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Sturme gewachsen, bald darauf besser zu sorgen, als er (4. Seps tember 1790) von seinem Ministerposten heimlich davonlief. Bei dem unglücklichen Versuche der königlichen Familie, aus Frankreich zu entfliehen (20. September 1791), thut es wehe, zu sehen, wie ein sonst wohlberechneter Plan durch das unglückliche Festhalten an kleinen Gewohnheiten, Eitelkeiten und Bequemlichkeiten vereitelt wird. Hätte die Königin nicht darauf bestanden, eine Flucht einzu= richten, wie eine Reise in der Zeit der tiefsten Ruhe; hätte der König nicht vor St. Menehould einen verderblichen Aufenthalt beinahe muthwillig verursacht; håtte er nicht vor dem Posthause sich nach allerlei unnöthig erkundigt, so wäre vielleicht die Grenze glücklich ge= wonnen, von der königlichen Familie ein trauriges Loos und von dem Volke ein abscheuliches Verbrechen abgewendet worden.

Zufällig verschaffte dieser verunglückte Versuch der Flucht dem königlichen Hause einen neuen, sehr ergebenen und einflußreichen Anhänger in dem Deputirten Barnave. Er blieb von da an in beständiger geheimer Verbindung mit dem königlichen Paare und ließ es sein eifrigstes Bestreben seyn, den König der Nation und die Nation dem Könige wieder zu gewinnen. Allein wenn auf der einen Seite republicanischer Fanatismus schon die meisten Köpfe bethört und den ehrgeizigen Häuptern der Factionen eine solche Gewißheit des Sieges gegeben hatte, daß ein Umkehren auf ihrem. Wege nicht mehr zu hoffen war, so scheiterten Barnave's und seiner Freunde wohlgemeinte Bemühungen auch an der Festigkeit, womit die Königin gewisse vorgefaßte Ansichten festhielt. Sie ließ sich, nachdem doch Ludwig XVI. die Constitution angenommen und bes schworen hatte, worin alle erbliche Standesunterschiede aufgehoben waren, nicht bewegen, ihren Hof etwas nach der neuen Ordnung der Dinge einzurichten. Vielleicht," sagte sie bei dieser Gelegenheit, ,,werde ich einst finden, daß ich den Adel håtte retten können, wenn ich den Muth gehabt hätte, ihn für eine Zeit lang zu kränken. Ich habe diesen Muth nicht. Eine Maßregel mir abdringen zu lassen, welche ihn beleidigen müßte, würde mir zu schmerzlich seyn, niemand würde zu meinem Spiel kommen, der König müßte einsam zu Bette gehen."

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Wahrhaft tragisch ist von dem Zuge nach Paris an (6. Oct. 1789) die Schilderung, welche Mad. Campan von dem innern Le= ben der königlichen Familie macht. Die Hingebung, mit welcher Ludwig XVI. sich öffentlich in alle Unmaßungen der Nationalversammlung fügte, verwandelte sich in den innern Gemächern in tiefes, schmerzliches Gefühl der erlittenen Kränkungen. Die Deputirten des Voks ahneten nicht, daß sie, indem sie ihre eigne thörichte Eitelkeit auf Kosten der königlichen Würde befriedigten, sich selbst des Ansehens beraubten, welches ihnen so nothwendig war. Nach,

dem man bei der souverainen Nation die Ehrfurcht gegen ihren König ausgerottet hatte, war nicht zu verlangen, daß ein Volksdepu= tirter einigen Respect einflößen solle.

