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Wiederholung der ersten, nur entstellt durch neue Druckfehler und sonstige Verkehrtheiten, hie und da aber auch im Einzelnen verbessert; dann im Jahre 1664 die dritte und 1685 die vierte Folio, beide ehne kritischen Werth,,,wenig besser, wie Steevens sagt, als Pa= pierverschwendung," durch die Einführung unächter Dramen als shakespeare'scher Werke doppelt übel berufen.

Das war das Material, welches die Kritik vorfand, als sie im Anfang des vorigen Jahrhunderts sich dem shakespeare'schen Texte zuwandte. Die Kritiker entdeckten sofort die allerdings sehr deutliche Thatsache, daß die alten Drucke sämmtlich von Druckfehlern entstellt sind; sie fanden bald, daß diese sehr häufig über ein blos mechanisches Versehen des Sezers hinausgehen; sie fanden Stellen, wo Fehler des Manuscriptes vorliegen, Nachlässigkeit und Mangel an Verständniß beim Abschreiben oder Sezen den Text verkehrt oder verfälscht haben müssen. Aber die Erfolge, die sie in Verbesserungen solcher Stellen errangen, führten sie auf andern Punkten zu weit. Die Eigenthümlichkeiten der Sprache aus Shakespeare's Zeit waren dem achtzehnten Jahrhundert fremd geworden; eine moderne Philologie gab es noch nicht; so hielten jene Kritiker was ihnen fremd war für unächt, verdorben, falsch. Der freiere Versbau Shakespeare's erregte dem mit antifer Metrik verwöhnten Ohre eines Pope und Hanmer Anstoß; sie fanden es nöthig, den shakespearefchen Vers zu regeln. Wo der Flug shakespeare'scher Poesie zu kühnen Bildern sich versteigt, die Leidenschaft in hastig gedrängter Sprache redet, konnte oft ihre mattere Phantasie, ihr nüchternes Verständniß nicht nach; der Tiefsinn shakespeare= scher Sentenzen war ihnen oft verschlossen. So reinigten sie den Text nach subjectivem Ermessen, ohne bestimmtes Princip, ohne den nöthigen Ernst der Achtung vor des Dichters Geist; einer von ihnen, Warburton, erklärte wohl, er durchblättere „diese Art von Schreibern," wie Shakespeare, um sich von ernsteren Beschäftigungen zu erholen.

Gegen solche Kritik ist in diesem Jahrhundert dieselbe Reaction eingetreten, wie gegen die gleiche subjective Richtung in der classischen Philologie. Die Grundsäge einer strengeren Objectivität haben sich geltend gemacht; man ist mit diplomatischer Treue auf die Textesurkunden zurückgegangen, man studirt die Weise der Schriftsteller, die Sprache ihrer Zeit als ein historisch gegebenes, in sich festes Object. Das Ergebniß dieser Reaction speciell in der Shakespearekritik läßt sich für uns dahin zusammenfassen, daß, gegenüber der bisherigen Conjecturalkritik, als Norm für den Text und damit für die Erklärung die Folioausgabe von 1623 hingestellt ist; man hat die erste Folio für die authentische Ausgabe“ erklärt. Die Anwendung, die Delius gegen den Corrector von dieser Ansicht gemacht hat, ist für uns die Veranlassung des nun beendeten Rückblicks auf die Geschichte des Shakespeare-Textes geworden. Jezt haben wir die Richtigkeit der Ansicht und ihrer Anwendung zu prüfen.

Ist die Folio von 1623 die authentische Ausgabe der shakespeare'schen Dramen? Nein; sie ist die beste, aber nicht die authentische.

