Oldalképek
PDF
ePub

ahnende Ideen, die, mit passender Gestalt bekleidet, geeignet sind zur Anschauung, weil sie ein Theil des geistigen Lebens der Menschen geworden sind, mit dem es die Poesie ja einzig und allein zu thun hat. Aendert sich aber jene Anschauung und nimmt das Gefühl eine andre Richtung, so muß auch die Darstellung geändert werden, wenn sie mehr als ein bloßer, schnell vorübergehender Zeitvertreib seyn will. Ist aber die Dichtung auf geschichtlichem Boden, so kann sie jedesmal getreu alles Wunderbare, was das Zeitalter glaubte, in ihren Kreis aufnehmen, ja sie muß es sogar, weil ein solcher Glaube nicht ohne Einfluß auf die Lebensgestaltung und ein wesent licher Theil der bestehenden Ansichten ist. So konnte, um ein Beispiel anzuführen, Walter Scott in dem herrlichen, gewöhnlich verkannten Kloster, die Sage von der weißen Frau des Hauses Avenel nicht weglassen; denn er würde das Bild der Zeit verfälscht und den Begriffen, die sich an jenes Haus knüpften, einen so wesentlichen Theil entnommen haben durch die Auslassung desselben, als hätte er ihre Burg in ein gewöhnliches Landhaus verwandelt und ihnen den Adel entzogen. Solche geglaubte Erscheinungen gewinnen eine solche Macht über die Phantasie, daß sie selbst entscheidend wirken im gewöhnlichen Leben, und sie haben durch diese historische Beziehung noch ihren ganzen Werth für uns. Allein in eine Zeit, wo der Glaube an das Unerklärliche eine andre Gestaltung gewonnen, die Wahngebilde vergangener Geschlechter, auf welche religiöse Verständnisse oder Mißverständnisse, Mangel gewiffer, zu andern Zeiten allgemein verbreiteter Kenntnisse den entschiedensten Einfluß hatten und ihnen die eigenthümliche Gestalt, in der wir sie erblicken, verliehen, übertragen zu wollen, ist eine vergebliche Mühe. Der Dichter kann wohl aus der Zauberbüchse der Pandora einen solchen poetischen blauen Dunst aufsteigen lassen, aber in der verdünnten Atmosphäre der Gegenwart zerrinnt er schnell und mit ihm die Gestalten, die sich darin im Kräufeln seines Nebels bildeten. Nehmen wir z. B. die Idee des Uebels und den Glauben an seine Quelle, so mußte nothwendig zu einer Zeit, wo die Vorstellung eines teuflischen Wesens sich zu einem mit bestimmten Umrissen verschenen Bilde geformt hatte, der Einfluß, der ihm auf das menschliche Gemüth beigelegt ward, auf andre Weise stattfinden, und kann daher auch im poetischen Bilde jener Zeit anders dargestellt werden, als spåterhin, wo das Bild verschwunden und nur die Idee geblieben ist. Zwar hat die Poesie die magische Beschwörungsformet in der Gewalt, alle dunkeln Gefühle des Gemüths in das Leben zu rufen, die aber auch in noch so schöner Gestaltung erst durch ihre Verbindung mit den Menschen, gleich Undine, ihre wahre Seele erhalten und darum sich seinem Glauben und Ahnen befreundet zeigen müssen.

