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Ergänzungsband

zu allen

englischen Ausgaben und zur Schlegel-Tieckschen Uebersetzung

von

Shakespeare's dramatischen Werken.

Enthaltend die

von

J. Payne Collier

in einem alten Exemplare der Folio-Ausgabe von 1632

aufgefundenen und herausgegebenen

Handschriftlichen Bemerkungen und Textänderungen

in

übersichtlich vergleichender Zusammenstellung

bearbeitet und überseht von

Dr. Julius Frese.

Berlin.

Verlag von Franz Duncker.
(W. Beffer's Verlagshandlung.)

1853.

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Einleitung.

Die vorliegende Schrift ist eine Bearbeitung der von I. Bayne Collier aufgefundenen

und im vorigen Winter unter dem Titel,,Notes and emendations to the text of Shakespeare's plays, from early manuscript corrections in a copy of the folio, 1632 etc." als Supplementband zu seiner größeren Shakespeare-Ausgabe veröffentlichten Anmerkungen und Verbesserungen zu Shakespeare's dramatischen Werken. Die Geschichte dieses Fundes ist, nach Collier's eigenem Berichte, kurz folgende: Im Frühjahr 1849 kaufte Collier von dem Londoner Antiquar Rodd ein Exemplar der im Jahre 1632 erschienenen zweiten Folio-Ausgabe von Shakespeare's Dramen. Er wollte daraus die Lücken eines anderen Exemplars derselben Ausgabe, das er bereits besaß, ergänzen; aber grade die betreffenden Blätter waren auch in dem neugekauften Exemplare defect; se legte er es bei Seite und ließ es länger als ein Jahr unbeachtet. Erst im Jahre 1850 veranlaßte ihn die Bemerkung, daß das Buch auf dem Deckel mit „Thomas Perkins his booke — Thomas Perkins' sein Buch" bezeichnet sei - ein Namen, in dem Collier zuerst (irrthümlich) den Richard Perkins, einen Schauspieler aus Shakespeare's und Marlowe's Zeit, zu finden glaubte zu einer näheren Prüfung. Zu seiner großen Ueberraschung entdeckte er nun, daß das Buch durchgehends mit handschriftlichen Randbemerkungen versehen. war, nach dem Charakter der Schriftzüge in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts beigefügt, alle von einer und derselben Hand herrührend, hie und da mit verschiedener Dinte geschrieben, Ergebnisse einer höchst genauen, lange fortgesetten, zu verschiedenen Zeiten wieder aufgenommenen Tertesrevision. Zeile für Zeile war das mühsame Werk sorgfältig durchgeführt: Druckfehler corrigirt, verkehrte Lettern richtig gestellt, verdruckte Worte recht geschrieben, verstellte Verse in Ordnung gebracht, die Interpunction berücksichtigt, wo sie vernachlässigt, berichtigt, wo sie falsch war, dunkle Textesstellen von größerer oder geringerer Bedeutung geändert, aufgehellt, verbessert, die Abtheilung der Dramen in Acte und Scenen ergänzt, Bühnenweisungen für die Aufführung zahlreich beigefügt.

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Die Fülle nicht weniger dieser Randbemerkungen - Collier schäßt sie (die sehr zahlreichen Verbesserungen bloßer Druckfehler eingerechnet) auf ungefähr zwanzigtausend als die Zeit, in der sie wahrscheinlich gemacht worden, als endlich der auf den ersten Blick sich aufdrängende innere Werth mancher Textesänderungen, bestimmten Collier zu öffentlichen Mittheilungen über seine Entdeckung: erst in der Shakespeare-Gesellschaft, deren hochverdientes Mitglied er ist, dann im Athenaeum, endlich in dem obengenannten Buche, worin er gegen funfzehnhundert jener Randbemerkungen aufgenommen hat.

Collier's Entdeckung und Veröffentlichung hat das größte Aufsehen erregt. In England und Deutschland hat das Interesse, welches die Gebildeten beider Nationen an dem Dichter nehmen, in der Arbeit des Correctors neue Nahrung gefunden; in wissenschaftli

chen Zeitschriften nicht allein, auch in Tagesblättern beider Länder ist die Sache besprochen worden; Kritik und Polemik hat sich darüber erhoben; schon liegt als Beweis anerkennenden Interesses für die neuen Lesarten eine zweite vermehrte Ausgabe der ,,Notes and Emendations“, und von Streitschriften gegen Collier's Buch eine kleine Literatur vor. Während Collier in seinem Glauben an die Authenticität der handschriftlichen Lesarten so weit gegangen ist, in einer neuen Ausgabe der Shakespeare'schen Dramen *) dieselben sämmtlich aufzunehmen, ohne jedoch damit — seltsam und unkritisch genug! alle verbürgen zu wollen, sind von anderen Shakespeare - Kritikern theils bedenkliche Zweifel, theils die stärksten Verdammungsurtheile gegen die Kritik des alten Correctors erhoben worden jene von Charles Knight und Alex. Dyce, diese von Sam. Well. Singer und N. Delius.**)

