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GEMEINSCHAFTLICHES, PRINCIP

DER

THEORETISCHEN UND PRAKTISCHEN

PHILOSOPHIE.

1802.

AN HERRN CHARLES DE VILLERS.

Wie sehr, nächst den wohlbegründeten Erwartungen Ihrer übrigen Eutiner Freun

de,

in deren heiterm und lehrreichem Kreise Sie mich vor zwei Sommern zuerst mit Ihrem Entwurfe einer Einleitung in die Transcendentalphilosophie für das wiedergeborne metaphysische Frankreich bekannt machten, insbesondere auch die

meinigen durch Ihre jetzt erschienene Philosophie de Kant übertroffen wurden, und zu welcher freudigen Theilnahme mich der Gedanke an das erweiterte Publikum so vieler Nationen berechtigte, denen in Ihrer Universalsprache diese von Phantasieen und unhaltbaren Voraussetzungen mehr als je gereinigte Philosophie nun auf einmal zugänglich ward meine eigne Nation nicht ausgenommen, die grofsentheils immer noch erst aus französisch geschriebenen Büchern zu erfahren pflegt, was unter uns vorgeht, und wovon unter uns

die Rede ist: von allem dem müssen Sie nun schon längst in Paris die schriftliche Versicherung aus den Händen meines alten Freundes Cramer empfangen haben. Vielleicht sollte ich mich entschuldigen, dass ich in diesen gedruckten Blättern gerade Sie von einem Mangel eben dieser gereinigten Philosophie unterhalte, von dem ich noch nicht einmal weifs, ob Sie ihn dafür erkennen werden

von einem Mangel, den ihr nicht nur ihre erbitterten Gegner, nein, den ihr sogar viele ihrer erklärtesten Anhänger mit Heftigkeit vorwerfen kurz, von dem Mangel eines gemeinschaftlichen Princips der theoretischen und prak tischen Vernunft, zu dessen Aufstellung sich doch der unsterbliche Urheber der kritischen Philosophie in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten *) ausdrücklich anheischig gemacht zu haben schien. Ich gestehe Ihnen aber, dafs mir selbst dieser Mangel, auch wenn er nur scheinbar seyn sollte, allererst in Ihrer gedrängten Darstellung der beiden

*),,Zur Kritik einer reinen praktischen Vernunft (heifst es daselbst in der Vorrede) erfodre ich, dass, wenn sie vollendet seyn soll, ihre Eiuheit mit der spekulativen in einem gemeinschaftlichen Princip zugleich müsse dargestellt werden können, weil es doch am Ende nur eine und dieselbe Vernunft seyn kann, die blofs in der Anwendung unterschieden seyn muss.“

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den ist; und ich konnte hoffen, dafs Sie, eben dieses Umstandes wegen, den Auf satz, den ich Ihnen hier darüber zuschicke, mit desto geschärfterer Aufmerksamkeit prüfen würden. Bei einem nicht unbeträchtlichen Theile meines deutschen Publikums würde ich ohne Zweifel meinen Zweck viel besser erreicht haben, wenn ich, anstatt durch eignes Nachdenken der Quelle eines gemeinschaftlichen Princips nachzuspüren, versucht hätte, alle die Stellen, wo in den drei kritischen Systemen unsers Kant auf eine solche gemeinschaftliche Erkenntnifsquelle hinge deutet wird, unter einen einzigen Gesichtspunkt zusammenzulassen, und die Idee, die ihnen allen zum Grunde liegen musste, mit der erforderlichen Genauigkeit und Klarheit aus ihnen zu entwickeln. So verdienstlich aber ein Versuch von der Art, wenn er gut ausfiele, unstreitig seyn wür de, und so gern ich darauf rechne, dass

Ob

sich unter den Kennern der Vernunftkritik Jemand finden möge, der sich diefs Verdienst noch in der Folge zueigne: so lag es doch aufser meinem Plane, mich selbst darum zu bewerben. Meine Absicht war, vorzüglich auch Ihretwegen, mich so kurz als möglich zu fassen; und ich 'sah voraus, dafs ich, wenn ich jenen schwerern Weg einschlüge, mein Ziel nicht ohne grofse Umschweife würde erreichen können. ich es erreicht habe, müssen Sie und Ihre Mitleser entscheiden: wenigstens wünsche: ich es; und zwar wünsche ich es, wie Sie! mir leicht zutrauen werden, der Sie meine Entfernung von aller schriftstellerischen Selbstsucht kennen, gewifs nicht der Mühe wegen, die ich an die Ausarbeitung einiger Bogen verwandt haben kann, sondern der Sache selbst wegen. Es wäre doch schlimm, wenn es der kritischen Philosophie wie dem Nile ergehen sollte, der seine Segnungen durch sieben grofse und tausend kleine Ströme ergofs, ohne dafs uns Jemand, bis ganz

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