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Die philosophischen Systeme.

Zu Compositionen wie Shakespeare sie lieferte, bringt es jedenfalls auch ein englischer blos autodidaktisch und durch zufällige Lectüre gebildeter Naturdichter nicht. Poesie von solcher Höhe und von solchem Umfange, wie sie bei Shakespeare erscheint, erfordert unbedingt die gründlichste Kenntniss und das tiefste Studium der vorhergegangenen grössten poetischen Schöpfungen aller Zeiten. Die bis dahin bekannt gewordenen philosophischen Systeme muss Shakespeare ebenfalls aus dem Grunde gekannt haben; denn er steht auf der Höhe der Philosophie seiner Zeit. H. Marggraff.*)

Es kann nur unsere Absicht sein, hier ganz im Allgemeinen die philosophischen Systeme, welche für das sechszehnte Jahrhundert überall in Betracht gezogen werden können, anzudeuten. Wir setzen als bekannt voraus, dass sich alle Philosophie von den Griechen datirt, dass es die Griechen waren, die in dem Zeitraume von zwei Jahrhunderten (von Thales bis Aristoteles) in ihrer Philosophie eine Welt von Gedanken schufen, dass an ihr, um sie in ihrem vollen Reichthume zu erfassen und sich anzueignen, die civilisirte Menschheit sich seitdem über zwei Jahrtausende abgemüht hat **). An den drei Namen Sokrates, Platon und Aristoteles lässt sich die ganze und höchste Bedeutung aller Philosophie knüpfen. Die beiden letzteren bezeichnen nicht nur den vollständigen Umfang der griechischen Bildung ***), sondern das ganze Gebiet des menschlichen Wissens und Denkens ist gewissermaassen von ihnen erschöpft worden und haben sie den grössten Einfluss auf die Nachwelt gehabt. Alles Philosophiren überhaupt besteht bekanntlich in einem unabhängigen Nachdenken über die *) H. Marggraff, »William Shakespeare als Lehrer der Menschheit<< (Leipzig 1864). **) Carové, Cosmorama S. 182.

***) Schlegel, Vorles. über die Gesch. der Litteratur S. 32. Vgl. S. 140.

Grundursachen des Seins, über die letzten Gründe, Gesetze und Zwecke im Sein der Dinge überhaupt und des Menschenlebens insbesondere und Philosophie ihrer Idee nach lässt sich als die Wissenschaft von dem Räthsel der Welt und der Bestimmung des Menschen bezeichnen *).

Das Sein ist Gegenstand der Speculationen des Platon und Aristoteles. Nach der Platon'schen Auffassung erscheint das Sein und Nichtsein einander entgegengesetzt und die äussere Sinnenwelt ist nur eine Welt des Scheins, wogegen Aristoteles durch den Begriff der Negation auf speculative Weise den Gegensatz zwischen dem Ideellen und Realen, dem Allgemeinen und Besonderen, vermittelte, die sinnliche Welt von der Bestimmung des blossen Scheins befreite und dieselbe zur wahrhaften Wirklichkeit, in welcher sich die Idee zur Energie gestaltete, erhob **).

Der Dichter, der das eigene Sein und die eigene Geistesthätigkeit im Drama Hamlet plastisch zur Darstellung bringt und sich nach der Aristotelischen Auffassung der Idee verwirklicht, lässt, wie wir vermeinen, in Andeutung der eigenen wissenschaftlichen und humanistischen Studien ***), die beiden Figuren Hamlet und Horatio in Wittenberg Studien gemacht haben. Abgesehen von der symbolischen Bedeutsamkeit, welche in diesem Stadtnamen dadurch liegt, dass von dort aus die Aufnahme des Gedankens erfolgte, durch welchen die Wiederherstellung des geistigen Gehalts der evangelischen Schriften durch Reinigung derselben von den menschlichen Satzungen bewirkt und das bewusste Ich in Beziehung auf die göttliche Lehre in seine Rechte wieder eingesetzt wurde, so war auch die Hochschule zu Wittenberg im Anfange des Jahr*) Vgl. Scheidler: Idee der Univ. **) Vgl. Biese: Phil. des Arist.

*** Der Dichter, der durch eine seiner weisesten Figuren (Rom. und Jul. III. 3) die Philosophie als der Trübsal süsse Milch bezeichnen lässt, sagt (König Heinr. VI. 2. Thl. IV. 7): »Unwissenheit der Fluch von Gott und Wissenschaft der Fittig, womit wir in den Himmel uns erheben.« Man gefällt sich zum Theil darin, ein speculatives Denken Shakespeare's oder eine bewusste Vernunftforschung desselben in Abrede zu stellen und ihn »instinctiv« philosophisch zu nennen. Von Hamlet sagt man: »>Die Monologe dieses »>»Fürsten der speculativen Philosophen«« sind Meisterwerke des Nachdenkens«; wenn das Gedankenbild Hamlet den speculativen Philosophen erkennen lässt, dürfte wohl der Schöpfer dieses Gedankenbildes, Shakespeare, der Speculation nicht so ganz fremd sein. Wir behaupten die practische Anwendung eines philosophischen Systems - neben logischer Bearbeitung des Gegebenen von Seiten Shakespeare's und zwar das des Aristoteles, der zugleich dem wahren Künstler das Gesetz welches zu Zeiten des Dichters durch die Scholastik allgemeiner bekannt war, als es heut zu Tage der Fall ist geschrieben hat, wobei wir darauf aufmerksam machen, dass der Dichter in mehreren Dramen auf Aristoteles alludirt. Ueber die Wiederbelebung der alten Kunst und Anerkennung der alten Kunstgesetze zu Zeiten Shakespeare's cfr. Gervinus >Sh.« I. 85.

