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18 19.

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I.

Ab Jove principium, Musae: Jovis omnia plena.

gibt unstreitig etwas Ursprüngliches in unsrem Wissen, etwas, von dessen Wahrheit und Gewißheit wir so fest und innig überzeugt sind, daß wir diese Ueberzeugung nimmer aufs geben können, so lang unser Bewußtsein, dieser innerste Kern unsers geistigen Lebens, gesund ist.

Jenes ursprüngliche und ebendarum unmittelbar ges wisse oder unerweisliche Wissen kündigt sich zuerst im Gefühle an. Unter dieser Ankündigungsweise ist es noch dunkel und verworren, vermischt mit einer unendlichen Mans nichfaltigkeit von anderweitem Wissen, welches nach und nach, bald zufällig, bald absichtlich, erworben worden und, wofern es nicht ein falsches und anmaaßliches (ein bloßes Scheinwissen) sein soll, seine Beglaubigung erst von jenem empfangen muß, also nur mittelbar gewiß, gleichsam ein Wissen aus der zweiten Hand ist, wie F. H. Jacobi es treffend genannt hat.

Es muß daher eine Wissenschaft geben, welche beide Arten des Wissens sondert und das, was sich anfänglich nur in dunkeln und verworrenen Gefühlen offenbart, zu einem mdgs lichst klaren und deutlichen Bewußtsein zu erheben sucht. Diese. Wissenschaft (oder vielmehr der menschliche Geist, wenn er bis zu der Stufe seiner Entwickelung und Ausbildung gelangt ist, wo er die Idee einer solchen Wissenschaft erfassen und nach der ren Verwirklichung streben kann) wird demnach das Ursprüngs liche in unsrem Wissen möglichst rein aufzugreifen, in bestimmte Begriffe zu fassen, in entsprechende Ausdrücke einzukleiden, in angemeßner Ordnung und natürlichem Zusammenhange darzustels len, nach seinem ganzen Inhalte und Umfange zu entwickeln, und selbst die Gültigkeit jedes anderweiten Wissens, wiefern es feine tiefste und lehte Begründung nur im ursprünglichen finden kann, aus diesem nachzuweisen haben. Sie wird also eine Wissenschaft der Wissenschaften sein.

Die Alten nannten dieselbe Philosophie oder Weis: heitsliebe, weil sie ein Erzeugniß jener nie zu stillenden Sehnsucht ist, mit welcher der lebendige Menschengeist nach dem Urquell aller Weisheit, d. h. der Wahrheit, Güte und Schönheit in unzertrennlicher Verbindung gedacht, immerfort strebt. Wir können sie mit Recht die Urwissenschaft oder auch schlechthin die Wissenschaft nennen. Denn im Grunde gibt es doch nur Eine Wissenschaft, nur Ein Ganzes menschliz cher Erkenntniß, wie es nur Einen Menschengeist, Eine Verz nunft, Eine Welt, Eine Gottheit gibt. Wenn man aber Wissenschaften in der Mehrzahl unterscheidet, wenn man ge wisse Theile jenes Erkenntnißganzen aus einander treten läßt und als besondre Wissenschaften d. h. als selbständige Inber griffe von gleichartigen Erkenntnissen darstellt, so darf man doch nicht vergessen, daß sie alle aus einem gemeinschaftlichen Mit? telpunkte hervorgehen, daß sie alle von einem und demselben urwissenschaftlichen (philosophischen) Geiste belebt und durchdrungen sein sollen.

Indem wir also mit vorliegendem Bande eine neue kritiz sche Zeitschrift beginnen, wird es eben so sehr unser Bestreben sein, uns selbst und unsre Zeitschrift von jenem Geiste (der, als strebend nach dem Wahren, Guten und Schönen, unstreitig selbst ein guter ist) beleben und durchdringen zu lassen, als zu erforschen, ob und in welchem Grade er diejenigen Werke be lebe und durchdringe, welche der Gegenstand einer möglichst unparteiischen Prüfung und Würdigung in unsrer Zeitschrift werden sollen.

