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partielle Schlußsentenz. Dazu war nun der griechische Chor eine so passende, alles mäßigende Form bey den Alten, freylich ein ganz_andrer Chor, als der in Romeo und Julia. Jener griechische Chor erhielt im Dichter das ruhige Bewußt: seyn des sittlichen Erzählers unter der leidenschaftlichen Handlung, das Bewußtseyn der Kunst, und vielleicht war es das Seibst: gefühl in Schiller, er habe eben so, wie seine berühmten deutschen Vorgänger, im Drama sich von Nachahmung der Shaks speare'schen Unbestimmtheit zu sehr zu lebendiger. Schilderung der Leidenschaften, ohne der Weltregierung und der sittlichen Urtheilskraft ihr Recht zu geben, hinreißen lassen, welches ihn bewog, die Form des griechischen Chors späterhin anzuempfeh len, und ihre Einführung zu versuchen. Was zweytens die Kunsteinheit betrift, die Shakspeare durch das kräftige Ges fühl des Gewissens, und durch die Ahnung des Weitges richts in seine Dramen, besonders in Makbeth, Richard den dritten, Julius Caesar u. s. w. zu bringen weiß, so läßt èr dabei doch zuweilen das zu einem vollendeten Triumphe der Dichtkunst noch erfoderliche, versöhnende religiöse Gefühl des Glaubens in dessen Lebendigkeit vermissen. Nicht immer heilt der große Dichter die Wunden so kräftig, als er sie schlägt. Die Ahnung einer reinern, nicht verdammten, eridsten und versöhnten Welt, die Hoffnung einen Widerstrahl von ihr auf Erden zu finden, gleitet bey Shakspeare von fern vorüber, wie der Geisterzug guter Könige der Zukunft in Makbeth, und nicht einmal immer so deutlich. Bey dem riesenhaften, haib barbarischen Zeitalter, das der Dichter zu schildern hat, wo offenbar das christliche Prinzip mit dem heidnischen noch in eners gischem, schwerem Kampfe liegt, bey der philosophischen genias len Bitterkeit, und dem eben so bittern Wig, mit welchem die ganze Menschenwelt in den kräftigsten Steilen, wie ein sittli ches Chaos, behandelt wird, dürft' es wohl schwer werden, den Glauben an eine nicht von bösen Dämonen besessene Mensch heit, an eine mit der Menschheit verbundene göttliche Natur, aus Hamlet, Othello, Lear u. s. w. unversehrt davon zu brins gen, höchstens um ein weniges nur leichter als aus Voltaire's Candide. Nur die Größe der unnachahmlichen Dichterphans tasie und des menschlichen Contemplationsgeistes, irgend ein rets nerer Charakter, oder eine herrliche unaussprechlich kräftige dis daktische Aeußerung des Dichters trägt uns hier noch über die. Schreckenvolle Handlung empor, während in dem griechischen Drama alles Empörende auf Schicksal, Weltordnung und Les bensgötter geworfen wird, und der Mensch sich mit einer ges wissen eigenen Hoheit und Ergebenheit aufrecht hält, so blind

heidnisch, und fälschlich schmeichelnd das Bild auch seyn mag. Unmöglich können wir also Herrn Heinrich Voß, so lobenswerth und zweckmäßig uns auch seine begeisterte Anhänglichkeit an dem zu übersehenden Dichter erscheinen mag, zugeben:,,daß sich aus Shakspeare's Dramen, als solchen überhaupt, das gemeinz fame Resultat zur Stärkung des Glaubens ergebe, welches alsdann auch der vollendete Triumph der poetischen Kunst seyn würde,

,, die Welt mit so viel Greuel und Jammer sey dennoch die best e Welt."

Kann eine Erde, wo „Rasende die Blinden leiten und die Götter mit Menschen spielen, wie Knaben mit Fliegen,“ uns als die beste Welt erscheinen? Eben weil der in seiner Darstellungsle: bendigkeit einzige, aber hierin an die Erde gebundene Dichter den Menschen, wie Herr Voß sehr charakteristisch sich aus: drückt,,, als das vielgestaltige Ungeheuer" ergründet, und als solches oft in bitterem Wih verspotten läßt, verschwin det vor ihm häufig das Engelbild der verlornen himmlischen Würde im Zauberspiegel der Dichtkunst, zu der ein Dante, Mils ton, Klopstock, ja selbst ein Homer und Sophokles, bei minderer Universalität als Shakspeare, wenigstens emporschauen. Allers dings erscheint uns, wo Shakspeare's Geist als der eigene Schöpfer hervorblickt, derselbe wie die ruhige Sonne über dem Kampfe eines physischen und sittlichen Chaos der Elemente, aber bey dem dramatischen Standpunkte, den er einmal wählte, gönnt er uns doch in seinen Schilderungen selbst nur das Bild einer versöhnten Menschheit im Vorüberfluge, kaum in einem Sturm, oder wie ein Sommernachtstraum. Allein er war ja kein epischer, kein lyrischer Dichter, und so wollen wir, weder zu unmäßig in seinem Preise, noch zu ungerecht in unsern Foderungen an ihn seyn. So gewiß sich übrigens die dramatische Kunst Shakspeare's meistentheils recht: fertigt und nachweisen läßt, so gewiß und offenbar hat er doch zuweilen das Maß der dramatischen Kunst überschritten, wenn wir auch unter dieser Gattung poetischer Kunst noch gar nicht die ängstliche Rücksicht oft pedantischer Kunstrichter auf Sch a u : bühne, Nationalgeschmack, klügliche Scenenverflechtung, Gan: zes der zu einer Handlung verknüpften Begebenheiten, Orts ; und Gebärdenspiels-Bezeichnung verstehn. Der Dichter, der die Form des Drama wählt, und dabey nicht den griechischen Chor zu zu Hülfe ruft, entsagt offenbar der eigenen Einmischung und jeder dichterischen Laune, wo es ihm um ernste Wirksamkeit zu thun ist. Er muß nun Personen und Handlung durch sich selbst sprechen lassen. Das hat denn nun freylich Shakspeare,

