Offizier einen kleinen taf: tischen Fehler macht, mitunter den vorwurfsartigen Ausdruck hört: Das ist gewiß ein Kriegsschüler!!

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