Das lehte Ereigniß, womit Mad. Campan ihre Erzählung schließt, sind die in ihrem Entstehen und ihrem Fortgange noch immer råthselhaften Vorfälle des 10. August 1792, wo die Tuilerien vom Volke gestürmt wurden und die königliche Familie zwar zuerst in der Mitte der Nationalversammlung einen Schuß gegen die Volkshaufen, dann aber ein Gefängniß im Tempel fand, aus welchem Ludwig XVI., die Königin und die Prinzessin Elisabeth auf das Schaffot geführt wurden. Von den Bewohnern und Vertheidigern der Tuilerien verloren 1200, von den Angreifenden 4 bis 5000 das Leben. Mad. Campan wurde von ihrer Gebieterin getrennt; sie konnte von Pethion die Erlaubniß, ihr in den Tempel zu folgen, nicht erhalten.

R. E. S.

VI.

1) Denkwürdigkeiten der Carbonari. Aus dem Original überseht von Heinrich Döring. Weimar, Gebr. Hoffmann. 1822. X u. 226 Seiten. 8. Mit 12 Kupfern und einem Holzschnitt.

2) Denkschriften über die geheimen Gesellschaften im mittåglichen Italien und insbesondere über die Carbonari. Stuttg. u. Tüb. Cotta, 1822. XVI u. 271 Seiten. 8. Mit 12 Kupfern und einem Holz= schnitte.

3) Ueberlieferungen zur Geschichte unserer Zeit. Juli-Heft 1822. Die geheimen politischen Gesellschaften in Italien. G. 287-310. 4) G. F. Cauchard - d Hermilly: Des Carbonari et des fendeurs Charbonniers. Paris L'Huilliers, 1822. 55 p. 8.

In keinem Zeitalter hat die Meinung, bestehende Staatseinrichtun

gen seyen dem Volke nachtheilig und lästig, sich so häufig ausgesprochen, als im gegenwärtigen. Vielfache Versuche sind gemacht worden, die Aenderung, die den Wünschen gemäß nicht von selbst vor sich gehen wollte, durch gesezwidrige Gewalt herbeizuführen, und eben so vielfache Erfahrungen haben bewiesen, daß auch der neue Zustand den Anforderungen Aller zu wenig entsprach, um gegen an= dere widersprechende sich aufrecht erhalten zu können. Entfesselter und unvereinbarer Egoismus hat in sonst gesegneten Reichen mit

sich selbst einen wüthenden Kampf gestritten, und endliche Entkräftung hat als höchstes Heil fast even die Einrichtungen herbeigerufen, deren vermeintliche Last die Gemüther einst empört und vereinigt hatte. Aeußere Einwirkung hat von diesen Erscheinungen gewiß den geringsten Theil veranlaßt, und wo sie ganz fehlte, wie in Portugal, hat sich der Kreislauf nur noch schneller vollendet. Dennoch sehen wir anderwärts zu allgemeinem Glücke die Verfassung ganzlich umgestaltet, ohne daß jene krampfhaften Zuckungen, ohne daß eine Rückkehr damit verbunden wäre. Im Verlauf von anderthalb Jahrhunderten sind alle Principe römischer Staatseinrichtungen um= gekehrt und mitten unter feindlichen Angriffen die schwache, tyrannische Aristokratie in beglückte und siegreiche Republik verwandelt, ohne daß einmal die alte Form gewaltsam zerstört, einmal der rômische Boden von Bürgerkriegen geschändet worden wäre. So ist denn wohl die Frage nach dem Grunde so entgegengesetter Entwickelungen natürlich und der Wunsch gerechtfertigt, auch zu unserm Frommen die alte Erfahrung benußen zu können. Die Antwort ist einfach. Das Leben, wo es auch sey, leidet keine Sprünge; was geschaffen ist, ohne an die Vergangenheit geknüpft zu seyn, ist todt geboren und kann von keinem Lebendigen assimilirt, als Theil der eignen Existenz gegen åußern Angriff vertheidigt werden.