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Die Herausgeber der ersten Folio erklären die Quartausgaben für „gestohlen und erschlichen, verstümmelt und entstellt durch die Listen und Diebereien frecher Betrüger,“ ihre eigene Ausgabe dagegen für den getreuen, vollständigen Abdruck der Originalmanuscripte. Entspräche den Worten die That, so müßte bei dem Druck der Folio der Text jener Quartos ganz außer Acht geblieben, möglichst fern gehalten sein. Das ist nicht der Fall; im Gegentheil liegt fast bei jedem Drama, von dem es eine Quarto gab, diese Quarto dem Abdruck in der Folio zu Grunde; so ist „Liebes Leid und Luft“ aus der Quarto sogar mit den Druckfehlern abgedruckt; beim Kaufmann von Venedig“ ist die bei Heyes erschienene, beim „Sommernachtstraum“ die bei Roberts erschienene Quarto, bei Richard II. die von 1615, bei Heinrich IV., erster Theil, die von 1613, beim zweiten Theil die einzige Quarto von 1600, bei Titus Andronicus die von 1611, bei Romeo und Julia die zweite Quarto die Grundlage des Ab

druckes in der Folio. Und zwar ist bei all diesen Dramen das Verhältniß so, daß die Folio nur in Kleinigkeiten von den Quartos abweicht, daß ihre Verbesserungen wesentlich in neu zugesetzten Worten, Säßen, Versen bestehen.

Wäre die erste Folio die authentische Ausgabe, so müßte, troß dieser Verwandtschaft mit den Quartos, ihr Text genauer revidirt und correcter sein, als in diesen. Das ist abermals nicht der Fall. Die Varianten der Quartos haben als solche nicht weniger Geltung als die Lesarten der Folios; es ist nur der jedesmalige innere Werth, wonach für die einen oder die andern entschieden wird; und dabei kommen die Quartos nicht zu kurz.

Ebenso müßte die Folio, wie sie in manchen Dramen, namentlich in Richard III., Hamlet, Othello, Lear, vollständiger ist als die Quartos, auch durchgängig vollständiger sein. Das ist abermals nicht der Fall; umgekehrt, sie hat Lücken, die aus den Quartos ergänzt werden müssen. So, um vom Hamlet zu schweigen, im Lear; da fehlt Act 3., Scene 6. die Stelle von Edgar's Worten: ,,The foul fiend haunts poor Tom - Der böse Feind verfolgt den armen Thoms" bis zu Lear's Worten: False justicer, why hast thou let her 'scape? - Du falscher Richter, läß'st Du sie entfliehen?"; da fehlt am Schluß der folgenden Scene das Gespräch zwischen den beiden Dienern, die ihrem alten Herrn, dem geblendeten Gloster, Hülfe und Geleit zu schaffen sich bereden; da fehlt Act 4., Scene 7. das Schlußgespräch zwischen Kent und dem Edelmann; da fehlt die dritte Scene desselben Actes gänzlich jene bekannte Scene, in welcher der Edelmann dem Kent die wunderschöne Erzählung von Cordelia's Schmerz über ihres Vaters Leiden giebt. Sehen wir uns diese Lücken genauer an. Die fehlenden Stellen wird, wer sie gelesen hat, für spätere Lectüre ungern entbehren; die dritte Scene des vierten Actes zumal ist eine ächteste Perle von Poesie; aber für die Aufführung der Tragödie sind sie nicht unbedingt nöthig. Daß sie in der ersten Folio fehlen, beweist indirect, daß sie auch auf der Bühne, der Heminge und Condell angehörten, weggelassen wurden. Aber aus dem Manuscripte des Dichters verschwanden sie darum doch nicht wie kam es denn, daß sie in der „authentischen“, nach den „,true original copies" gedruckten Folio fehlen?! - Die Antwort giebt sich von selbst: es liegt hier der Beweis vor, daß der Lear nicht nach der Handschrift des Dichters gedruckt sein kann; es ist hiermit zu voller Wahrscheinlichkeit erhoben, daß es bei dem eigenen Theater des Dichters Abschriften seiner Schauspiele gab, die nach Maßgabe der scenischen Bedürfnisse eingerichtet, abgekürzt waren, und daß der Lear nach einer solchen Abschrift gedruckt ist; es ist damit die Vermuthung berechtigt, daß dies auch bei dem Abdruck anderer Dramen in der Folio der Fall gewesen ist und daß sich Heminge und Condell mit ihren ,,true original copies" nicht auf die Originalmanuscripte des Dichters, sondern auf die ursprünglichen Abschriften haben berufen wollen, die für das Theater gemacht und zurecht gemacht waren.