Die Frage ist: welche Stellung haben die Lesarten des alten Correctors in der Kritik des Shakespeare - Tertes? welche Berechtigung zu seinen Emendationen gab dem Corrector seine persönliche Stellung? welche Berechtigung spricht ihm der innere Werth seiner Verbesserungen zu?

Wer war der alte Corrector? Das ist bis jest gänzlich unbekannt; wir wissen nicht einmal seinen Namen. Der Londoner Antiquar, von dem Collier das corrigirte Exemplar kaufte, konnte sich nachträglich nur erinnern, es aus der Provinz (from the country) erhalten zu haben. Seßt läßt ein glücklicher Zufall die Geschichte des Buches bis auf weitere 50 Jahre zurück verfolgen. Im Athenaeum vom 4. Juni berichtet Collier, daß nach der Veröffentlichung seiner „Notes and Emendations" und nach Einsicht des darin gegebenen Facsimile's von der Handschrift des alten Correctors ein Mr. Parry sich sofort erinnert habe, in früherer Zeit selbst im Besiße des Buches ganz in seiner jetzigen Gestalt ge= wesen zu sein; er hat diese Erinnerung bestätigt gefunden, indem er das Buch selbst wieder in Augenschein nahm, und sie in so entschiedener Form wiederholt, daß an der Wahrheit seiner Aussage nicht zu zweifeln ist; er hat hinzugefügt, daß er vor etwa 50 Jahren das Buch von einem Herrn George Grah geschenkt erhalten, der es seinerseits wieder aus der Bibliothek eines katholischen Geistlichen, Namens Perkins, in Ufton-Court, Berkshire, erstanden habe. So ist das Buch wenigstens bis in den Bestß der Familie zurück verfolgt, welcher es ursprünglich angehört hat, und, indem weitere Nachforschungen ergeben haben, daß eine Familie Perkins in den Jahren 1635 bis 1738 in Ufton - Court ansäßig gewesen ist, darf die Hoffnung gehegt werden, daß die Familien-Papiere und Register zu genauerer Kenntniß der Verhältnisse des Thomas Perkins führen werden. Ein wichtiger Punkt aber in dem vorliegenden literarischen Streite ist schon jetzt durch die Erklärung des Mr. Parry glücklich erledigt: die Uebereinstimmung mancher Textesänderungen des Correctors mit den Conjecturen neuerer Kritiker hatte bei Leuten, die Collier's ehrenwerthen literarischen Charakter nicht kannten oder nicht kennen wollten, Zweifel an der Aechtheit seines Fundes erregt; namentlich Singer's Angriffe waren hauptsächlich dahin gerichtet, jene „remarkable coincidences" zu verdächtigenden Andeutungen zu benußen, als habe sich Collier eine literarische Fälschung erlaubt. Alle diese Zweifel sind nun durch Mr. Parry's Erklärung beseitigt, alle die Verdächtigungen, schon vorher von unparteiischen Kritikern nach Gebühr zurückgewiesen, gründlich vernichtet.

*) Ausgabe in einem Bande, vor einigen Wochen erschienen. **) Die betreffenden Schriften find: Knight: „Old lamps or new?" Dyce: „A few notes on Shakespeare with occasional remarks on the emendations of the manuscript-corrector in Mr. Collier's copy of the Folio 1632." S. W. Singer: The text of Shakespeare vindicated from the interpolations and corruptions advocated by J. P. Collier.“ „I. Payne Collier's alte handschriftliche Emendationen zum Shakspere, gewürdigt von Dr. Nicolaus Delius (Bonn, König).“

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Delius:

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Wie für die Person des Correctors, so fehlt auch für die Zeit, zu der er seine Arbeit machte, jedes äußere, genaue Zeugniß. Nur annähernd läßt sie sich aus seinem Werke selbst bestimmen. Der Charakter der Schriftzüge weist, wie erwähnt, in die erste Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts zurück; die politischen Rücksichten, die vielen Aenderungen des Correctors zu Grunde liegen Einzelnes haben wir in den Anmerkungen besonders hervorgehoben lassen auf eine Zeit schließen, in der die Macht der Stuarts noch unangetastet war, auf die Zeit vor Ausbruch der Unruhen, welche die erste englische Revolution einleiteten; nach einer seiner Randbemerkungen, die sich auf den Tag der Thronbesteigung Elisabeth's bezieht (f. Seite 202, Anmerk. 5), muß ihm eine solche Reminiscenz noch ziemlich nahe gelegen haben. Aus allen diesen Anzeichen ist der Schluß ge= rechtfertigt, die Arbeit des Correctors in die Zeit von 1632 1640 zu seßen. Damit sind selbst die Gegner einverstanden, von denen z. B. Delius zugiebt: „die Correcturen mögen nicht lange nach Erscheinung der zweiten Folio-Ausgabe geschrieben sein." Es ist also ein jüngerer Zeitgenosse Shakespeare's, dessen Werk uns vorliegt.

Für die Kenntniß endlich der Mittel, mit denen der Corrector seine Arbeit unternommen hat, fehlt ebenfalls jeder äußere Anhalt und wir sind abermals lediglich auf sein Werk angewiesen. Das giebt zwar nur indirecte, aber doch genügendere Auskunft, als über die beiden eben besprochenen Fragen.

Einen großen Theil der Randbemerkungen des Correctors bilden die sogenannten stage-directions oder Bühnenweisungen, d. h. Anweisungen für Regie und Schauspieler, wie bei der scenischen Darstellung einzelner Stellen zu verfahren ist. Solche Bühnenweisungen sind in sämmtlichen alten Ausgaben der shakespeareschen Dramen Einzelausgaben so gut wie Gesammtausgaben — im Allgemeinen sehr dürftig und wenig zahlreich; so findet sich, um nur ein Beispiel anzuführen, die oft so wesentliche Angabe, welche Worte aside bei Seite" zu sprechen sind, nach Collier's Versicherung in der Folio von 1632 nur ein einziges Mal in allen sechsunddreißig Dramen; bei weitem die Mehrzahl der jetzt allgemein üblichen Bühnenweisungen sind Zusat neuerer Kritiker. Darf nun aus dem übereinstimmenden Mangel dieser scenischen Weisungen in allen alten Ausgaben der Schluß gezogen werden, daß sie auch in den alten Handschriften, die bei deren Drucke benugt wurden, gefehlt haben, so wird ebenso nach der andern Seite der Schluß gestattet sein, daß der alte Corrector seine derartigen Randbemerkungen ebenfalls nicht aus handschriftlichen Quellen entnommen hat. Dasselbe gilt von der Abtheilung der shakespeareschen Dramen in Acte und Scenen: auch sie ist fast durchgängig in allen alten Ausgaben mangelhaft, auch sie berücksichtigt der Corrector sorgfältig; auch diese Zusäße, wird man daher schließen dürfen, beruhen nicht auf handschriftlichen Quellen. Können nun auch viele Bemerkungen dieser Art — Bühnenweisungen sowohl als scenische Eintheilungen lediglich aus einer verständigen Lectüre und genauen Beachtung der Intentionen des Dichters hervorgegangen sein, so weist doch andrerseits der Charakter namentlich vieler Bühnenweisungen mit aller Bestimmtheit auf eine sinnliche Anschauung hin, die ihnen vorangegangen sein muß; es darf behauptet werden, meinen wir, daß der Corrector einen großen Theil der in Rede stehenden Zusäße nach Aufführungen gemacht hat, die er auf dem Theater als Augenzeuge mit angesehen. Den Beweis dafür tragen in sich die Bühnenweisungen: Seite 11, Anm. 1; S. 12 (Juno descends slowly); S. 40 (Gets in the basket and falls over); S. 125, Anm. 8 und 9; S. 126, Anm. 12; S. 206, Anm. 9; S. 219, Anm. 4; S. 220, Anm. 9; S. 222, Anm. 14; S. 270, Anm. 8; S. 279, Anm. 1; S. 286, Anm. 10 (Schluß); S. 314, Anm. 4; S. 316, Anm. 7; S. 318, Anm. 8; S. 325, Anm. 6 (Schluß); S. 332, Anm. 4; S. 351, Anm. 3; S. 386, Anm. 13; S. 406, Anm. 8; S. 457, Anm. 4; S. 487, Anm. 3; S. 488, Anm. 4.

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