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hunderts des Dichters, berühmt wegen der humanistischen Bestrebungen, welche von dort ausgingen, die wesentlich zur Förderung der Reformation beitrugen und ursprünglich die Menschenbildung, auf Grundlage der schönen Künste und Wissenschaften, namentlich der altgriechischen und römischen Litteratur, bezweckten. Von Wittenberg aus begründete vorzüglich Melanchthon die Aufnahme der Aristotelischen Philosophie in Deutschland.

Die Bemerkung Hamlet's auf die Verwunderung Horatio's über die unsichtbare (immanente)- Bewegung und gnomische thätige Wirksamkeit des Geistes im Grunde (Act I. S. 5) bei der Schwurscene welche sich auf die antike Selbstverläugnung, antic disposition", Hamlet's bezieht dass es nämlich mehr Dinge im Himmel und auf Erden gebe, als wovon sie in ihrer Philosophie sich hätten träumen lassen, muss (wenn nicht diese Andeutung auf eine Unterscheidung der Theorie und theoretischen Auffassung von der practischen Anwendung eines Systems zu beziehen ist) ihre Erklärung durch die Voraussetzung finden, dass Horatio und Hamlet speciel Studien nach den andern Systemen in Wittenberg gemacht haben, da in den Speculationen des Sokrates und Platon noch nicht eine solche Verbindung des Himmels und der Erde, wie dieselbe in Shakespeare, auf Grundlage der Aristotelischen Auffassung der Vernunftthätigkeit des Geistes in ihrem Anundfürsichsein, der Idee als geistigen Energie, erscheint und welche denselben vermittelst der Einbildungskraft zur intellectuellen Anschauung der absoluten Identität geführt hat, bewirkt war.

Abgesehen von der Frage, ob es wirklich die Absicht des Dichters gewesen ist, ein bestimmtes System auf die beiden Figuren Hamlet und Horatio zu beziehen, welche Frage weniger wesentlich erscheint, dürfte es schon zum Verständniss der Auffassung der Idee von Seiten des Aristoteles, nach welcher Shakespeare geschaffen hat, von Interesse sein, die wesentlichsten Momente der Speculation der drei griechischen Philosophen hier hervorzuheben, welche wir uns erlauben dem Biese'schen Werke über die Aristotelische Philosophie und zwar der Einleitung,,Entwicklungsgang der griechischen Philosophie von Thales bis Aristoteles" zu entnehmen.

SOKRATES.

Die Subjectivität des Denkens aus der Einzelheit und Besonderheit zu der in ihrem Begriffe liegenden Allgemeinheit erhoben zu haben, ist das hohe Verdienst des Sokrates, der die

unendliche Freiheit des Selbstbewusstseins aussprach, so dass nicht dieser Einzelne wie er bestimmt wird von diesen oder jenen Interessen, also nicht dieses endliche Bewusstsein das Maass der Dinge ist, sondern das Denken, welches seinem Begriffe nach allgemeine, ewig geltende Bestimmungen enthält. Um dieses zum lebendigen Bewusstsein zu bringen, hielt Sokrates sich in seinen Forschungen auf dem Boden des eigenen geistigen Lebens und wandte sich ab von den naturwissenschaftlichen Untersuchungen. Der Gegenstand des Wissens ist nach ihm das Allgemeine, das Ewige und Göttliche; doch zu der Reife gelangte durch ihn das Denken noch nicht, dies Allgemeine als die Idee in allen objectiven Gestaltungen der Welt aufzuzeigen, sondern er blieb innerhalb der Subjectivität des Denkens, und hier war es das Gute, dasjenige, was für den Handelnden als das Substanzielle zu erkennen ist, worauf Sokrates als auf die wesentliche Seite des menschlichen Wissens hinleitete. Nach ihm kommt das Gute, als das Allgemeine für den Willen, dem Menschen nicht von aussen, sondern es ist in der Natur des Menschengeistes enthalten; es muss nur in demselben entwickelt und erkannt werden. Hiermit ist die unendliche Freiheit des Selbstbewusstseins gesetzt; das Allgemeine, insofern es die Handlung bestimmt, ist nicht ein Anderes gegen das Wesen des Geistes, und somit ist die Entscheidung in das denkende Ich gelegt. Doch die Weisheit als solche, die absolute Erkenntniss, kommt nur der Gottheit zu; sie ist dem menschlichen Wissen versagt, das sich nicht vermessen darf, die Dinge ihrer absoluten Wesenheit nach zu bestimmen; hierzu sind dem Menschen die geistigen Kräfte von der Gottheit nicht verliehen, sondern nur, um das Gute für die Handlung zu bestimmen. In gläubiger Zuversicht setzt Sokrates eine göttliche Weltordnung voraus, und dass derselben gemäss in den mannigfaltigen Gestaltungen des Naturlebens Vernunft herrsche, mit welcher die menschliche Vernunft ihrem Wesen nach übereinstimme und in jener ihren eigenen Ursprung erkenne; daher führte er seine Schüler vor Allem zuerst auf den Glauben an die Götter hin. Auf gleiche Weise ist er von dem Glauben durchdrungen, dass die Götter durch Anzeichen der menschlichen Unwissenheit über das Zukünftige und Ungewisse Beistand gewährten; er verwandelt aber zugleich diese äusseren Anzeichen in die innere Regung des Gewissens und findet besonders hierin ein göttliches Zeichen, ein Sauóviov, von welchem er sagt, dass es ihn vor manchen Handlungen gewarnt habe. Es wird hiedurch die Entscheidung, welche bei den Orakeln nur von aussen her gesucht wurde, freilich auch

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