Wäre die erste Folio authentisch, so müßte sie ferner den Text aller der Dramen, die in ihr zum ersten Male gedruckt erschienen, in gleichmäßiger Correctheit geben. Das ist nicht der Fall. Wie die Quartos unter einander von verschiedenem Werth, so sind auch die Texte der einzelnen Dramen in der Folio sehr ungleichmäßig: manche sind überraschend correct, manche niederschlagend incorrect gedruckt; jene lassen sich mit leichter Mühe rein herstellen, diese machen selbst den getreusten Anhängern der Folio (Tieck, Delius) den Mangel eines betrügerischen Nachdrucks" in Quarto bedeutend fühlbar. Solche Ungleichmäßigkeit läßt sich nicht aus abwechselnder Nachlässigkeit und Sorgfalt der Sezer erklären; sie weist daher abermals nicht auf die (doch sicherlich gleichmäßigen) Handschriften des Dichters, sondern auf Abschriften, die den Zwecken des Theaters angepaßt waren, als die Quellen der Folio zurück.

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Eine authentische Ausgabe könnte ferner unmöglich einer so vielfachen, langjährigen

kritischen Nachhülfe bedurft haben und derselben noch weiter bedürfen, wie sie für den shakespeare'schen Text nöthig gewesen ist und noch ist. Gleich die zweite Folio, eine bloße Wiederholung, wie gesagt, ohne allen Anspruch und ohne alle Geltung von Authenticität, mit Fehlern aller Art noch mehr belastet, als jene, hat doch andrerseits so manche Verbesserungen vor ihr voraus, daß der einzige Malone 186 derselben in seine Ausgabe aufgenommen hat. Die Kritik des vorigen Jahrhunderts, so vielfach sie verspottet und zurechtgewiesen ist, so oft sie auch Spott und Abwehr verdient, hat es, troß ihrer Leichtfertigkeit, Ungründlichkeit und Willkür, doch wegen der schlechten Beschaffenheit der alten Drucke vermocht, ihrer Arbeit die gegründetsten Ansprüche auf die Dankbarkeit der Shakespeare-Leser zu sichern; eine unparteiische Beurtheilung wird nicht umhin können, die løbende Anerkennung von Gervinus gerecht zu finden, daß „namentlich die späteren unter jenen Herausgebern und Auslegern mit der unverdrossensten Durchforschung zahlloser und werthloser Quellen den Dichter sprachlich und fachlich erst lesbar und genießbar gemacht, sachlich unverständliche Stellen durch zweckmäßige Erklärung in Schönheiten umgestaltet und einzelne sprachlich verderbte durch scharfsinnige Vermuthungen in wahre, ja hie und da selbst in hohe Poesie verwandelt" haben. Und alles das ohne und gegen die „authentische“ Folio. Ja, auch noch die heutige Kritik kann troß größerer Zurückhaltung weder der Conjecturen ganz entbehren, noch fühlt sie sich, in der desfallfigen Uebung ihres Scharfsinns, durch die Autorität der „authentischen“ Folio besonders genirt; vorausgeseßt, daß eine Conjectur von ihm selbst ist, hält sich selten ein Kritiker der neueren Richtung verpflichtet, sie vor der alten Lesart zurückzuhalten oder zurückzuziehen.

Eine authentische Ausgabe müßte endlich doch zum mindesten als Kayon für die Aechtheit der in ihr enthaltenen Dramen, für die Unächtheit derer gelten, die von ihr ausgeschlossen sind. Die erste Folio gilt selbst für ihre Anhänger nicht als Kanon. Die Aechtheit des Titus Andronicus gilt nicht damit als erwiesen, daß dies Drama in die erste Folio aufgenommen ist, noch die Unächtheit des Pericles als erwiesen, weil er darin fehlt; die Aechtheit jenes Drama's wird troßdem angezweifelt, die Aechtheit dieses Drama's troßdem vertheidigt. Danach bleibt von der Autorität der ersten Folio als „der authentischen Ausgabe“ nichts übrig; sie hat als solche nicht verhindern können, daß Lesarten der andern alten Ausgaben, Conjecturen älterer und neuerer Herausgeber und Erklärer in den jetzt üblichen Text aufgenommen sind; sie kann - als solche - nicht verhindern, daß Lesarten unserer Handschrift in den Tert aufgenommen werden.