Wohl darf man dem Verfehlen des eben ausgesprochenen Grundfaßes die Kålte zuweilen zuschreiben, mit der manche Hervorbringungen des romantischen Bestrebens mitunter aufgenommen werden, und minder gegründet möchte die Annahme seyn, daß die meisten Men= schen unpoetisch und daher für wahrhaft poetische Gegenstånde unempfänglich seyen. Die musikalische und pittoreske Erregsamkeit der bei weitem meisten Menschen zeigt schon, daß die Verbildung selten ganz jenen glimmenden Funken auslöscht, der in dem Dichter sich als Flamme zeigt. Es dürfte daher so schwer nicht seyn, durch wahrhaft gelungene romantische Darstellungen jene Verbildung zu befeitigen und die Phantasie auf gehörige Weise in Thätigkeit zu fehen. Wenn aber das Wunderbare ohne vollkommene Gestaltung, ohne gehöriges Eingreifen in dem Kreise, in dem es wirken soll, innerlich schlaff und mit unnöthigem Flitterstaat beladen, und in den grellsten Farben das Auge ermüdend, auftritt, wie es denn wirklich oft geschieht, so kann dergleichen freilich nicht jedermann ansprechen, sondern nur manche durch die bunten Farben anziehen, ohne weiter anzuregen, andern schon poetisch empfänglichern Gemüthern aber zur Anregung dienen, um durch diesen höhern oder geringern Grad romantischer Wärme in das Reich der Ahnung, das ihnen leicht aufgeht, versezt zu werden. Ohne nun gerade leugnen zu wollen, daß auch das echt Romantische manchmal kalt aufgenommen werde, läßt sich doch annehmen, daß die Schuld meist am Mangel der Kunst bei der Ausführung liegt, und daß die Menschen nicht im Allgemeinen solche Philister sind, als so viele dichtende Leute in ganzem Ernste sagen; denn der Humor hat seine eignen Rechte. Jene Klage ist schon so oft vorgekommen, daß man wünschen möchte, sie einmal verstummen zu sehen; doch ist auch Hoffmann nicht frei davon, und es kann für seine Ansichten einen guten Maßstab geben, wenn er meint, die Anerkennung Tieck's in seiner ganzen, hohen Vortrefflichkeit bleibe der Nachwelt vorbehalten, während schnell aufflackernde Irrlichter, die mit erborgtem Glanz das Auge zu blenden vermochten, wieder verlöschen. Keineswegs verkennt die Mitwelt Tieck's schönen Humor und sein musikalisches Talent in der Poesie, sondern übersieht sogar dankbar für das dargebotene Herrliche die oft über Gebühr in seinen Darstellungen herrschende Schlaffheit und Nachlässigkeit, die so weit geht, daß er unter den beffern Dichtern in diesem Puncte seines Gleichen nicht findet. Allein die Nachwelt würde ihn eben so wenig verstehen können, als nach Hoffmann die Mitwelt thut, wenn es wahr wäre, was er fagt, daß nämlich nur der Dichter den Dichter verstehe, daß nur ein romantisches Gemüth eingehen könne in das Romantische, nur der poetisch exaltirte Geist, der mitten im Tempel die Weihe empfangen, das verstehen könne, was der Geweihte in der Begeisterung ausspricht. Die poetischen

[ocr errors]