die dramatische Form verlegend, sehr häufig nicht gethan; denn wie oft spricht da in seinen Personen der Dichter, und wir vergeben ihnen das allerdings, weil sie dann gewöhnlich mit Götterzunge sprechen, wenn gleich nicht ganz in ihrem eignen Charakter, wenn gleich oft für sie selbst das Gesprochene eine sittliche Unmöglichkeit ist. Herr Heinrich Boß führt unter den ausgezeichneten, lobverdienenden Shakspeare'schen Charaks teren den Jago an, und fügt hinzu, daß diesen blos die dus Bere Gestalt noch zu einem Menschen mache. Das lestere ist sehr richtig bemerkt, widerspricht aber ganz der etwas zu panegyrischen Absicht des Verfassers der Vorrede, wel: cher hier den Jago als einen neuen Beleg der Shakspeare'schen Menschenkenntniß und übrigens allerdings einzig wahren Chas rakterschilderung anführen wollte. Einen Richard, den dritten, einen Makbeth mag es geben kdnnen. Hier ist doch Kraft, Stolz, im Bösen, großer Sturm verführerischer Leidenschaft, zuweilen eine Art Reue oder Zwiespalt mit sich selbst. Jago hingegen hat gar nichts von einem Menschen, als etwa einzelne feige Züge von Gaunern und abgefeimten Intriguensvies, lern und er steht tief unter den Milton'schen Teufeln, tief unter Dante's Malebranchen, welche doch kecke, kerns hafte Jungen sind. Mit einem Worte: Jago ist eine Mißs geburt unter wirklichen Menschen, die, wohl uns, der Menschs heit schwerlich zugerechnet werden kann, eine viel größere Mißs geburt, als der in einer Zauberinsel allerdings denkbare, originell erfundene und dem Ariel entgegengestellte Calis ban. Jago ist ein Geschöpf falschen brittischen Humors, eine dürftige Maschienerie des Dichters, der hier: in, wie in der Darstellung der fast widerlichen Töchter des Lear, und der Lady Makbeth, wohl zu weit geht. Intris guante, Gauner und Canaillen (man hat wohl im Deutschen hier kein Wort) gibt es genug. Aber auch so über die zunehs menden Grade ihrer Bosheit reflektirende, von ihren Neis gungen so unabhängige, sich selbst verdammende, kaltlustige Böds sewichter? Die Stellen:

Da liegts noch ungestaltet, und getrübt.

Die Schandthat zeigt sich erst, ist sie verüht!

Unfre Leiber sind unsre Gårten und unser Bille der Gärtner drin u. f. w.

und andre

nach Herr Voß'ens d. j. eigener Ueberschung mehr sind so tief philosophisch; so kalt sieht hier Jago sich selbst zu, daß offenbar aus ihm der Dichter spricht, und nicht der handelnde Mensch. Shakspeare's poor Tom sagt selbst: the prince of darkness is a fine gentleman. Aber die von Shak

speare geschilderten Bösewichter mahlen den Teufel, wie sich selbst, gar zu schwarz, dem sie doch folgen.