Nie ist Rom in eine solche unhistorische Constitution hineingesprungen. Dem jedesmaligen Bedürfniß hat es abgeholfen durch Einrichtungen, die sich eng an Bestehendes anschlossen, ohne je durch eine Radicalreform mit Einem Male auch künftigem erspecu= lirtem Verlangen ein Genüge leisten zu wollen. So ward ein neues Institut nach dem andern vom Volksleben mit ergriffen, bis endlich die Jahrhunderte ein ganz verjüngtes Gemeinwesen geräuschlos her= beigeführt hatten. Auf verwandte Weise hat die englische Volksvertretung sich gebildet, und derselbe Hang läßt sich auch außer dem Gebiete der Politik verfolgen. Nicht wie ein Pilz schießt deutsche Baukunst über Nacht aus dem Boden hervor, aber ein Glied antiker Architektur nach dem andern wird von neuem Kunstgefühl umgestaltet, bis endlich ein selbstständiges Leben vollkommen dasteht. Selbst die Poesie des Mittelalters bestrebt sich ernst, der antiken sich anzuschließen, aber sie durchdringt die entlehnten Formen mit neuer Bedeutung und bald steht sie eigenthümlich und herrlich da, während die kürzlich versuchte Sprachverwandlung ihre dem Volke fremd gebliebenen Neuerungen unter den eignen Hånden sterben se= hen gemußt hat.

Leider haben diese Wahrheiten den revolutionairen Eifer noch nicht zu dämpfen vermocht; leider herrscht noch bei vielen, ja selbst bei einem großen Theile der Masse des Volks, der redliche Glaube, idealische Constitutionen von überall gleicher Vortrefflichkeit seyen

denkbar und müßten ihr Heil gleichmäßig verbreiten, auch wo ihre Einführung mit gewaltsamem Umsturz der bestehenden Ordnung ver bunden wäre. Wo eine solche Ueberzeugung verbreitet ist, da kann man wohl die Verirrung der Zeit beklagen, aber man wird wenigstens denen eine Anerkennung widerfahren lassen müssen, die, von warnenden Beispielen geschreckt, das Unheil von ihrem Volke abzuwenden bestrebt sind, das im Gefolge der aufsteigenden Revolution hervorzubrechen droht. Einer trügerischen Meinung zugethan, werden sie die stürmische Vergänglichkeit revolutionairer Einrichtungen nicht sowohl in ihrer eigenen todt-theoretischen Natur, als in dem Mangel einer schühenden Autorität zu erkennen glauben. Sie werden fühlen, wie die Ehrfurcht vor dem Bestehenden und vor der Vergangenheit, die es erzeugt hat, eben durch die Revolution in ihrer Wurzel vernichtet wird. Sie werden fühlen, wie so die neue Regierungsform, ohne Zusammenhang mit der alten, blos durch ihre Uebereinstimmung mit den Interessen der Gesammtheit besteht, und wie diese Interessen, von zügellofem Eigennus gelenkt, immer neue Gestalt annehmen, immer neue Ansprüche machen und durch sie das kaum Erstandene abermals stürzen können.

Ueberzeugt indeß, daß das wahrhaft Verderbliche der Revolu= tion im gewaltsamen Wechsel besteht, werden sie glauben, alles mit ihr verbundene Uebel gehoben zu haben, wenn sie nach Zusammensturz der alten erstorbenen Form die neue durch eine Autorität er= greifen und tragen lassen, die, unmerklich entstanden, sich in der Stille schon genügend befestiget hat, um den Angriffen egoistischer Leidenschaftlichkeit widerstehen zu können. So werden sie glauben, den Sprung in dem Wechsel der Autoritäten vermieden zu haben; denn gerade daß die neue sich so vollständig befestigen konnte, be= weist, daß die alte den nagenden Wurm schon in sich trug und nur dem Scheine, nicht der Wahrheit nach noch bestand. Sie werden meinen, auf solchem Wege jene ruhigen Umbildungen noch zu erreichen, die, ohne zu zerstören, die erstorbene Puppenhülle abstreifen und, Schmetterlingen gleich, schon gebildet hervorgehen, wie lombardische freie Städte aus der Territorialherrschaft, wie souveraine Landesfürsten aus dem deutschen Reichsverbande. Aber auch diese Autorität wird nicht plößlich schon vollendet dastehen, auch sie wird eines allmåligen Wachsens und Befestigens bedürfen, und nur so lange sie vor äußern Störungen gesichert bleibt, wird sie auf ein folches hoffen können. Im Stillen also und im Geheimen wird diese Organisation vor sich gehen müssen, und es leuchtet ein, daß der Wunsch, eine bevorstehende Revolution durch das Einschreiten einer schon consolidirten Autorität an die Stelle der umgestoßenen unschädlich zu machen, nothwendig geheime, mit einander eng verbundene Gesellschaften erzeugen muß. Gleichzeitig muß aber auch