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Haben wir so für kritische Beiträge des Correctors vollen Raum gewonnen, haben wir in seinem Verhältniß als jüngeren Zeitgenossen des Dichters, in seiner nahen Beziehung zum Theater und in seiner als wahrscheinlich nachgewiesenen Bekanntschaft mit handschriftlichen Hülfsmitteln die äußere Berechtigung zur Revision des Textes aufgezeigt, haben wir in jener Kategorie der 329 Stellen eine Anerkennung der innern Berechtigung für einen Theil seiner Arbeit von Seiten der Gegner entgegengenommen, so ist nun diese innere Berechtigung auch für den größeren Theil des Werkes zu prüfen, welcher des Correctors alleiniges Eigenthum ist. Natürlich beschränken wir uns dabei auf einige Hauptkategorien seiner Verbesserungen.

Einen festen Anhalt gewähren hier die Zusäße des Correctors, sofern sie nicht blos einige Worte zu Ergänzung des Verses oder Herstellung des Reimes, sondern entweder kleine Säße in Prosa oder ganze Verse bieten. Die Stellen finden sich :

1) Zusäße in Profa: All's well that ends well, Act I, Sc. 3 (pag. 176) und Act II, Sc. 4 (pag. 180); What you will, Act II, Sc. 3 (pag. 196);

2) neue Blankverse ohne Reim: Two Gentlemen of Verona, Act IV, Sc. 3 (pag. 24); Winter's tale, Act V, Sc. 3 (pag. 216); Henry IV., Part 2., Act I, Sc. 3 (pag. 272); Coriolanus, Act III, Sc. 2 (pag. 396);

3) neue, gereimte Verse: Comedy of Errors, Act IV, Sc. 2 (pag. 68); Love's Labour's lost, Act IV, Sc. 1 (pag. 96); As you like it, Act II, Sc. 4 (pag. 144); Henry V., Act III, Sc. 2 (pag. 288); Henry VI., Part II, Act II, Sc. 3 (pag. 320).

Die verhältnißmäßig große Zahl dieser Stellen zuvörderst darf nicht auffallen; Auslassungen dieser Art sind in den alten Shakespeare-Ausgaben nur zu häufig; wir erwähnten schon, daß bald die Folios die Quartos, bald die Quartos die Folios ergänzen, und auch solche mit den Quartos übereinstimmende Zusäße zu den Folios hat der Corrector gemacht (f. u. pp. 267 und 268, Sc. 5; 343 und 344, oben; 347 und 348, Gespräch zwischen Richard und Ratcliff; 491 und 492, unten; 503 und 504, Sc. 6); zum Ueberfluß sei noch erwähnt, daß selbst in diesem Jahrhundert in England, wo bekanntlich die Correctheit des Druckes zu wunderbarer Vollkommenheit gediehen ist, in der von Boswell besorgten Malone'schen Shakespeareausgabe, wie Collier angiebt, drei ganze Verse aus Versehen weggelassen sind. Auch sind die eilf Dramen, welche die Zufäße des Correctors treffen, fast sämmtlich solche, die zuerst in der Folio gedruckt worden; nur von zweien, dem zweiten Theil von Heinrich dem Vierten und von Liebes Leid und Lust, giebt es eine Quarto; denn die Quartos von Heinrich V. können hier nicht in Betracht kommen, da dies Drama in seiner vollständigen Gestalt auch zuerst in der Folio erschien. So sind jene Lücken um so eher erklärlich. Aber die Zusäße des Correctors bedürfen des Schutzes dieser einleitenden äußern Gründe nicht einmal; sie tragen den Beweis ihres Ursprungs in sich; wir können nicht anstehen, sie alle ohne Ausnahme als echt in den shakespeare'schen Text aufzunehmen.

