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ven Göthe's jenaer Aufenthalt im Mai und Juni waren für beide Dichter sehr erfolgreich, die damals ohne Zweifel auch über den Unterschied des Epos und Drama's weiter verhandelten. Hermann ward in Jena ganz vollendet, dagegen scheint Göthe die Angemessenheit des Stoffes der „Jagd" für ein episches Gedicht bezweifelt zu haben. Wenn Göthe noch später bedauert, 1 daß er Schiller und Humboldt, die ihn von der Ausführung seines in allen Theilen durchdachten und bereits schematisirten Planes abhielten, Folge geleistet habe, da der Dichter allein wissen könne, was in einem Gegenstande liege und was er für Reiz und Anmuth bei der Ausführung daraus entwickeln könne, so ist dies insofern nicht ganz der Wahrheit gemäß, als beide Freunde ihn nur von der epischen Behandlung des Gegenstandes abhielten und er sich selbst überzeugt zu haben. scheint, daß der Stoff sich zu einem Epos nicht eigne. 2)

Nach seiner Abreise von Jena (16. Juni) bereitete sich Göthe zu einer dritten italienischen Reise, doch wurde er zunächst noch in Erwartung von Nachrichten seines Freundes Meyer in Weimar zurückgehalten. In diesem unruhigen und ungewissen Zustande nahm er manches vor, ohne etwas zu vollenden, besonders seine Papiere von dem Aufenthalte in Italien und den Faust. In Bezug auf Lestern äußert er am 22. Juni: „Unser Balladenstudium hat mich wieder auf diesen Dunst- und Nebelweg gebracht, und die Umstände rathen mir in mehr, als in einem Sinne, eine Zeit lang darauf herum zu irren. Das Interessante meines neuen epischen Plans geht vielleicht auch in einem solchen Reim- und Strophendunst in die Luft, wir wollen es noch ein wenig kohobiren 3) lassen". Schiller erwiedert hierauf:) „Wenn ich Sie neulich recht verstanden habe, so haben Sie die Joce, 3hr neues episches Gericht, die Jagd, in Reimen und Strophen zu behandeln. 3) Ich vergaß neulich ein

1) B. 27, 62. Vergl. Gespräche mit Eckermann I, 285. 303. 2) Viel ungerechter erscheint Riemer's Tadel (II. 631 f.), der in seiner Weise sich zu einer leidenschaftlichen Anklage verleiten läßt, ohne den eigentlichen Stand der Sache gehörig zu ermitteln.

3) Ein aus der Chemie genommener Kundstausdruck. Vgl. den zweiten Theil des Faust, Aft II. im Laboratorium (B. 12, 95).

*) Daß Brief 327 vor Brief 325 gehöre, zeigen das Datum und der Inhalt. ') Hiernach ist es wohl irrig, wenn Göthe (Gespräche mit Eckermann I, 303.) behauptet, Schiller habe ihm statt des Hexameters zu den achtzeiligen Stanzen gerathen, da Göthe selbst zuerst den Gedanken einer Behandlung in Reimen und Strophen gefaßt hatte, den Schiller nur billigte.

Wort darüber zu sagen, aber diese Idee leuchtet mir ein, und ich glaube sogar, daß dies die Bedingung sein wird, unter welcher allein dieses neue Gedicht neben Ihrem Hermann bestchn kann. Außerdem, daß selbst der Gedanke des Gedichts zur mo dernen Dichtkunst geeignet ist und also auch die beliebte Strophenform begünstigt, so schließt die neue metrische Form schon die Konkurrenz und Vergleichung aus; sie gibt dem Leser ebensowohl, als dem Dichter eine ganz andere Stimmung, es ist ein Konzert auf einem ganz andern Instrument. Zugleich partizipirt es alsdann von gewissen Rechten des romantischen Gedichts, ohne daß es cigentlich eines wäre; es darf sich, wo nicht des Wunderbaren, doch des Seltsamen und Ueberraschenden mehr bedienen, und die Löwen- und Tigergeschichte, die mir immer außerordentlich vorkam, erweckt dann kein Befremden mehr. Auch ist von den fürchterlichen Personen und Jägern nur. ein leichter Schritt zu den Ritterfiguren, und überhaupt knüpft sich der vornehme Stand, mit dem Sie es in diesem Gedichte zu thun haben, an etwas Nordisches und Feudalisches an. Die griechische Welt, an die der Hexameter unausbleiblich erinnert, nimmt diesen Stoff daher weniger an, und die mittlere und neue Welt, also auch die moderne Poesie, kann ihn mit Recht reklamiren." Göthe äußert in seiner Antwort vom 27. Juni: Da ich durch meinen Faust bei dem Reimwesen gehalten werde, so werde ich ge= wiß auch noch einiges liefern. Es scheint mir jezt auch ausge= macht, daß meine Tiger und Löwen in diese Form gehören; ich fürchte nur fast, daß das eigentlich Interessante des Sujets sich zulest gar in cine Ballade auflösen möchte. Wir wollen abwarten, an welches Ufer der Genius das Schifflein treibt." Aber weder Faust, noch das Jagdgedicht rückten fort, da die Erinnerungen an Italien sich Göthe's ganz bemächtigten. Vor seiner Abreise erfreute ihn Schiller in Weimar noch mit einem achttägigen Ve= fuche, der für beite Dichter fruchtbar und erfreulich war. „Es hat sich so manches für die Gegenwart entwickelt," schreibt Göthe, „und für die Zukunft vorbereitet, daß ich mit mehr Zufriedenheit abreise, indem ich unterwegs recht thätig zu sein hoffe und bei meiner Rückkehr Ihrer Theilnehmung wieder entgegensche. Wenn wir so fortfahren verschiedene Arbeiten gleichzeitig durchzuführen, und indem wir die größern sachte fortleiten, uns durch kleinere immer aufmuntern und unterhalten, so kann noch manches zu Stande kommen." Aber vor der Reise war an ein Aufnehmen der Jagd"