zugestanden werden, daß dieser Wunsch nichts mit dem Herbeiführen der Revolution zu thun hat; er seht voraus, daß eine Revolution unvermeidlich sey, er kann sie aber dabei eben sowohl fürchten, als herbeiwünschen; er ist sogar irrig, weil die durch ihn erzeugte Autorität nothwendig nicht das ganze Volk auf gleiche Weise ergreift, also dadurch zwischen denen, die zu ihrer Bildung beigetragen haben, und denen, die dabei unthätig waren, eine Spaltung herbeiführt; aber er ist auf keine Weise die Ursache der Revolution, sondern er verdient Dank für das abgewandte Unheil. Es ist unsre Ueberzeugung, daß nur dieser Wunsch, nicht aber das Verlangen nach Umwälzung, als Grundprincip der neapolitanischen Carbonari angegeben werden kann, und die folgenden Seiten sind hauptsächlich bestimmt, diese Behauptung zu erweisen. Ref. fühlte einigen Beruf, sie zu schreiben, da diese Meinung über die Carbonari, wenn sie anders die richtige ist, nur in dem Munde desjenigen, der seine politischen Gesinnungen theilt, einiges Gewicht erhalten, von einem Revolutionsfreunde ausgesprochen aber, nur als leere Beschönigung einer innerlich schlechten Sache erscheinen kann. Wie er indeß über die neapolitanische Umwälzung denkt, spricht sich dadurch am besten aus, daß er alles zu erschöpfen glaubt, was sich zu Gunsten der Carbonari fagen läßt, wenn er darthut, daß sie an ihr keinen Antheil hatten.

Man hat diese Gesellschaft nach Ausbruch der Revolution gleichsam ans Licht treten sehen, der Orden hat während der Dauer des constitutionellen Systems dessen ruhige Aufrechthaltung sich an= gelegen seyn lassen, ja schon vorher war ein gewisser Zusammenhang zwischen der Ausbreitung des Carbonarismus und dem Herannahen der Revolution unverkennbar; und so hat denn die Mehrzahl politischer Beobachter jene Revolution und alles daran hängende Uebel den Carbonari allein zuschreiben wollen; ja dieser Glaube ist zu solcher Ausbreitung gelangt, daß auf ihn ausschließlich das neuere Strafsystem der jeßigen neapolitanischen Regierung gebaut zu seyn scheint. Die einfache Bemerkung indeß, daß selbst die parteiischsten Erzählungen der Ereignisse vom Juli 1820, wie z. B. die des Gagliardi und seiner Freunde, kein Beispiel aufzuzählen wissen, wo der Orden, als solcher, entweder mit den Waffen in der Hand, oder durch förmliche, in den Zusammenkünften gefaßte Beschlüsse bei diesen Ereignissen thätig gewesen wäre; ferner die andere, daß alle neapolitanische Statuten des Ordens darin übereinstimmen, Verhandlungen politischer Angelegenheiten in den Carbonarilogen zu verbieten; endlich aber die, daß wir dieselbe Gesellschaft bei verschie= denen, einander zum Theil entgegengesetten, projectirten oder wirklich ausgeführten, Staatsumwälzungen auftreten sehen, dürften geeignet seyn, diese Meinung uns einigermaßen verdächtig zu machen.

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