Eine zweite wichtige Kategorie umfaßt die zahlreichen Stellen, an denen der Corrector in bisher reimlosen Versen den Reim herstellt. Die betreffenden Stellen, natürlich ohne diejenigen, wo der Corrector anstatt eines in den alten Ausgaben schon vorhandenen Reims nur einen andern sett, sind übersichtlich geordnet folgende:

1) Herstellung des Reims mit bloßer Veränderung der Worte, so daß das reimende Wort nur die Stelle eines andern, nicht eine bisher leere Stelle einnimmt: Two Gentlemen of Verona, Act I, Sc. 2 (pag. 20), Act V, Sc. 4 (pag. 28, unten); Comedy of Errors, Act III, Sc. 1 und Sc. 2 (pag. 64); Much ado about nothing, Act V, Sc. 3 (pag. 84); Love's Labour's lost, Act V, Sc. 2 (pag. 104, unten); Summernightsdream, Act I, Sc. 1 (pag. 112, oben); As you like it, Act III, Sc. 3 (pag. 148), Act V, Sc. 3 (pag. 152); Taming of the Shrew, Induct., Sc. 2 (pag. 160), Act I, Sc. 1 und Act II, Sc. 1 (pag. 164); All's well that ends well, Act II, Sc. 1 (pag. 176 despair most fits); Richard II., Act II, Sc. 2 (pag. 240, unten); Henry IV., Part I, Act III, Sc. 1 (pag. 260); Part II, Act V, Sc. 3 (pag. 280); Henry V., Act III, Sc. 2 (pag. 288 God's vassals feel the same, und pag. 292); Henry VI., Part I, Act I, Sc. 1 und Sc. 2 (pag. 300), Act IV, Sc. 7 (pag. 308), Act V, Sc. 3 (pag. 312); Part II, Act I, Sc. 3 (pag. 316), Act II, Sc. 3 (pag. 320); Act IV, Sc. 5 (pag. 324); Titus Andronicus, Act I, Sc. 2 (pag. 408), Act II, Sc. 2 (pag. 412), Act V, Sc. 3 (pag. 416); Timon, Act I, Sc. 3. (pag. 436); Hamlet, Act V, Sc. 2 (p. 488); Lear, Act I, Sc. 4 (p. 496).

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2) Herstellung des Reims mit gleichzeitiger Ergänzung des Verses: Two Gentlemen of Verona, Act I, Sc. 1 (pag. 16); Comedy of Errors, Act IV, Sc. 2 (pag. 68); Love's labour's lost, Act IV, Sc. 2 (pag. 96); As you like it, Act V, Sc. 4 (pag. 152, unten); All's well that ends well, Act I, Sc. 3 (pag. 176); Timon, Act IV, Sc. 2 (pag. 440); Macbeth, Act I, Sc. 3 (pag. 460, oben); Lear, Act II, Sc. 4 (pag. 496, unten).

Auch die Anzahl dieser Reime wird Niemandem auffallen, der sich aus eigener Anschauung überzeugt hat, wie ungenau die alten Ausgaben in dem Druck gereimter Verse find; sie drucken, was unverkennbar ein gereimtes Couplet ist, als Prosa ohne Versabtheilung hinter einander fort; sie geben auch wohl in den so gedruckten Stellen den ersten

Worten der Verse große Anfangsbuchstaben; sie haben aber diese großen Anfangsbuchstaben auch in solchen Stellen, die wirklich Prosa sind.

Bei der Kritik dieser Reime haben es sich die Gegner außerordentlich bequem gemacht; Delius nimmt den Corrector einfach für einen reimlustigen Leser, der zu seinem Vergnügen darauf los reimt. Damit kommt aber die Kritik nicht weiter. Es ist nöthig, den Charakter der Dramen und der Stellen insbesondere zu beachten,, in welche die neuen Reime Einlaß begehren.

