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bloß als unsre Ansicht zur Prüfung des Verf. sowohl als der Leser niederlegen wollen.

Wenn der Verf. von einem falschen Razionalis mus redet, so muß es auch einen wahren geben. Dieser aber müßte wohl schlechtweg Razionalismus heißen. Denn wie es nur eine (wahre) Tugend gibt, so gibt es auch nur eine (wahre) Vernunft. Was dieser widerstreitet, ist irras zional im eigentlichen (nicht im mathematischen) Sinne. In Bezug auf Religion gibt es daher zuvörderst wohl nur zwei Hauptdenkarten oder Ansichten, eine vernünftige (razionale) und eine unvernünftige oder vernunftwidrige (irrazionale). Was also der Verf. falschen Razionalismus nennt, wäre richtiger Grrazionalismus zu nennen. Denn wäre das, was ein jener religiosen Denkart ergebner Mensch glaubt oder lehrt, razional, so könnt' es nicht zugleich falsch sein, und umgekehrt. Die Vernunft kann nun und nimmermehr als wahr und gültig anerkennen, was ihren ursprünglichen Ideen und Prinzipien widerstreitet, und es wäre thörig, der Vernunft als solcher den Krieg in irgend einer Hinsicht anzukündigen, weil dieser Krieg von Seiten des Gegners nur mit Waffen der Unvernunft geführt werden könnte, die so hölzern oder bleiern find, daß sie bald zersplittern oder stumpf werden müssen. Wer daher den Irrazionalismus verficht, der mag sich nur über kurz oder lang auf gänzliche Niederlage gefaßt machen. Indessen will auch niemand für einen Verfechter des Jrrazionalismus angesehen sein was, beiläufig gesagt, schon so viel heißt, als dem Razionalismus das Feld råumen — sondern man macht lieber andre Gegensäße, welche der Sache ein andres Anschn geben und, wo möglich, den unvorsichtigen Gegner täuschen sollen.

Ein solcher Gegensatz ist der zwischen Naturalismus und Supernaturalismus. Allein zwischen diesen findet gar kein Gesensah statt, sobald sie beide razional sind. Sind fie aber irrazional, so sind sie freilich einander entgegenges scht, weil die Unvernunft sich immer selbst widerspricht; sie sind aber auch dann beide gleich verwerflich. Darauf deutet auch der Verf. hin, indem er von einem unechten (also unvernünftigen) Supernaturalismus redet und bloß dies sen verwirft, mithin annimmt, daß es auch einen echten (also vernünftigen) geben könne. Beim Naturalismus macht er zwar keinen beschränkenden Beisaß, sondern er verwirft diesen schlechtweg. Allein es ist offenbar, daß, wenn es einen ed) s ten und unechten Supernaturalismus gibt, es auch einen echten und unechten Naturalismus geben, und

daß beide fich als wirklich entgegengeseßte Denkarten zu eins ander verhalten müssen, wie Razionalismus und Irra: zionalismus. Auch gesteht der Verf. selbst mitten in seiz ner Bekämpfung des Naturalismus (S. 213), daß es einen wahren (also vernünftigen) Naturalismus gebe.

Sonach lösten sich jene zwei Hauptdenkarten nicht in drei, sondern vier untergeordnete religiose Denkarten oder Ansichten auf, die wir mit Beibehaltung der einmal angenommenen Kunstworte so bezeichnen wollen:

1) razionaler

2) irrazionaler 3) razionaler

4) irrazionaler

Naturalismus.

Supernaturalismus.