In dieser Hinsicht freuen wir uns nun, dieselbe mit einem Werke eröffnen zu können, das in dem eben angedeuteten Sinne wahrhaft geistvoll zu nennen ist und dem schon wegen seines erhabnen Gegenstandes der Vorrang vor allen andern gebürt, nach unsrem Motto: Ab Jove principium. Denn da Hermes, der Erfinder der Sprachen, der Gesëße, der Künste und der Wissenschaften, nach dem alten Mythos unmittelbar vom Zeus abstammt, so ziemt es auch unsrer mit seinem Namen gez schmückten Zeitschrift, dieser Abkunft ihres Schuhpatrons bei Eröffnung ihrer Laufbahn ganz vorzüglich eingedenk zu sein.Es führt aber die hienächst anzuzeigende Schrift folgenden Titel:

Von Gott in der Natur, in der Menschengeschichte, und im Bewußtsein. Die Ueberzeugungen der Gottesbekenner in ihrer irrigen Trennung und ihrem ursprünglichen Zusammenhange allgemein faßlich dargestellt von C. A. H. Clodius. Erster Theil in 2 Abtheilungen. Leipzig, bei G. J. Göschen. 1818. gr. 8.

Wenn man die Religionsgeschichte von dem Punkte an, wo sich zuerst der Menschengeist von der Anschauung des Jrdis schen, Sinnlichen und Endlichen, zur Ahnung eines Himmlis schen, Uebersinnlichen und Unendlichen erhob, bis auf unsre Zeiten herab, mit einem aufmerksamen Blicke verfolgt, so ges wahrt man nicht ohne Befremden cine so ungeheure Menge nicht bloß verschiedner, sondern oft einander schlechthin entge: gengesetter und zum Theil ganz ungereimter Vorstellungsarten von Gott und göttlichen Dingen, und eine nicht minder ungez heure Menge schändlicher und unmenschlicher Thaten, die zum Theil wenigstens aus jenen Vorstellungsarten hervorgingen, daß man fast versucht wird, nicht nur mit dem römischen Dich ter auszurufen: Tantum relligio potuit suadere malorum, sondern auch denen Recht zu geben, welche geradezu alle Reliz gion für bloße Superstizion erklärten. Wenn man dagegen auf der andern Seite erwägt, wie der Glaube an Gott und gött? liche Dinge sich überall unter den Völkern, den rohesten wie den gebildetsten, verbreitet, mit welcher Innigkeit er die edel: sten Gemüther durchdrungen, welchen Muth er ihnen in den drohendsten Gefahren eingehaucht, welche Heldenthaten er das durch hervorgerufen, und wie er troß allen noch so geschickten und heftigen Angriffen von Seiten des Unglaubens im Einzeln seine Herrschaft über das Menschengeschlecht im Ganzen behauptet hat; so kann man nicht umhin, zu vermuthen, daß jener Glaube doch eine tiefere und ebendarum unerschütterliche Grundlage in der menschlichen Natur haben, daß er vom geistigen Leben des Menschen eine eben so wesentliche und nothwendige Bedingung sein müsse, als die Luft, die wir athmen, vom körperlichen. Und so ist es in der That. Es ist daher unstreitig auch ein großes Verdienst, welches sich die Urwissenschaft (Philosophie) durch Nachweisung jener tiefern Grundlage des religiösen Glau bens um die Religion und ebendadurch um die Menschheit selbst erworben hat, oder doch, falls es ihr damit noch nicht ganz ges lungen sein sollte, zu erwerben sucht. Denn wiewohl die Res ligion als etwas innerlich Lebendiges und Begeisterndes keiner

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wissenschaftlichen Begründung bedarf, weil sie ja sonst nicht Ges meingut der Menschheit sein könnte, so bedarf sie doch als et: was äußerlich Kundbares und Mittheilbares der Bekräftigung und Läuterung mittels einer solchen Begründung. Treffend sagt in dieser Hinsicht der Verf. vorliegender Schrift S. VI. der Vorrede: Wohl ist der Glaube ein inneres Licht, das den Gläubigen für jeden äußern Licht: Schein erblinden läßt. „Aber ebendarum ist der Glaube, in Luther's Sprache zu rez „den, ein sein säuberliches geistliches Ding, mit dem man åus Berlich weder hauen noch stechen kann. Darum bedarf der Glaube gegen äußere Feinde eines Schildes und solcher Waf: fen, die ein erkennender Verstand zu des Glaubens Vertheiz ,,digung zu tragen und zu regieren weiß. Wer, wie es wieder ,,Sitte werden will, wissenschaftliche Lehrart, Ber: stand und Vernunft lästert, der will entweder die Festig ,,keit des Guten nicht oder er verkennt in vorurtheilvoller ,,Thorheit seine wahren Freunde.“