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nicht zu denken, die auf der Reise selbst durch die Lieder in Gesprächen und idyllische Gedichte, die Elegie,,Euphrospne", endlich durch den Plan eines epischen Gedichtes Wilhelm Tell" verdrängt wurde, welcher selbst bald der unvollendeten, die epische Periode Göthe's abschließenden „Achilleis“ weichen mußte. Göthe meinte später, er sei mit der prosaischen Darstellung, welche er dem Stoffe der Jagd" in seiner „Novelle" gegeben, am besten gefahren, da es auf genaue Zeichnung der Oertlichkeit sehr angekommen. sei, wobei man doch in solchen Reimen wäre genirt gewesen. „Und dann ließ sich auch der anfänglich ganz reale, am Schluß ganz ideelle Charakter der Novelle in Prosa am besten geben, sowie sich auch die Liederchen jest gar hübsch ausnehmen, welches doch so wenig in Herametern, als in den achtzeiligen Reimen möglich gewesen wäre.") Freilich ist in der Novelle durch die Steigerung des Ausdruckes am Schlusse ein sehr bedeutsamer Gegensaß zum Anfange erzielt und eine höchst genaue Schilderung der Dertlichkeit möglich geworden, aber in der Balladenform wäre eine solche malerische Bezeichnung des Lokals nicht durchaus nöthig gewesen, und hätten die Lieder des Knaben durch den Eintritt eines andern Versmaaßes hervorgehoben werden können, wobei aber nicht zu leugnen ist, daß der Gegenstand durch die Novellenform, welche eine größere Breite der Darstellung gestattet, bedeutend gewonnen hat.

Halten wir mit den mitgetheilten Andeutungen über Göthe's Gedicht die Jagd", dasjenige zusammen, was er später nach Auffindung des alten ausführlichen Schema's gegen Eckermann äußerte (1, 287.), daß in der „Novelle“ die Handlung und der Gang der Entwickelung von jenem Schema nicht verschieden, dieses aber doch ein ganz anderes gewesen, ganz für eine epische Handlung in Hexametern. gedacht, so können wir über den Inhalt jenes romantisch - epischen Gedichtes" nicht im Zweifel sein. 3) Eine fürstliche Jagd bildete

1) Gespräche mit Edermann I, 304.

2) Um so weniger durfte Göthe Schiller's und Humboldt's Bedenken gegen eine erische Behandlung tadeln, durch die wir freilich, wenigstens zum Theil, da beide in Göthe den ersten Zweifel erregten, um die Darstellung der Jagd gekommen sind, in welcher Göthe's hoher Sinn für plastische Anschaulichkeit etwas sehr Vollendetes geliefert haben würde.

*) Die Behauptung Lehmann's (S. 5. Note): „Nach Andeutungen in Schillet's Briefen (siehe namentlich Nro. 296.) müßte „die Jagd“ von unserer Novelle doch sehr verschieden gewesen sein an Stoff und Behandlung," beruht auf entschiedenstem Mißverständnisse, worauf die falsche Annahme,