Der razionale Naturalismus erhebt sich von der Natur zu Gott oder betrachtet die Sinnenwelt mit religiosem Gemüthe als das Werk einer höchsten allumfassenden Weisheit und Güte, nach dem, auch vom Verf. angeführten, Sprüche des heiligen Sängers: Die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Beste verkündigt seiner Hånde Werk." Der Mensch könnte sich aber vom Sichtbaren (der Natur) gar nicht zum Unsichtbaren (der Gottheit) erheben, er könnte jenes gar nicht mit religiosem Gemüthe auf dieses beziehn, wenn er nicht schon in seinem Gemüthe selbst etwas Höheres, Ues bersinnliches und Nebernatürliches, fände, das ihn eben zu jener Erhebung oder Beziehung nöthigt. Dieß ist das Gesch der Vernunft, das sich im Gewissen als die Stimme Gottes, als das Gebot eines heiligen Gesezgebers und gerechten Richters ankündigt. Hieraus geht der razio: nale Supernaturalismus hervor, der sich also mit dem razionalen Naturalismus nicht nur sehr wohl vertrågt, sondern auch auf das Innigste an denselben anschließt, so daß sich beide gegenseitig unterstüßen und tragen. Das religiose Gemüth sucht und findet demnach Gott überall, es sucht und findet ihn auch in der Menschengeschichte, besonders in jenen au ßerordentlichen Thatsachen, wodurch der Menschheit ein höheres Licht von oben aufging, wodurch sich die Gottheit selbst als Lehrerin und Erzieherin der Menschheit offenbar tc. Die heiligen Schriften, welche davon erzählen, betrachtet daher das religiose Gemüth als die Urkunden dieser Offenba: rung, als ein äußeres Wort Gottes, wodurch das innere zu einem lebendigern Bewußtsein erhoben wird. Das innere bleibt aber doch der nothwendige Prüfstein des äußern, weil sonst je: des äußere Wort (z. B. das eines Muhamed oder eines Pape

stes) dem religiosen Gemüthe als ein göttliches aufgedrungen werden könnte. Wenn daher auch eine Schrift, die sich als heilige Urkunde göttlicher Offenbarung darstellt, nicht aus: drücklich zur Prüfung auffoderte-wie es doch unsre christliche Religionsurkunde wirklich thut so müßte sie sich doch gefals len lassen, daß jeder von uns nach seiner Fähigkeit untersuch te, ob sie denn auch mit Recht jenen Anspruch mache, was sie eigentlich lehre und wieferne diese Lehre Gottes würdig sei. Wie soll aber diese Untersuchung anders angestellt werden, als nach eben den Grundsägen, nach welchen überhaupt von uns erkannt wird, was wahr und gut sei, also nach Grundsäßen der Vernunft? Darum eben heißt diese Denkart Razios nalismus, fie mag nun Gott auf dem naturalistischen oder auf dem supernaturalistischen Wege suchen und fins den. Denn beide Wege haben nur verschiedne Anfangs: punkte. In der Mitte laufen sie zusaminen und vereinigen sich zulcht an demselben Ziele.

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Ganz anders verhält es sich mit dem irrazionalen Naturalismue und Supernaturalismus. Folgerecht durchgeführt könnte jener nur zum Unglauben, dieser nur zum blinden oder Aberglauben führen, weil man zum wahren oder echten Glauben ohne Bernunft nicht gelans gen kann. Der irrazionale Naturalismus nämlich müßte eigentlich das Göttliche, als etwas Uebersinnliches und Uebernatürliches, gänzlich leugnen. Will er dich nicht, weil ein gewisses inneres Gefühl, das nur schwer zu unterdrücken ist, den Menschen immer zur Religion hinzicht, so muß er das Göttliche selbst in ein Sinnliches und Natürliches verwans deln, also entweder die Natur überhaupt (höchstens mit Uns terscheidung einer natura naturans und natura naturata ) vergöttern oder irgend cine in der, Natur wirksame Kraft, sie heiße nun Denkkraft oder Bewegkraft oder, substanzialer ge: dacht, Aether, Feuer, Luft :c., als die eine, alles durchdiins gende und beherrschende, göttliche Urkraft annehmen. Dadurch wird aber die wesentliche Idee der Vernunft von Gott und das damit nothwendig verknüpfte fittliche Interesse der Vers nunft aufgehoben, wenn nicht etwa durch eine gar nicht unges wöhnliche Inkonsequenz jene Idee und dieses Interesse troß der falschen Ansicht des Verstandes vom Göttlichen ihre Rechte behaupten. Die Vernunft aber kann weder die Konsequenz noch die Inkonsequenz dieses Naturalismus billigen und verwift ihn ebendarum als irrazional. So verwirft sie denn auch jenen Supernaturalismus, der weder die Rechte der Vernunft noch die Gesche der Natur anerkennen, der nur durch