Der Verf. hatte nun schon früher in seinem Grundriß der allgemeinen Religionslehre (Leipz. 1808. 8.) den Versuch gemacht, durch urwissenschaftliche Forschung die wahre Grundlage des religiosen Glaubens nachzuweisen und diesen Glauben selbst nach seinem ganzen Inhalte und Umfange zu entwickeln. Was dort in systematischer Form und gelehrter Sprechweise gegeben war, stellt er hier von neuem dar nach einem andern Plane und in allgemein verständlicher Sprache, so daß auch der an strengere Lehrart nicht gewöhnte Leser, wenn er nur im Denken nicht ganz ungeübt ist, ihm leicht wird fol gen können. Die Anlage des Werkes ist auf folgende Art ge: macht:

Es zerfällt in zwei Haupttheile. Der erste ist põlez misch, der andre irenisch. Jener betrachtet nämlich die Re: ligion als Keim der Zwietracht unter den Menschen, und handelt von der äußerlich und innerlich streitenden Kiraje, von dem Unglauben, der Gleichgültigkeit und der irrigen Trennung der Natur: Geschichts und Vernunftreligion. Dieser hingegen betrachtet die Religion als Wort des Friedens, und handelt von den Ahnungen Gottes in der Natur, von göttlicher Offens barung in der Menschengeschichte und von dem Innewerden Gottes nach allen seinen auf den Menschen bezognen Eigen: schaften in des Menschen Bewußtsein. Nach diesem Plane, der freilich hin und wieder einige Wiederholungen veranlaßen mußte, weil jede echte Polemik irenischer Natur ist und daher die Worte des Friedens gern antizipirt, so wie auch die Frenik gern auf das Bestrittene zurücksicht, zerfällt nun der erste

Theil (mit dessen Beurtheilung wir uns hier allein beschäfti: gen, indem der zweite noch nicht erschienen) wieder in zwei Abtheilungen. Der Gegenstand der 1sten Abtheilung ist die außerlich streitende Kirche oder das Gottesbekenntniß und die Religion im Gegensaße mit dem Gottesleugnen und der Gleich: gültigkeit in Religionsangelegenheiten (Atheismus und Indif; ferentismus). Der Vorwurf der 2ten Abth. aber ist die innerlich streitende Kirche oder die Ueberz ugung der Gottesbekenner in ihrer irrigen Trennung nach den drei unduld: samen Religionsansichten der Naturreligion, des todten Ger schichtglaubens und der Religion innerhalb der Gränzen der bloßen Vernunft (Naturalismus, unechter Supernas turalismus, falscher Razionalismus).

Also zuerst vom Atheismns. . 3-62. Recht gut zeigt hier der Verf., daß weder eine anfangs- und endlose Er: scheinungsreihe in der Mitte des Nichts, noch ein uranfångs liches ordnungsloses und verworrenes Gemisch verschiedner Eler mente, ein Chaos, aus dem die bestehende Ordnung der Dinge zufällig hervorgegangen sei, noch eine blind wirkende Nat tur, die sich aus irgend einem einzigen, einfachen, sich gleich: bleibenden Grundstoffe in unendliche Räume und Zeiten ausge dehnt und mit einem nothwendigen Bildungstricbe in alle diese sichtbare herrliche Mannichfaltigkeit verwandelt habe, auch nur den Verstand, geschweige das Gemüth befriedige, daß vielmehr diese Befriedigung nur in der Anerkennung einer Welt' durch und in Gott als dem allbelebenden Geiste der Freiheit, als einer das Gute nach idealen Vorstellungen erkennenden und wols lenden Schöpferlicbe, zu suchen und zu finden sei. Doch hätte wohl die S. 12. erwähnte pantheistische Ansicht vom Gött: lichen in der Natur nicht so kurz mit dem Wißworte abgefertigt werden sollen, daß sie zwar einen Gott überall, aber keinen Gott über Alles annehme. Der Pantheismus ist, so viel wir einsehen, durchaus und wesentlich vom Atheismus unters schieden und kann praktisch sehr wohl mit der wahren Frome migkeit bestehen, ob er gleich theoretisch und mit strenger Kon sequenz durchgeführt die Vernunft in ein Labyrinth von Schwier rigkeiten und selbst in Widersprüche verwickelt, um welcher willen er von einer besonnenen Religionsphilosophie allerdings zurückgewiesen werden muß. Auch die schnöde, fast möchten wir sagen vornehme, Zurechtweisung jener Philosophen, welche das Dasein Gottes zu beweisen suchten, können wir nicht billigen. Jeder Versuch, die Ueberzeugung des Menschen von Gott in unsrem Bewußtsein zu bekräftigen, verdient Achs tung, auch wenn er mislungen; und der Fromme darf nicht

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