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den Hauptgegenstand dieses Gedichtes, und zwar dürfen wir vermuthen, daß diese den Raum eines Tages nicht überschritten haben. werde. Der epische Dichter, der uns gleich in die Mitte der Begebenheit hineinversezt, dürfte aber auch kaum, wie in der Novelle, vor oder mit dem Auszuge zur Jagd seinen Gesang begonnen haben; eben so sicher dürfen wir vermuthen, daß das Gedicht mit der wunderbaren Begebenheit, welche die Novelle schildert und die sich auf der Rückkehr von der Jagd ereignete, schließen sollte. Mitten in das lebendige Treiben der Jagd wollte uns der Dichter zunächst führen; daran schloß sich wohl die mittägliche Ruhe der edeln Jagdgesellschaft an einem reizenden Punkte der Waldung an, wobei cs an der Erzählung treffender Jagdgeschichten nicht fehlen konnte. Göthe mochte sich von der Darstellung einer solchen Jagdpartie um so mehr angezogen fühlen, als sie ihn an die ersten Jahre seines weimarer Aufenthaltes erinnerte, wo er selbst in Begleitung des Herzogs an manchen fröhlichen Jagtpartien Theil nahm. Als die beiden Stolberge gegen Ende November 1775 in Weimar waren, wo sie meist in Göthe's und des Herzogs Gesellschaft sich befanden, gedenken sie unter andern in einem Briefe an ihre Schwester des häufigen Jagens. Im Juli des folgenden Jahres schreibt Göthe von Ilmenau aus, wohin er mit dem Herzoge gegangen war, um das alte Bergwerk wieder in Bewegung zu sehen, seinem Freunde Merd: „Der Herzog geht auf Hirsche, ich auf Landschaften aus, und selbst zur Jagd führe ich mein Portefeuille mit." Im Sept. 1777 geht er mit dem Herzoge nach Ilmenau und Eisenach, wo er an den Jagtzerstreuungen des Herzogs sich betheiligt. Am 27. November unternimmt der Herzeg eine große Jagdfahrt; Göthe bleibt in Weimar bis zum 29. zurück, wo er die berühmte Harzreise begann. „Durch einen ziemlichen Umweg," sagt er selbst in seinem Commentar zu dem Gedichte „Harzreise“ (B. 2, 358.), schlicht er sich wieder an die Brüder der Jagd an, theilt ihre tagtäglichen heroischen Freuden, um Nachts in Gegenwart einer prafselnden Kaminflamme sie durch Erzählung seiner wunderlichen Abenteuer zu ergößen und zu rühren.") Jene Jagdpartie auf wilde

in den Wanderjahren werde der Inhalt „der Jagb" angegeben, nicht ohne Einfluß gewesen sein dürfte.

1) Diese Darstellung weicht von der seines Tagebuchs (bei Niemer II, 53 f) ab, wonach er seine Jagdgesellschaft erst am 15. Dez. in Eisenach wieder antraf und sie mit seinen Abenteuern unterhielt; am 16. war er schon

Schweine ward nothgedrungen auf das häufige Klagen des Landvolks im Eisenachischen unternommen" (B. 25, 173.). In dem genannten Gedichte erwähnt Göthe zweimal der Jagsgesellschaft:

Leicht ist's folgen dem Wagen,

Den Fortuna führt,
Wie der gemächliche Troß
Auf gebesserten Wegen
Hinter des Fürsten Einzug.

Segne die Brüder der Jagd
Auf der Fährte des Schweins
Mit jugendlichem Uebermuth
Fröhlicher Mordlust,
Späte Rächer des Unbilds,

Dem schon Jahre vergeblich

Wehrt mit Knitteln der Bau'r.

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Den folgenden Januar nahm Göthe an mehreren Schweinehaßen Theil. Am 16. Januar brach ihm ein Eisen in einem angehenden Schweine unter der Feder weg; zwar blicb er selbst verschont, aber ein Jäger ward geschlagen (Riemer II, 56.). Die Erinnerung an diese und ähnliche Jagdpartien scheint ihm sein Gedicht sehr werth gemacht zu haben; ja vielleicht hatte er sich das Detail in Augenblicken bereits zu deutlich ausgebildet und wurde gerade dadurch an der Ausführung gehindert, wie er dies von Hermann und Derethea" fürchtete. 1) Besonders seit seiner Ankunft in Weimar hatte er so häufig die Höfe kleinerer Fürsten besucht und war in Weimar selbst mit so vielen in nahe persönliche Verbindung getreten, daß er es wohl unternehmen durfte, wie er in Hermann und Dorothea" das bürgerliche Leben geschildert batte, in seinem neuen Gedichte fürstliche Personen von den verschiedensten Charakteren auftreten zu lassen und zwar in einer Thätigkeit, in welcher er, da die neuere Kriegslunst den Krieg zu einer epischen Darstellung fast ganz un

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wieder in Weimar. Viehoff (Leben Göthe's II, 377.) nimmt freilich, um beide Berichte in Einklang zu bringen, zu der an sich unwahrscheinlichen Annahme seine Zuflucht, Göthe habe noch am 15. Dez. an der Jagd Theil genommen, wogegen das Stillschweigen des Tagebuches spricht. Noch weniger genau ist Göthe's Darstellung V. 25, 173, wo ich den Ausdruck, er habe als „damaliger Gast“ der Jagd beiwohnen müssen, nicht verstehe, wenn nicht eine Zeitverwechslung zu Grunde liegt; denn im Nov. 1777 war ja Göthe längst in Weimar angestellt.

') Vgl. Brief an Schiller Nro. 269.

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