Die überwiegende Mehrzahl trifft Lustspiele, die der ersten und zweiten Periode Shakespeare's angehören: Die beiden Veroneser, die Comödie der Irrungen, der Widerspenstigen Zähmung, Liebes Leid und Lust, Ende gut Alles gut, Sommernachtstraum, Viel Lärmen um nichts, Wie es euch gefällt, und von den Historien derselben Zeit: Titus Andronicus und die beiden ersten Theile Heinrich's VI. In allen diesen Dramen sind bekanntlich Blankverse und gereimte Verse mit einander gemischt; es giebt da ganze gereimte Scenen, gereimte längere Stellen, gereimte Ausgänge von Reden und Scenen; ihr allgemeiner Charakter läßt also eine Vermehrung ihrer Reime wohl zu.

Von der geringen Zahl der Reime, die auf spätere Dramen fallen, ist der eine im Hamlet von vorn herein auszuscheiden; er ist nur gemacht, um das Stück in seiner Verkürzung abzuschließen (s. Anmerkung 12 auf S. 493), und findet in dieser Rücksicht seine entschuldigende Erklärung. Sonst ist im Allgemeinen hervorzuheben, daß der Dichter auch in seiner spätern Periode den gereimten Vers in einiger Anwendung behalten hat, so in den pathetischen Stellen in Richard II., und im Timon (vielleicht aus einer ersten Bearbeitung) noch häufiger. Für die andern Dramen (Heinrich IV., Heinrich V., Macbeth, Lear) müssen wir näher auf das Einzelne eingehen.

Die Stellen, um die es sich hier handelt, werden sich am besten unter gewissen Rubriken übersehen lassen. Der Correktor führt den Reim ein:

1) bei Abschnitten in der Scene (wo Personen abgehen oder auftreten) und bei Ausgängen von Scenen, Acten, Dramen: p. 20 (better, letter; think, wink); p. 28; p. 112; p. 152 (go, even so); p. 160; p. 164 (winning, cunning); p. 260; p. 300 (steal, weal); p. 316; p. 324; [f. auch p. 488.]

2) bei Ausgängen von Reden innerhalb der Scene: p. 104; p. 176 (despair most fits); p. 300 (me, flee; true, you); p. 308; p. 408; p. 416.

3) mitten in Reden oder Gesprächen; auch ganze Stellen, die jest gereimt erscheinen, rechnen wir hierher: p. 16; p. 20 (can, gentleman); p. 64 (unkind debate); p. 68; p. 84 (well, tell); p. 96 (Looking babies etc.; look, book etc.) und 98; p. 164 (face, race); p. 240; p. 312 (such, touch; ween, queen etc.); p. 320; p. 412; p. 436; p. 440.

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4) in Liedern, Sprüchen: Probsteins (p. 148), der beiden Pagen, in Wie es euch gefällt (p. 152), der Here im Macbeth (p. 460), des Narren im Lear (p. 496 it follows.) 5) in Citaten: p. 144 (And begins to fail with me); p. 176 (good sooth it was); p. 280 (Where is the life etc.); p. 288 (Knocks go and come etc.); p. 292 (now, bough); p. 496 (Fools had ne'er etc.)

Die ersten beiden dieser Kategorien bedürfen im Allgemeinen keiner weiteren Besprechung; sie umfassen solche Stellen, an denen der Reim in den ersten Dichtungen Shakespeare's durchaus gebräuchlich und selbst in den späteren nicht ungewöhnlich ist. Damit soll nicht jeder einzelne neue Reim dieser Art als echt vertheidigt werden; ab und zu hat der Corrector des Guten wohl zu viel gethan; aber die Mehrzahl hält Stich vor der Kritik und bei den übrigen wird sie mit der Verwerfung vorsichtiger sein müssen, als mit der Aufnahme.

Die dritte Kategorie enthält des Interessanten und Streitigen viel. Einige dieser neuen Reime sind, außer durch innere Wahrscheinlichkeit, durch die Umgebung schon vor

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