Werke hervorzubringen, erfodert eine Kraft, die freilich nur ausnahmsweise stattfindet, aber das Nichtverstehen derselben ist gewiß eben so gut eine Ausnahme, und es ist durchaus eine optische Tâuschung und historisch erweislich eine Umwahrheit, wenn Hoffmann mit den allzu lebhaften Verehrern früherer Zeiten behauptet: Da= mals glühte in der Brust des Berufenen das innige, heilige Bestreben, das im Innersten Empfundene in herrlichen Worten auszusprechen, und selbst die, welche nicht berufen waren, hatten Glauben und Andacht, sie ehrten die Dichter und Propheten, die von einer herrlichen, unbekannten Welt voll glänzenden Reichthums weissagen und wähnten, nicht auch unberufen selbst in das Heiligthum treten zu dürfen, von dem ihnen die Poesie die ferne Kunde gab. Nun ist aber alles anders geworden, weil reich gewordene Bürgersleute die Künste zur Dressur ihrer Kinder mißbrauchen und herabwürdigen." Allein dazumal, wie heute, waren zwar viele berufen, aber wenige auserwählet, und das Handwerksmäßige hatte einen großen und gewiß größern Einfluß, als heut zu Tage, so daß kein Mangel war an kunstlosen Schalken, wie sie Walter von der Vogelweide nennt, und ihre Behandlung nicht poetischer war, wenn auch der Stoff schon viel Romantisches hatte, weil der Glaube gestaltender auf das Leben wirkte. Die Nachahmung ihrer Manier and selbst mancher Einzelheiten vermag, troß des Alterthümlichen, das immer einigen Reiz hat, uns doch nicht das Gezierte und mitunter Shlaffe, Unbeholfene, was dort so oft stattfand, zu verbergen. Zwar ha. Hoffmann sich in der Diction fern von der Ziererei der galant verwelschten Sprache, die bei Fouqué so häufig die Erzeugnisse sei= ner oft kräftigen, gesunden Phantasie mit einem widerlichen Firniß übergleißt, gehalten, bis auf einige ganz leise, unbedeutende Anflüge, als z. B. das fatale: geheißen, B. oder N. geheißen. Doch mag in der Composition und Erzählungsweise der Glaube an die unbedingte Vortrefflichkeit alles dessen, was die ältern Dichter darstellten und wie sie es darstellten, seinen Einfluß auf ihn nicht verfehlt und mit beigetragen haben, ihn in der Vorliebe für Wunderbares und Wundersames in der Poesie zu bestärken. Jedoch wann gab es einen wahren Dichter, und die neuere Zeit hat allerdings ei= nige aufzuweisen, von dem nicht gelten muß, was Hoffmann bei den alten sucht, von denen er schlechtweg im Allgemeinen sagt: „Ihr Dichten war ein Trachten aus dem Innersten heraus, diejenigen Laute anzugeben, die die Natur als ihre eignen in jedem Wesen auf tausendfache Weise wiedertönen läßt. Der Dichter Gesang war ihr Leben und sie sehten ihr Leben daran, als an das Höchste, das das Schicksal, die Natur ihnen vergönnt hatte, zu verkünden." Die wenigen wahren Dichter der alten romantischen Zeit, denn ihre Zahl ist wirklich sehr gering, können gewiß auch zur Belehrung dienen in

der Form und Behandlung, aber nicht dadurch, daß man die ihrige nachahmt, sondern erwägt, wie sie sich zu der Lebensgestaltung ihrer Zeit und dem Stoff insbesondere verhält, um auf verändertem Standpuncte nicht Formeln zu wiederholen, sondern ihre Einsicht und Besonnenheit sich zu Herzen zu nehmen, und wo sie das Rechte getroffen, aus ihrem Verhalten zu ihrer Zeit zu lernen, wie man sich zu der seinigen zu verhalten habe.

In den meisten Erzählungen Hoffmann's ist es unverkennbar wahrzunehmen, daß er sich durch alle Ideen, die er sich vom Wunderbaren, Ungewöhnlichen, Seltsamen im Leben gemacht oder ange= nommen hatte, durchzuexperimentiren suchte, und daß bei vielen, so sehr auch alles darin in poetischem Taumel die Haare stråubt, das von ihm aufgestellte ferapiontische Anschauungsprincip nicht stattfin= det. Denn wenn sich etwa die Erzähler selbst mit ihrer serapiontischen Tüchtigkeit brüsten und einander loben, so muß man das nicht To genau nehmen, und wiewohl jedem derselben aufgegeben war, wohl zu prüfen, ob er auch wirklich das geschaut, was er zu verkünden unternommen, ehe er es wagt, laut damit zu werden, so kann man leicht denken, daß ein solches Selbsteramen nicht zu streng auszufallen pflegt. Bei einem Dichter nun, der Ideen und Principe darzustellen sucht, (denn vom Princip ist so häufig die Rede, daß man es niemand verdenken könnte, wer mit Dionysos in Aristopha= nes Fröschen sagte:

Allmächtiger Gott, welch große Menge Principe doch?

Ich meines Ortes will wahrhaftig in das Bad;

Denn unter diesen Principen krieg' ich Nier’ngeschwulst,)