Zeichen und Wunder in einer gleichsam bezauberten Welt, nur durch unmittelbares, obwohl an gar keinem unzweideutigen Merkmal erkennbares, Einwirken Gottes in die Natur belehrt und überzeugt sein will; der da verlangt, daß man glauben und bekennen, thun und lassen soll, was hier oder dort (in der Bibel oder im Koran) geschrieben steht, ohne zu fragen, wars um?der also auch dem Menschen, wie es gerade der Zufall der Geburt oder Erziehung will, mit demselben Rechte an Mos ses und Muhamed wie an Christus, an Luther und Calvin wie an den Papst, in Sachen der Religion sich zu halten gebietet. Denn wie darf man hier auch nur eine vernünftige Wahl an: stellen wollen, wenn die Vernunft keine ents che i den d e Stimme in Religionssachen hat, wenn sie nicht richten darf über das, was ihr eine angebliche Offenbarung als Gottes Wort darbietet? Man mag also diesen Supernaturalismus mit noch so frommen Redensarten ausschmücken oder mit noch so vielen und feinen Unterscheidungen verbråmen, damit man es mit der Vernunft, die man denn doch nicht füglich ent: behren kann, nicht ganz verderbeer bleibt doch immer und ewig irrazional.

Soviel über den ersten oder polemischen Theil dies ser auch äußerlich vom Verleger wohl ausgestatteten Schrift. Dem zweiten oder irenischen Theile sehen wir mit um so größerem Verlangen entgegen, je mehr zu wünschen ist, daß das Eine, was Noth thut, mit allgemeinerer Zustimmung anerkannt werde. Denn ein Menschengeschlecht, das sich in ,,den Grundansichten der Religion misversteht, misversteht sich ,,in Allem. Wenn diese Himmelstochter ihren Seegen zurück; hält das fühlt und erfährt man jeht mehr als je — so ,,tann selbst keine irdische Pflanzung gedeihen. Wer gemeins „schaftlich såen will, muß gleiche Erndten wollen, mit lich: ,,tem Sinn und festem Muth an gleiche Erndten glauben.“ Mit diesen Worten beginnt der Verf. sein Werk, und mit denselben beschließen wir auch diese Anzeige.'

·II.

Kaiser Friedrich's III. Entwurf einer Magna Charta für Deutschland, oder die Reformazion dieses Kaisers vom J. 1441. In lesbare Schreibart übertragen, mit einer geschichtlichen Einleitung und erläuternden Bemerkungen von D. Georg Wilhelm Böhmer. Mit einem Kupfer (Friedrich's Brustbild darstellend). Göttingen 1818, auf Kosten des Verf. gedruckt bei Friedr. Ernst Huth. CXXVIII. und 366 S. 8.

Unstreitig ein bedeutendes Werk -bedeutend sowohl an sich

als in Beziehung auf unsre an Verbesserungsvorschlägen und Verfassungsentwürfen so fruchtbare Zeit für dessen Mittheis lung der Verf. den wärmsten Dank aller Vaterlandsfreunde vers dient. Mit Recht bemerkt der Verf. in der Vorrede, daß die hier mitgetheilte Urkunde ein in seiner Art einziges Aktenstück sei, und daß weder die frühere deutsche Geschichte seit Karln dem Gr. noch die spåtre bis zur Auflösung der deutschen Reichss verfassung etwas Aehnliches aufzuweisen habe. Die sogenannte Reformazion K. Friedrich's III. hat nämlich das Eigenthümliche, daß sie nicht bloß den geistlichen, sondern auch den weltlichen Stand umfaßt und für beide die Grundlinien einer Magna Charta enthält, die für jene Zeit als Meisterstück gelten kann. Und doch blieb diese wichtige Urkunde fast ans derthalb Jahrhunderte im Staube der Archive begraben, und ob sie gleich nachher gedruckt und mancherlei darüber geschrie ben wurde, so beachtete man sie doch im Ganzen viel zu wc: nig und bezweifelte am Ende gar ihre Echtheit, so daß ein be: rühmter deutscher Staatsrechtslehrer und Geschichtforscher im J. 1792 behauptete, jeder Kenner der deutschen Geschichte müsse gestehn, daß bei keinem Kaiser des Mittelalters die ge ringste Spur richtiger Begriffe von zweckmäßiger Organisazion großer Staatskörper gefunden werde (Frhr. von Eggers in seinem deut. Magaz. B. 4. S. 599 in der Abh. Ehemalige Möglichkeiten aus der deut. Gesch.). Hr. D. Böhmer in Göttingen hat sich daher ein wahres Verdienst durch die neue Bekanntmachung und Bearbeitung jener merkwürdigen Urkunde erworben.

Sein Werk zerfällt sehr natürlich in drei Abtheilungen. Zuerst gibt er eine geschichtliche Einleitung in die Reformazion

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