Könige

Gewiß würde manches aus den Reden der Lady Makbeth, zumal anfangs, wo sie sich zu dem Verbrechen einweiht, das sie selbst reusisch und gráßlich nennt, in den Chor gekommen seyn, wenn Shakspeare diese griechische Form gehabt hätte. Der Bösewicht selbst mahlt sich gewiß nicht so schwarz, vor dem Verbrechen. Nach Luther will der Teufel auch schön sehn, gepuķt gepakt seyn, wenn er auf eine Kirchmeß fährt. — Allein wirkte bey Shakspeare die Form seiner Zeit in der Schaubühne nicht?! Dort mußten sich die Bdsewichter noch selbst tadeln, weil nie: mand statt ihrer es aussprach, wie in der Marionette die heids nischen sidnige sich selbst Heiden nennen. Ferner im Lust: spiel: Viel Larmen um Nichts, im fünften Akt, macht Klau: dio, vom doppelten sittlichen und physischer Tode seiner Ges liebte überzeugt, frisch weg schlechten Wih, nach der Manier am engitschen Hofe zu Jacob's des Ersten Zeiten. Das vom Herrn Voß d. j. selbst angeführte Mondnachtsgespräch des Judenmåds chens Jessica und ihres Entführers Lorenzo könnte als lyriz scher Wedselgesang, musikalisch und in den Ideen betrachtet, unter der Odensammlung des größten Lyrikers glänzen. Es ist die Dichterlaune, die hier ausbricht, im größten lyrisch platonischen Schwange. Aber verliert das Ganze nicht mehr, als es gewinnt, wenn es grade diesen Personen in den Mund gelegt wird? Unsre heutigen verwirrt gewordenen Romantiker finden gerade in fol chen sidrenden Kontrasten eine Wunder:Schönheit, aber cin d ras matischer Fehlerfür Handlung und Charakteristik dürfte hier doch obwalten, wenn wir gleich um alles in der Welt diesen schd: nen Fehler nicht missen möchten, im Falle der Dichter seine Idee nicht an einem passenderen Orte ausgeführt hätte! Die Zweydeutigkeit, mit der Romeos Julie vor ihrer Mutter den Liebhaber als Mörder schilt und doch lobt, als wenn er zuhörte, ist wizzig, als vom Dichter kommend, aber doch zu intriguant. Der kleinstädtische Wirrwarr im Hause des vors nehmen Capulet's an Juliens Hochzeittage ist bereits von eng lischen Commentatoren selbst, wiewohl ein wenig zu sehr, geta: delt worden. Alle diese Dinge sollte nun wohl derjenige, wel cher eine Apologie von Shakspeare's Kunst entwirft, allerdings berücksichtigen, und das um so mehr, je mehr dieses uns lehren würde, wie der für uns so unentbehrliche Shak. speare für deutsche Bühne zu bearbeiten wäre, je mehr ferner, durch solche kritische Beleuchtung, der von unsern berühmten dramatischen Dichtern begonnenen und noch fortge: sezten Nachahmung gerade des Fehlerhaften und Zügel

losen im Shakspeare (das Große bleibt weislich unnachgeahmt, oder wird in unpassenden Schwulst verwandelt) zur Rettung unsers Nationalgeschmacks, unserer Nationalwürde, entgegengear: beitet werden könnte. Eben so viel ließe sich über Shak: speare's Paronomasien und Wortspiele sagen, in wiefern sie der wahren Kunst gemäß seyen oder nicht. Paronomas sien haben die ernsten Dichter, von den Psalmisten und den Pros pheten an bis zu Aeschylus und von diesem bis zum Shaks speare, und keiner hat uns so, wie dieser lehte, gezeigt, daß das geringste, was uns umgiebt, wie z. B. das Licht, wels ches Othello in der Hand trågt, und auslöschen will, als er Desdemona's Lebenslicht auszulöschen im Begriff ist, also auch der Klang eines gebrauchten Werts, wenn es nicht zu kleinlich ist, die Aufmerksamkeit im tragischen Momente zu fesseln, zum Ausdrucke der größten Leidenschaft dient, und daß beim Dichter alles im Universum zum Bilde von allem wird. Indess sen hat Shakspeare dem Geschmacke seines Zeitalters hier zu viel nachgegeben, und an ihm selbst zu viel Behagen gefuns den. In dieser Hinsicht bleibt er auch nach dem strengen Sinne des Worts unüberseßlich. In der vierten Scene des ersten Acts von Romeo und Julie läuft das Gespräch Romeo's und seiner Genossen, zum Theil sehr schicklich, um die ästhe tische Ueberverfeinerung der Hauptperson zu zeis gen, die in eine so schwärmerisch abentheuerliche pldtliche Lies be, noch dazu nach einer schon stattfiædenden früheren Leidens schaft, befangen werden soll, an einem Faden von Worts und Wikspielen ab, mit soles, soul, soar und sore, dun, done, mit measure, bound, light, lie in doppelter Bedeus tung, welche letteren Wortspiele Shakspeare ein wenig oft ans bringt, am allerpassendsten noch im Munde von spaßmachenden Bedienten (z. B. im Othello). In jeder sogenannten Ucbersehung muß nun so ein ganzer Dialog nur Umschreibung werden, eine ganz andre Gestalt gewinnen. In der Stelle:

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But, let them measure us, by what they will,
We'll measure them a measure, and be gone.

überseht, wie auch in der Regel Herr Voß der ältere immer, weit treuer, als Herr Schlegel, und hier auch weit glück licher.

,,uns messe man, nach welchem Fuß man will.

Wir messen ein paar Fußtritt ab, und gehn.“

Nicht halb so treu und höchst unbedeutend und gesucht
ist hier das von Hrn. Schlegel untergelegte Wortspiel:
Laßt sie uns nun, wofür sie wollen nehmen.
Wir nehmen ein paar Lånze mit und gehn.

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