[ocr errors]

fragt es sich, ob denselben eine Wahrheit kann zugestanden werden, oder ob Täuschungen darunter sind. Im Vorwort zur Prinzessin Brambilla protestirt zwar der Dichter gegen das Beginnen, seine bunte Mährchenwelt überall allegorisch und ernst bedeutend zu neh= men; allein so wie auch der allerwunderlichste, seltsamste Traum immer nur ein Reflex des Lebens ist, wie sehr er auch die Züge desselben verzerren mag, so auch das Mährchen. Ohne sich auf die Gefühle und Ansichten des Lebens und seine Gestaltung und Form zu beziehen, würde ein Mährchen nur unverständlicher Unsinn seyn und dem Geiste nichts zur Anschauung darbieten; es kann daher nur die Erscheinung des Lebens höher potenziren und verklären oder fie in der Allegorie abspiegeln. Dies hat auch Hoffmann gethan, und seine Mährchen sind nur loser gehalten, so daß nicht alle ein= zelne Züge zu einer Allegorie zusammenlaufen, sondern vieles darin arabeskenartig bleibt; aber auch die Arabeske ist nur phantastische Mischung wirklicher Formen, direct dargestellt oder in der Carricatur reflectirt. Gerade durch das Bestreben, das Allegorische allzusehr zu

überbieten und die Züge des Lebens in das Allergrellste hinein zu verzerren und zu den sonderbarsten Arabesken durch die launenhafteste Mischung zu verschlingen, leiden selbst die bessern Stücke fast alle an Ueberladung, die natürlich nirgends unangenehmer wirkt, als gerade beim Grellen, Pikanten. Zwar soll gewöhnlich der, welcher fich über dergleichen Ueberladung beschwert, nach der gewöhnlichen Ausflucht, den Grund seines beleidigten Gefühls in seinem Mangel an innerer Poesie und in seiner Nüchternheit suchen, und dies wird auch oft bei diesem Dichter hervorgehoben, wo das Häuflein Auserwählter auf seiner Höhe schmerzlich und in nothgedrungener Ironie auf die meisten Menschen herabsicht und sie für Prosaiker hält, weil besagte Auserwählte in dem beständigen Drange, in dem sie leben, nie, was still und göttlich aus der Tiefe des Herzens steigt und in ruhiger Seligkeit sich nur als Lichtblick kund gibt, bemerken können, sondern überall nur die Grimassen und starken Mienenspiele für Ausdruck des poetischen Sprudels, der im Innern kocht, halten, und sogar in der Hast so wenig Unterschied machen, daß sie selbst die Schmerzensgesichter, die es bei den chirurgischen Operationen des Lebens gibt, mit hineinziehen. Aber wer Arabesken da liebt, wo sie hingehören, ohne alle Wände seiner Zimmer nebst Fußboden und Decke und dem kleinen Rest von Außenseite, Dachziegel und seinen Hausrath damit übersåen zu wollen ; wer die ganze Seligkeit der Musik fühlt, ohne sein Gehör zur Ertragung des wirresten Chariwari's abgehärtet zu haben, wird sich nicht überreden lassen, daß in dem Ueberladenen der wahre Geschmack zu suchen sey, so wenig, als in dem blos Leeren. An das Gefühl zu appelliren und es zu dem Vehikel aller Verwirrung und aller verblasenen Dinge zu machen, beruht auf einem Sprachgebrauch, der die Geisteskräfte ganz trennt, aber nur im Wort, nicht in der That; denn alle geistigen sogenannten Gefühle sind die Wirkung von Vorstellungen, hängen mithin von Formen ab und sind daher durchaus von sinnlicher Anschauung ausgegangen; denn wo gåbe es je eine Vorstellung ohne Form, und wo eine Form, die nicht ursprünglich von sinulicher Aperception ausgegangen wäre? Die höhere Ahnung, welche vor den Formen steht und das Göttliche dahinter sucht, kann daher keineswegs von der bloßen Buntheit, Bizarrerie und dem wirren Durcheinanderschwärmen vieler Gestalten geweckt werden, sondern von dem aus der Form strahlenden, göttlichen Abglanz, von dem Blick, in welchem ein dunkler, uns nicht meßbarer Geistesquell uns unser eignes Spiegelbild als treu und doch unbegreiflich zurückwirft. Sehr oft ist es nur zur Phrase geworden, was manche von dem Aufschließen des romantischen Reiches sprechen, und man wird oft in eine wunderliche Polterkammer geführt voll Reliquien, deren Echtheit man bezweifeln kann. Manchmal auch, wenn das Hochgeistige, Ueberverzückte

« ElőzőTovább »